Fast täglich berichtet der „Oeffentliche“ über geplante oder schon bestehende Windkraftanlagen. Ob in der Verbandsgemeinde (VG) Rüdesheim oder der VG Nahe-Glan, ob auf dem Zollstock oder bei Fürfeld. Klar: Windräder sollen Strom liefern und fossile Energien wie Erdöl, Erdgas und Kohle mindestens teilweise ablösen. Die erneuerbare Energie soll damit ein wichtiger Bestandteil gegen den Klimawandel sein. Zoff gibt es da schon mal wegen unzureichender Abstände, der Verteilung der Gewinne oder wegen der Veränderung des Landschaftsbilds. Aber im Kern ist sich die Mehrheit in der Kommunalpolitik einig: Windkraft trägt zur Energiewende bei, ist daher notwendig. Doch so manche sehen das ganz anders.
Wir wünschen uns nicht, dass die Menschen unsere Meinung haben, wir wollen, dass sie kritisch denken.
Beate Frank über das Ziel der windkraftkritischen Veranstaltungen des Graswurzelteams
Das Graswurzelteam um Dr. Beate Frank aus Simmertal und Dr. Alois Schwahn aus Schweinschied besteht zurzeit aus gut ein Dutzend Mitgliedern. Sie treffen sich regelmäßig zum Informieren, Diskutieren, Protestieren. Neue Windkraftanlagen in der Nahe-Region halten sie für unnötig, beklagen den Verlust von Ökosystemen, bemängeln eine vergleichsweise niedrige Energiesicherheit. Studien und Wissenschaftler würden das belegen, sind sie überzeugt.
Denken die Ortschefs nur ans Geld?
Aber wenn dem so wäre, warum hat der Bau von Windrädern auch in der Naheregion zuletzt derart an Fahrt aufgenommen? „Die Ortsbürgermeister haben nur die Dollarzeichen in den Augen“, meint Frank beim Gespräch mit dem Oeffentlichen Anzeiger in einem Weingut in Monzingen. Die 61-Jährige ist Naturtherapeutin und beschäftigt sich laut eigener Aussage schon länger mit den Schattenseiten von Windenergie.
Ihre Mission: Die Leute informieren. „Wir wünschen uns nicht, dass die Menschen unsere Meinung haben“, sagt Frank, „wir wollen, dass sie kritisch denken.“ Schwahn ergänzt, die Menschen seien „einseitig informiert“, spricht von einem „offiziellen Narrativ bei der Energiewende“.
Damit kann man eine Rindertränke betreiben, aber keinen Industriestaat.
Alois Schwahn befürchtet, dass Windkraft keine kontinuierliche Energieversorgung sicherstellen kann.
Ja, einen Klimawandel gebe es, bestätigt der 69-Jährige. „Aber keine Klimakrise.“ Die Temperaturschwankungen im Erdklima seien normal. Das 1,5-Grad-Ziel schaffe man auch ohne den Ausbau erneuerbarer Energien, stellt er in den Raum. Beim Pariser Klimaabkommen 2015 hatten sich zahlreiche Staaten aufgrund wissenschaftlicher Berechnung auf die Reduktion von Treibhausgasen geeinigt, da die globale Temperatur sonst weiter ansteigt und irreversible Entwicklungen nach sich zieht.
Reichen fossile Energieträger?
Auf die Frage, was den Hunger nach Energie stillen soll, wenn die fossilen Energieträger mal versiegen, ist von Reserven im Erdreich unter Skandinavien, „die noch 1000 Jahre reichen“, die Rede. Ergo: „Mit fossilen Energieträgern können wir alles decken.“ Die seien sicher.
Eine Insel energieautark? Das Pilotprojekt auf Pellworm
Vor etwa zehn Jahren startete die nordfriesische Insel Pellworm ein Pilotprojekt: Die rund 1200 Einwohner sollten allein mit Windkraft, Biogas und Solaranlagen vor Ort versorgt werden, die Insel wollte energieautark werden. Die zunächst verheißungsvolle Idee entpuppte sich allerdings bald als unzureichend, denn Sonne und Wind liefern nicht kontinuierlich Energie. Da der produzierte Strom nicht ausreichend gespeichert werden kann, war die Insel noch Jahre später in sehr geringem Umfang dennoch von Stromlieferungen des Festlands abhängig. mki
Als Beispiel für die nicht ausreichende Energiesicherheit von erneuerbaren Energien führen die beiden das Modellprojekt in Pellworm an. Kritisch sieht Schwahn die Schwankungen in der Versorgung. „Die Volatilität ist tödlich“, meint er und drückt es dann bildlich aus: „Damit kann man eine Rindertränke betreiben, aber keinen Industriestaat.“
Steht die CO₂-Ersparnis im richtigen Verhältnis?
Auch die CO₂-Ersparnis schätzt er als zu gering ein, Windkraft leiste so keinen wesentlichen Teil zum Klimaschutz. Zwar kommt es bei Herstellung und Transport von Windrädern zu CO2-Emissionen, die reine Energieerzeugung ist aber deutlich umweltfreundlicher als die von fossilen Energieträgern. „Wir können alles mit Zahlen belegen“, ist Frank überzeugt, bevor ihr Kollege meint: „Es gibt nur ein Argument für Windkraft: Geld.“
Die CDU der VG Rüdesheim will bei Ortstermin aufklären und wirbt für eine Union der Gemeinden, wenn es um die Gewinnaufteilung geht. Das schmeckt den Waldböckelheimern allerdings so gar nicht.Windkraft in der VG Rüdesheim: Im Dschungel der Verordnungen
Der Tierarzt im Ruhestand hat sich auf das Gespräch mit dem „Oeffentlichen“ vorbereitet: Auf seinem Laptop zeigt er zahlreiche Tabellen und Diagramme, die seine Thesen unterstützen sollen. Bücher, Magazine und Onlineartikel hält er bereit, auch eine Präsentation des wissenschaftlichen Beirats des Bundestages sei dabei.
Wir müssen erkennen, dass wir alle in einem Boot sitzen. Wir sind eine Menschheitsfamilie.
Beate Frank
Von so manchen Leitmedien, etwa dem Fernsehen, haben sich die beiden übrigens schon vor Jahren verabschiedet, wie sie erzählen, „weil wir unabhängig denken“. Während Schwahn demnach noch regelmäßig Zeitung liest, vertraut Frank auf das Internet, um sich zu informieren und zu recherchieren. Sie ist Mitglied in der Kleinpartei Die Basis, die aus dem Protest gegen die Corona-Maßnahmen hervorging. Alois Schwahn fühlt sich den Liberalen verbunden.
Was bringen Ausgleichsflächen?
Frank möchte die Zerstörung sensibler Ökosysteme verhindern. „Ausgleichsflächen sind da Pillepalle“, tut sie die kompensierenden Maßnahmen ab. „Wir müssen erkennen, dass wir alle in einem Boot sitzen. Wir sind eine Menschheitsfamilie.“ Natürlich spülen Windräder eine Menge Geld in die Kassen der Gemeinden. „Aber dabei ist die Frage, ob es die menschliche Seele weiterbringt“, gibt Frank zu bedenken.
Mandel/Koblenz. „Windkraft? Nein, danke!“ – so lässt sich wohl das Credo der sogenannten Graswurzelbewegung Bad Kreuznach zusammenfassen. Für vergangenen Freitag hatte die Initiative eine windkraftkritische Infoveranstaltung in der Mandeler Schloßberghalle angekündigt. Die Verbandsgemeinde (VG) ...Urteil: Graswurzelteam darf Ratssaal im Kreis Bad Kreuznach nutzen
Zuletzt hatte die Gruppe für Aufsehen gesorgt, weil die VG Rüdesheim einen windkraftkritischen Infoabend in Mandel verbieten lassen wollte. Angelika Rohrbacher, Sitzungsleiterin des Graswurzelteams, hat dagegen geklagt und vom Verwaltungsgericht Koblenz Recht bekommen. Etwa eine Handvoll solcher Veranstaltung hat die Graswurzelbewegung im zu Ende gehenden Jahr organisiert, wie Alois Schwahn berichtet.
Referentin übt Kritik an VG-Verwaltung
Birgitta Lauber, Diplomökologin und Referentin beim jüngsten Infoabend des Graswurzelteams, hat sich an den „Oeffentlichen“ gewandt. Die Norheimerin beklagt, die Verbandsgemeinde (VG) Rüdesheim habe die Öffentlichkeit seit 2022 zu wenig über die konkreten Flächen informiert, die für Windräder vorgesehen sind. Außerdem meint sie, die veränderten Vorgaben für Windkraftanlagen (weniger Schutzabstand, höherer Flächenbeitragswert) lösten nicht den Zwang aus, weitere Anlagen zu bauen. Sie spricht von „Fehlannahmen in Räten und Öffentlichkeit“. mki
Bereits 2013 hatte sich die Bürgerinitiative gegründet, als es um neue Windräder in der damaligen VG Meisenheim ging. „Danach ist es ein wenig eingeschlafen“, erinnern sich die beiden. „Aber da die VG Nahe-Glan und VG Rüdesheim nun wieder massiv Windräder bauen lassen wollen, wurde das Thema wieder aktuell.“