Ein seit Jahren schwelender Nachbarschaftsstreit gipfelte im August 2024 in einer Prügelei, nach der ein 76-Jähriger aus der VG Bad Kreuznach einen Revolver holte und damit zweimal auf seinen Nachbarn zielte und abdrückte. Der 76-Jährige wurde am Donnerstag vom Landgericht Bad Kreuznach wegen versuchten Totschlags, gefährlicher Körperverletzung und unrechtmäßigen Führens einer Waffe zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt.
„Der Angeklagte übte Selbstjustiz“
„Der Angeklagte hat ganz erhebliche Schuld auf sich geladen, weil er Selbstjustiz geübt hat, er hätte die Polizei rufen müssen“, nahm die Vorsitzende Richterin Claudia Büch-Schmitz Bezug auf die vorangegangene tätliche Auseinandersetzung zwischen den beiden Männern. Der 76-Jährige habe erstmals in seinem letzten Wort einen Ansatz von Reue gezeigt, so die Richterin. Sie erinnerte auch daran, dass der Angeklagte unmittelbar nach der Tat den Polizisten gegenüber bedauert hatte, dass er seinen Widersacher nicht töten konnte: „Er wollte den Geschädigten hinrichten.“
Andererseits ließen die Richter keinen Zweifel daran, dass an der verfahrenen Nachbarschaftssituation und der Eskalation am 16. August 2024 beide Seiten einen Anteil haben. „Wir sind überzeugt, dass der Geschädigte zuerst zugeschlagen hat, er wollte dem Angeklagten einen Denkzettel geben“, unterstrich Büch-Schmitz. Die Schläge, die der 76-Jährige von seinem jüngeren und kampfsporterfahrenen Nachbarn einstecken musste, waren für die Kammer auch ein Milderungsgrund bei der Strafzumessung. Weil der Angeklagte durch die Misshandlung zum Zorn gereizt worden war, ging die Kammer von einem minder schweren Fall des Totschlags aus.
Milderungsgrund: Opfer hatte den Angeklagten verprügelt
In der Vergangenheit hatte es immer wieder Strafanzeigen gegeben, daher hatte die Staatsanwaltschaft eine Mediation vorgeschlagen. Während sich der 76-Jährige diesem Verfahren gegenüber offen gezeigt hatte, wollten seine Nachbarn den Versuch einer Aussprache mit einem Vermittler nicht ausprobieren. „Man muss in diesem Fall auf die lange Vorgeschichte schauen, mit teilweise für Erwachsene beschämenden Streitereien wegen Hundegebell, Motorengeräuschen und Gartenarbeit zur Unzeit“, fasste Richterin Büch-Schmitz zusammen.
Aus Sicht der Richter lief alles so, wie es nicht laufen soll: Statt das Gespräch miteinander zu suchen, sei man sich aus dem Weg gegangen aus Angst vor der Reaktion des Angeklagten und habe eine Mauer gebaut. Der 76-Jährige habe seine Nachbarn mit dem Nachäffen von Geräuschen geärgert, was dann am 16. August zu der Prügelei führte. Die Ehefrau des Geschädigten hatte die tätliche Auseinandersetzung der Männer beendet, indem sie an ihren Mann appelliert hatte, von dem 76-Jährigen abzulassen.
Schwere psychische Folgen der Tat für Opfer und seine Familie
Die Selbstjustiz, die der nicht vorbestrafte Angeklagte dann übte, indem er zuerst mit dem Revolver zweimal auf seinen Nachbarn zielte und abdrückte und ihm anschließend mindestens dreimal mit der Waffe auf den Kopf schlug, ist für den Mann und seine Familie mit einer erheblichen psychischen Belastung verbunden. „Er musste zweimal denken, dass seine letzte Stunde geschlagen hat, er hat Todesangst erlebt“, hob Richterin Büch-Schmitz hervor. Der Revolver, den der Angeklagte auf einem Flohmarkt erstanden haben will, war untersucht worden.
Dabei stellte sich heraus, dass es sich um eine umgebaute Waffe handelt. Wie ein Sachverständiger des Landeskriminalamtes erklärt hat, war der Revolver funktionstüchtig. Dass die Waffe zweimal hinter einander nicht auslöste, war Zufall, beziehungsweise erklären sich die Fehlzündungen für den Experten durch die Kombination von Schusswaffe und verwendeter Munition.