Halbjahresbilanz: - Vor allem große Hotels hat die Pandemie schwer getroffen
Gästezahlen fast halbiert: Corona lässt den Tourismus an der Nahe einbrechen
2020 ist ein beispielloses Krisenjahr: Erst musten Hotels und Restaurants schließen und die Tisch blieben leer, dann lief der Betrieb unter Corona-Auflagen nur langsam wieder an. Foto: Gewerkschaft NGG
NGG

Kreis Bad Kreuznach. Corona sorgt für einen Tourismuseinbruch: Im ersten Halbjahr haben 60.600 Gäste den Kreis Bad Kreuznach besucht – 49 Prozent weniger als im Vorjahr. Die Zahl der Übernachtungen sank um 35 Prozent auf etwa 304.000 (Beherbergungsbetriebe ohne Campingplätze). Das teilt die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten mit.

Die NGG beruft sich dabei auf Zahlen des Statistischen Landesamtes. „Die Pandemie hat zu einer beispiellosen Krise im heimischen Gastgewerbe geführt. Erst mussten Hotels, Pensionen, Kneipen und Restaurants über viele Wochen ganz schließen. Und nach dem Lockdown läuft der Betrieb unter Auflagen nur langsam wieder an“, sagt Guido Noll, Geschäftsführer der NGG-Region Darmstadt und Mainz.

Bei den Gästeankünften macht allein die Stadt Bad Kreuznach mit 57 Prozent mehr als die Hälfte der Gesamtzahl im Kreis aus, bei den Übernachtungen sind es sogar 67,7 Prozent, also zwei Drittel. Das ist auf den hohen Anteil der großen Kliniken in der Kreisstadt zurückzuführen, erläutert Michael Vesper, Geschäftsführer der Gesundheit und Tourismus für Bad Kreuznach GmbH. Kreisweit (inklusive der Stadt KH) gab es von Januar bis einschließlich Juli bei den Gästeankünften ein Minus von 42 Prozent und bei den Übernachtungen von 31,4 Prozent.

In der Stadt fiel der Einbruch nicht so stark aus: bei den Gästen 21 Prozent, bei den Übernachtungen 26,5 Prozent. Das ist ein, wie es Vesper nennt, „weniger schlechtes Ergebnis“ als im Landesdurchschnitt mit einem Minus von 44 Prozent bei den Gästen und minus 39 Prozent bei den Übernachtungen. Für den Bereich der Naheland-Touristik, zu dem neben den Kreisen Bad Kreuznach und Birkenfeld auch Teile des Kreises Mainz-Bingen gehören, sehen die Zahlen so aus: 42 Prozent weniger Gäste, 30,6 Prozent weniger Übernachtungen.

Als am robustesten erwies sich noch der Klinikbereich. Das sei klar zu sehen, so Vesper. Dagegen seien Pensionen und Hotels die großen Verlierer. Zeitweise gab es in den Monaten April und vor allem Mai in der Hotellerie einen Rückgang von bis zu 90 Prozent, waren die Hotels nur noch zu rund 10 Prozent ausgelastet. Danach wurde es besser, doch traditionsgemäß gibt es im Juli bei den Gästezahlen ohnehin eine Delle, „weil wir kein Sommerurlaubsort sind“, erklärt Vesper. Die Saison ist zwar noch nicht gelaufen – normalerweise sind September und Oktober starke Monate – doch unterm Strich bleibt das Corona-Jahr 2020 weit hinter den normalen Zahlen zurück. Auch bei einer Erholung im September und Oktober – vorausgesetzt, die Epidemielage verschlechtert sich nicht – werden die Zahlen aus den Vorjahren „nicht annähernd erreicht“, weiß Vesper. Wichtig für die weitere Entwicklung in diesem Jahr sei deshalb auch, dass das Thermalbad und das Bäderhaus ab dem 1. Oktober wieder öffnen.

Für Katja Hilt, Geschäftsführerin der Naheland-Touristik, belegen die Halbjahreszahlen, dass es zwar weniger Übernachtungen gab, die Gäste dafür aber länger geblieben sind. Statt auf Kreuzfahrt zu gehen, machten die Menschen in der Corona-Zeit eher Urlaub in der heimischen Region. Derzeit arbeite man intensiv an weiteren Angeboten, um die Saison zu verlängern.

Genuss und Wellness sind dabei die Pfunde, mit denen man wuchern will. Da sei man in der Region auch gut aufgestellt. Vor allem für Betriebe aber, die von Tagungsgästen abhängig sind, habe es ein böses Erwachen gegeben. „Sie müssen sich komplett neu ausrichten“, ist Katja Hilt überzeugt. Anderseits sieht sie an den Corona-Folgen auch einen positiven Aspekt: „Ich glaube, dass die einheimische Bevölkerung in diesem Sommer gemerkt hat, was es für ein tolles touristisches Angebot in der Region gibt, das sie für sich nutzen kann. Das kann für die Zukunft nur von Vorteil sein.“

Gleichwohl: In der Stadt Bad Kreuznach liegt der Gesamtumsatz im Tourismus normalerweise jährlich bei 180 Millionen Euro. Da ist leicht auszurechnen, was der Einbruch bei den Gästezahlen für diejenigen Betriebe und Menschen bedeutet, die davon leben. Viele Hotels weisen hohe Verluste auf, die zum Teil existenzgefährdend sind. Das ist nicht mehr aufzuholen. Und sollte es zu einem zweiten Lockdown kommen, „wird es ganz dunkel“, befürchtet Vesper.

Doch auch so ist der Ausblick eher düster: Gerade die großen Hotels sind auf einen Kundenmix angewiesen, doch Geschäftsleute und Tagungsgäste kommen nicht wieder in der früheren Anzahl zurück, ist sich der Kreuznacher Tourismuschef sicher. Stattdessen setzten die Unternehmen etwa auf Videokonferenzen. Die Digitalisierung, die in der Pandemie einen Schwung erfahren hat, führe zu einer Veränderung in der Unternehmensstruktur, schaffe eine neue Arbeitswelt, ist Vesper überzeugt, dass das Niveau der Vor-Corona-Zeit nicht wieder erreicht wird.

Von unserem Redakteur Harald Gebhardt

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