Bad Kreuznach
Gericht baut früheren Drogendealern eine goldene Brücke

Bad Kreuznach. Die 2. Strafkammer des Landgerichts Bad Kreuznach drückte in der Verhandlung gegen zwei mehrfach vorbestrafte Drogendealer mehr als nur ein Auge zu, weil beide inzwischen eine bemerkenswerte Wende vollzogen haben.

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Von Kurt Knaudt

Dadurch kamen sie trotz Handels mit Betäubungsmitteln in nicht unerheblicher Menge mit Bewährungsstrafen von zwei Jahren davon. Vor allem die Lebensgeschichte des aus der Region Bad Kreuznach stammenden Täters ist an Dramatik kaum zu überbieten.

Der 29-Jährige, der als Kind mit seiner Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS) immer wieder als Zappelphilipp und Klassenclown auffiel, stammt aus einem geordneten Elternhaus. Die Krankheit macht ihm bis heute zu schaffen. Nach der Hauptschule schaffte er noch den Realschulabschluss und begann dann eine Lehre als Hotelfachmann, die er aber wie zwei weitere Ausbildungen abbrach. Nachdem er bereits während der Schulzeit Cannabis geraucht hatte, „bin ich dann auf die Amphetamin-Schiene gerutscht“, wie er es selbst formulierte.

Nachdem bei ihm drogenbedingt eine schleichende Psychose diagnostiziert wurde, machte er 2007 eine Therapie. Eine Zeit lang hielt er durch, ehe er erneut den Drogen verfiel und dadurch schließlich seinen Führerschein verlor. Zwei Ereignisse rüttelten ihn wach. Zum einen die Vorbereitung auf die medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis: „Das hat mir mehr geholfen als die Therapie.“ Zum anderen lernte der Angeklagte seine Freundin kennen, die ein halbes Jahr später an Krebs erkrankte – ein einschneidendes Ereignis. Immer wieder brach der 29-Jährige in Tränen aus, als er von dieser anhaltenden Leidensgeschichte berichtete. Seit Anfang 2010 nimmt er trotz der enormen seelischen Belastung keine Drogen mehr: „Ich habe ihr das am Krankenbett versprochen.“

Er kümmert sich aufopferungsvoll um seine schwer kranke Freundin, der er auf einer Reise nach China einen Heiratsantrag machte. Als Kronzeugen seiner positiven persönlichen Entwicklung traten seine Schwester und der Sachverständige Dr. Ralf Werner (Bingen) auf. Er sei erwachsen geworden, sagen seine engsten Angehörigen. „Ich versuche jetzt, den geraden Weg zu laufen“, sagt er selbst. Er wolle eine Ausbildung zum Gas- und Wasserinstallateur beginnen, kündigte der handwerklich begabte Angeklagte vor Gericht an.

Um seinen Lebensunterhalt zu finanzieren, dealte der voll geständige Mann allerdings laut Anklage von Oktober 2009 bis April 2011 mit Betäubungsmitteln. Die bezog er ab dem Spätsommer 2010 von einem Kasachen, den er zufällig bei einem Türkei-Urlaub kennengelernt hatte. Die Drogen versteckte er im Weingut seines Vaters auf dem Speicher. Der in Mainz ansässige Kasache bezog diese von einer damals bei ihm wohnenden Prostituierten. Auch der 33-Jährige hat den Drogen und auch dem Alkohol abgeschworen, dem er über Jahre exzessiv zugesprochen hatte. Er hat eine unbefristete Arbeitsstelle und lebt in einer festen Beziehung.

Nicht mehr zweifelsfrei nachzuvollziehen war, um welche Gesamtmenge an Betäubungsmitteln – für die Strafzumessung ganz entscheidend – es sich handelte. So baute das Gericht unter dem Vorsitz von Dr. Bruno Kremer dem Duo nach dem Motto „Im Zweifel für die Angeklagten“ eine goldene Brücke, über die auch Staatsanwalt Christian Loch ging: Zu ihren Gunsten wurde angenommen, dass es sich nur um 5,5 beziehungsweise 3,5 Kilo gehandelt hat. Dafür erhielten beide eine zweijährige Freiheitsstrafe, die jeweils für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wird – dafür hatten sich auch ihre Verteidiger ausgesprochen.

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