Wenige Tage nach seiner Entlassung sagt er im Telefongespräch mit dem Oeffentlichen Anzeiger, dass er sich am kommenden Montag wieder festklebt. Und wenn das noch einmal Haft bedeutet? „Ich habe Respekt davor, aber ich weiß, dass ich es aushalten kann.“ Wie weit würde Fabian Zimmermann gehen, um zu verhindern, dass das Klima kippt? „Eine Störung des Alltags ist ein verzweifelter Akt, aber ein geeignetes Mittel“, findet er. Sie hätten eine Rettungsgasse freigehalten in München, als sie die Luitpoldbrücke blockierten und die Widenmayerstraße, das würden sie immer so machen. Neun Aktivisten des Bündnisses „Letzte Generation“ waren sie, acht von ihnen kamen in Gewahrsam.
Blockaden mit Folgen
„Wir tun unser Allermöglichstes, damit keine Personen- oder Sachschäden entstehen“, sagt Zimmermann. Doch es gibt etliche Medienberichte von Aktionen der „Letzten Generation“, in denen Rettungswagen durch Straßenblockaden behindert worden sind, in Berlin beispielsweise. Da standen Krankenwagen mit Patienten im Stau, Einsätze der Feuerwehr verzögerten sich.
Für Fabian Zimmermann gibt es keine Alternative zum zivilen Ungehorsam, mit dem die Gruppe Maßnahmen gegen die Klimakrise durchdrücken will, wenigstens aber klar machen möchte: „Uns läuft die Zeit davon. Die Grundlage unserer Existenz wird vor unseren Augen zerstört.“ Davor hat er Angst, „das hören Sie bestimmt in meiner Stimme“. Naturkatastrophen als Folge der Klimakrise fürchte er weit mehr als das, was ihm in München passiert ist. Wenn die Erderwärmung ein bestimmtes Maß überschreite, dürfe man sich die Folgen nicht friedlich vorstellen.
Lebensgrundlage ganzer Generationen wird zerstört
Fabian Zimmermann hat 2013 nach einem Vortrag eines britischen Klimawissenschaftlers begriffen, welchen Schaden die menschengemachte globale Erwärmung anrichtet und noch anrichten wird. „Es war ein Schock“, sagt er. Dass die Lebensgrundlage ganzer Generationen zerstört wird, wenn niemand handelt, das habe damals kaum einer aus seinem Umfeld auf der Agenda gehabt, auch politisch wurde die Klimafrage in seinen Augen bagatellisiert. Er stand mit seinem Wissen, seinen Befürchtungen ziemlich allein da. Später habe er Briefe geschrieben an Stadtratsmitglieder und gefragt: Wohin kann ich mich wenden, damit das Thema auf die Tagesordnung von politischen Gremien kommt? Antworten: Fehlanzeige.
Zimmermann engagierte sich danach bei Fridays for Future, bezeichnete sich selbst bei der ersten Demo 2019 in Bad Kreuznach, bei der er als Redner auftrat, als Künstler und Vollzeitaktivist, machte bei Extinction Rebellion mit und trat als Kandidat der Linken bei der Stadtratswahl 2019 an. Doch Fridays for Future habe nichts gebracht, sagt er, oder wenigstens nicht genug.
Deswegen hat er sich am Morgen des 21. November eine Warnweste angezogen und um 7.30 Uhr auf der Luitpoldbrücke festgeklebt. Die Polizei war schnell da, sprach die erste, zweite, dritte Mahnung aus, die Aktivisten sollten sich entfernen. Dann wurde mit einem Pinsel auf Zimmermanns linker Hand warmes Spülmittelwasser verteilt, damit der Kleber abgeht. Das alles dauerte keine Stunde.
Platzverweis bekommen
Auf der Polizeiwache durften sich die Klimaschützer zur Sache äußern. „Ich habe den Polizisten gesagt, warum ich mich festgeklebt habe: Weil wir unmittelbar davor stehen, Kipppunkte zu überschreiten, was wir verhindern müssen.“ Zimmermann und seine Mitstreiter bekamen einen Platzverweis. „Dann habe ich den Beamten gesagt, dass ich es wieder machen werde.“ Der 37-Jährige wurde auf freien Fuß gesetzt und klebte sich am Nachmittag erneut fest. Das endete mit einer Nacht in Polizeigewahrsam; am Morgen darauf wurde er in die JVA Stadelheim überführt und kam in eine Einzelzelle. „Bücher und Schreibkram durfte ich behalten“, sagt er. Anderen aus seiner Gruppe sei das nicht erlaubt worden.
Es wurden Tage, die ihn mehr belasteten, als er das zuvor vermutet hätte, auch wenn er sich darauf vorbereitet habe. „Man entscheidet in der JVA nichts mehr selbst: Das Essen wird durch eine kleine Klappe in der Tür geschoben. In der Zelle waren keine Lichtschalter; ob es hell ist oder nicht, bestimmten andere. Uhren gab es auch nicht.“ Und es war sehr viel Zeit zu füllen. „Ich habe Briefe geschrieben.“
Früher entlassen worden
Ursprünglich sollten die Mitglieder der Letzten Generation 30 Tage in Stadelheim verbringen. Da aber die Voraussetzungen für Gewahrsam nicht mehr vorlagen, dass weitere Straftaten zu erwarten sind, wurden sie früher entlassen. Die Letzte Generation hatte in einer Pressemitteilung angekündigt, zunächst auf weitere Aktionen in Berlin und München zu verzichten.
Fabian Zimmermann ist aktuell noch in München. Für ihn ist es der beste Ort, um „effektive Maßnahmen adäquat zu adressieren“. Und wenn das heißt, dass er wieder ins Gefängnis geht oder Anzeigen wegen Nötigung bekommt – er nimmt es in Kauf. „Hoffnung gibt es nur, wenn man was tut. Ziviler Ungehorsam ist ein Mittel zum Ziel, aber mein Ziel ist auch, dass sich die Mittel ändern lassen.“