Damit sie, falls sie infiziert sind, das Coronavirus nicht in den Betrieb oder die regulären Unterkünfte einschleppen, müssen sie sich bei Bioscientia in Ingelheim auf eine mögliche Covid-19-Infektion testen lassen, erzählt Firmenchef Hans-Joachim Sutter. Nur wenn das Ergebnis negativ ist, dürfen sie wieder ihre Arbeit aufnehmen.
Das System scheint zu funktionieren: Im August wurden drei Rumänienrückkehrer positiv getestet. Sie selbst und 19 weitere Bewohner ihrer Unterkunft in Armsheim (VG Wörrstadt) wurden daraufhin unter Quarantäne gestellt. 1200 Menschen arbeiten für die Sutter GmbH, die Hälfte davon kommt aus dem europäischen Ausland, etwa Ungarn, Rumänien oder Polen. Sutter arbeitet mit einem Werkvertragspartner zusammen, der Firmengruppe Willmann. Das sei nötig gewesen, weil man in Deutschland einfach kein Personal gefunden habe. Noch vor 30 Jahren, als seine Firma wuchs, habe er viele Hausfrauen aus der Region eingestellt, die sich durch die Fabrikarbeit ein Zubrot verdienten, sagt Hans-Joachim Sutter. Heutzutage sei das undenkbar, die Leute strebten allesamt in Bürojobs. Deshalb habe man sich im Ausland umgesehen.
Günter Schätzle koordiniert für Willmann den Einsatz der osteuropäischen Mitarbeiter. Auch er sagt: „Es ist nicht sexy, in der Wurstfabrik zu arbeiten.“ In Deutschland finde man einfach niemanden, der diese Arbeit machen wolle, egal wie hoch der Stundenlohn sei. Der liege bei 9,35 Euro Grundlohn pro Stunde, je nach Leistung könne ein Arbeiter aber auch bis zu 14 Euro pro Stunde verdienen. Die Verträge sind zunächst auf ein Jahr befristet, die meisten Leute würden danach unbefristet eingestellt. Werbung mache man nicht, „die Leute kommen von selbst, weil wir sie gut behandeln“, ist Sutter-Geschäftsführer René Eckart überzeugt.
Ganz abgesehen davon, dass man weder ein Schlacht- noch ein Zerlegebetrieb sei (bei Sutter werden die Fleischstücke lediglich zu Schinken oder Wurst verarbeitet), könne von Zuständen wie bei Tönnies nicht die Rede sein, betont Eckart: „Wir haben andere Standards.“ Hygiene schreibe man hier schon immer groß. Schon bevor die Pandemie nach Deutschland kam, habe man erste Vorkehrungen getroffen und etwa die Maskenpflicht auf dem gesamten Betriebsgelände eingeführt sowie den Vorrat an Desinfektionsmitteln aufgestockt. An allen acht Personalzugängen habe man je eine Fieberkamera installiert – für 40.000 Euro pro Stück. Wird bei einem Mitarbeiter erhöhte Temperatur festgestellt, erscheint auf Eckarts Smartphone die entsprechende Information, und der betroffene Mitarbeiter wird weiteren Tests unterzogen.
Beim Rundgang durch die verschiedenen Produktionshallen, in denen Arbeiter in Schutzkleidung Würstchen, Schinken und Co. formen, kochen, räuchern, kontrollieren, verpacken und versenden, wird deutlich, dass Abstand halten kein Problem ist. Und auch in der Kantine dürfte das Ansteckungsrisiko gering sein: Auf den Tischen sind Trennwände angebracht, die Pausenzeiten wurden entzerrt und das Büfettsystem abgeschafft – die Mahlzeiten und Getränke werden jetzt vom Kantinenpersonal an die Tische gebracht. Über einen Bildschirm an der Wand flimmern Warnhinweise zum Coronavirus in verschiedenen Sprachen.
Untergebracht sind die Mitarbeiter in Unterkünften in Armsheim, Horrweiler, Bad Münster am Stein-Ebernburg, Welgesheim und Stromberg. Der „Oeffentliche“ hat sich im Wohnheim in der Franz-Schubert-Straße in Bad Münster umgesehen. In dem ehemaligen Schulungsgebäude der Volksbank sind 70 Beschäftigte untergebracht – in Einzel- oder Zweierzimmern mit eigenem Bad. Viele Zimmer haben Balkone und Kochgelegenheiten; wer möchte, kann auch die Gemeinschaftsküchen nutzen. In den anderen Unterkünften sei es ähnlich, sagen Eckart und Schätzle. In einem Zimmer seien nie mehr als zwei Leute untergebracht. Viele der Zweierzimmer seien von Paaren belegt. Im Übrigen seien die Wohnheime für viele nur eine Übergangslösung, zahlreiche Mitarbeiter schauten sich nach einer gewissen Zeit auf dem freien Wohnungsmarkt um oder kauften sich ein Haus, um in Deutschland sesshaft zu werden.
Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) hatte im Juli und September dieses Jahres vor den Werkstoren in Gau-Bickelheim Präsenz gezeigt, um ein Zeichen gegen Werkverträge zu setzen (wir berichteten). Der Gesetzgeber will diese 2021 verbieten. Doch da das Verbot nur für Betriebe gilt, die weniger als 50 Mitarbeiter haben, befürchtet die NGG, dass Arbeitgeber Schlupflöcher suchen und etwa GmbHs gründen könnten, die diese Vorgaben erfüllen.
Das werde man nicht tun, heißt es vonseiten der Sutter-GmbH. Schätzle sagt: „Wenn der Gesetzgeber am 7. Oktober beschließt, dass die Werkverträge 2021 in der Fleischindustrie verboten werden, werden wir uns dem Ganzen beugen. Dann wird unser Personal von der Firma Sutter übernommen.“