Bad Kreuznacher Schwätzchen
Frühlingserwachen in der Stadt und ein morbider Charme
Wenn die Brückenhäuser erzählen könnten: Sanft spiegelt sich das Wahrzeichen der Kreis- und Kurstadt an der Nahe im Mühlenteich.
Markus Kilian

Spitzen und Notizen aus Stadt und Kreis von Harald Gebhardt

F rühlingserwachen in der Kurstadt: Wenn an Ostern das Wetter mitspielt, dann lohnen sich Spaziergänge durch die wunderschönen Parks – selbst dann, wenn nur wenige Brunnen sprudeln: Egal, ob Schlosspark, Kreuznacher Kurpark, Oranienpark, Roseninsel, Salinental oder der Kurpark in Bad Münster am Stein – sie alle habe ihren ganz eigenen Charme. Zumal wenn es so blüht, wie im April. Schön auch, dass die Stadt ihre Gäste in der Innenstadt mit bunten Blumen in den Baumkübeln und Blumenbeeten begrüßt. Das ist doch mal ein ganz anders (Stadt-)Bild als überquellende Mülltonnen, Dreckecken und Abfallhalden.

Ein Besuch des Bad Kreuznacher Schlossparks mit den musealen Einrichtungen im Park und direkt in der Nähe lohnt eigentlich immer und eignet sich auch für einen Osterspaziergang. Das Foto hat unser Leser Michael Diehl gemacht.
Michael Diehl

Blumen in der Stadt

Frühlingserwachen: Ein buntes Blumenmeer mit Tulpen, Stiefmütterchen und Vergissmeinnicht in den Baumkübeln in der Fußgängerzone. An vielen Stellen in der Innenstadt begrüßt Bad Kreuznach so seine Gäste. Schön! In der Mühlenstraße hat übrigens die Gensinger Gärtnerei Kientzler die neuen Blumen pespendet, die Stadtverwaltung sie dann gepflanzt.
Harald Gebhardt

Der Frühling hat viele Dichter und Lyriker immer wieder zum Reimen inspiriert. Nein, diesmal wird nicht Eduard Mörikes (1804–1875) berühmtes „blaue Band“ des Frühlings zitiert und auch nicht Johann Wolfgang von Goethes 1749–1832) „Osterspaziergang“, sondern Hoffmann von Fallersleben (1798–1874), der auf Helgoland das „Lied der Deutschen“ schrieb, dessen dritte Strophe die heutige Nationalhymne ist. „Die Bäume grünen überall, die Blumen blühen wieder. Und wieder singt die Nachtigall nun ihre alten Lieder. O glücklich, wer noch singt und lacht, dass auch der Frühling sein gedacht.“ Das passt bestens zu Bad Kreuznach, der Stadt der Rosen und Nachtigallen ...

Die Schönheitssteuer

Vor ein Paar Jahren legte der Osterhase mit seinem liebevoll geschmückten Floß am Göckel'schen Bootsanleger im Mühlenteich unweit der Brückenhäuser an. Inzwischen ist er vemutlich naheaufwärts weiter gefahren.
Armin Göckel

Das Salinental ist zwar nicht das „Tal der Könige“, aber „Tal der Salinen“ könnte man es schon nennen. Die dortige Flusslandschaft ist spektakulär, in Kombination mit den Gradierwerken, die Europas größtes Freiluftinhalatorium bilden, sogar einzigartig. Bad Kreuznach und Umgebung sind „sehr schön, außergewöhnlich schön“, schreibt der Optiker und Bootsbetreiber Armin Göckel an den Stadtvorstand und listet die Schönheiten auf: „drei bis vier Bäder, Sauna, Gradierwerke, alles mit Natursohle! Umgeben von wunderschöner Natur und mittendrin der Kauzenberg und vier Wasserläufe, Naturschutzgebiete vom Kurgebiet bis Ebernburg, zwei Burgen und zwei Badtitel.“ Das alles zu unterhalten, was absolut begrüßenswert ist, kostet aber viel Geld. Die Stadtpolitik weiß das schon seit Jahren, hat es aber mit den Chefs der Badgesellschaft verschlafen, Lösungen zu finden. Vermutlich aus Bequemlichkeit. Jetzt ist es – urplötzlich? – in der Bäderfrage und allem, was da dran hängt, fünf vor zwölf. Ein Kahlschlag kann nicht die Lösung sein. „Deshalb sollten wir und unsere Gäste bei so viel Schönheit vor Ort auch gerne mehr bezahlen“, findet Göckel. Es ist ein Plädoyer für die Einführung der Bettensteuer – quasi als eine Art Schönheitssteuer. Soll heißen: Wer die Kreuznacher Schönheiten genießen will, sollte dafür auch etwas mehr bezahlen. Kann man so sehen, muss man aber nicht. Und es fragt sich, ob die Rechnung aufgeht …

Das letzte Wasserrad

Was für ein Panoramabild! Ein Wasserrad vor dem Gebäude der alten Salinenverwaltung aus dem 18. Jahrhundert und ein alter Soleturm erinnern noch an die Geschichte der Saline Bad Münster am Stein.
Elke Butz

Der Stadtteil Bad Münster am Stein versprüht schon lange seinen eher morbiden Charme, zeugt oft vom Glanz einer längst vergangenen Epoche, aus der das eine oder andere, im Fall des Kurmittelhauses architektonische Kleinod, übrig geblieben ist. Von den historischen Wasserrädern dort steht heute nur noch eines. Es ist das Letzte seiner Art: Das von dem 2018 verstorbenen, früheren CDU-Stadtrat und Zimmermeister Bernd Koßmann 2006 restaurierte, denkmalgeschützte Eichenrad steht schräg gegenüber der früheren Salinenverwaltung und dem Kurmittelhaus. „Es erinnert noch an die Geschichte der Saline in Bad Münster“, schreibt unsere Leserin Elke Butz, die ein Schmuckfoto von dem beeindruckenden Ensemble gemacht hat. Das andere Wasserrad an der Nahepromenade gegenüber des Fähranlegers, sozusagen sein Zwillingsbruder, war nach jahrelangem Siechtum schon vor der Städtefusion 2021 dann vor Schwäche vollständig in sich zusammengebrochen und wurde entsorgt. „Ich stand am großen Wasserrad, versenkt in tiefe Ruh. Empfing der Tropfen kühles Bad und sah dem Schwunge zu. Die Felsen strebten himmelan, ich wußt‘ es fern und nah, doch hatt‘ ich meine Lust daran, daß nur aufs Rad ich sah“, so dichtete begeistert der „Sänger des Nahetals“, Gustav Pfarrius, in seiner Liedersammlung das „Nahetal in Liedern“ 1838. Die Szenerie, die er in dem Gedicht „Salinental“ beschreibt, kann man auch im Kurpark Bad Münster am Stein erleben. Ein Wasserrad dreht sich noch immer hinter dem Kurmittelhaus an der Nahe. Auf der anderen Seite des Flusses ragt der Rheingrafenstein empor. Diese Landschaftssituation hat auch Johann Wolfgang von Goethe in einer Skizze festgehalten und den Maler William Turner inspiriert. Diese Beschreibung ist auf der Internetseite Rheinhessen.de zum Kurpark Bad Münster am Stein zu finden.

In Jerusalem

Diie Collage mit einer Postkarte von Bad Kreuznach (links) hat Hans Oehler im Israel Museum in Jerusalem entdeckt.
Hans Oehler/Repro Gebhardt

Von Bad Kreuznach nach Jerusalem: Vor Kurzem wurde in der Kreuznacher Synagoge eine Dauerausstellung der jüdischen Gemeinde eröffnet. Sie zeigt 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland. Angesichts dessen erinnerte sich Hans Oehler an Begegnungen seiner Studienreise nach Israel 1998, wie er in einem Brief an Valeryan Ryvlin, Vorsitzender der jüdischen Gemeinde, schreibt. Neben dem Besuch der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem besuchte die Reisegruppe auch das Israel-Museum in Jerusalem unweit der Knesset. Im Saal für Moderne Kunst entdeckte Oehler dann eine Collage mit der Postkarte von Bad Kreuznach. „Darüber waren meine Frau und ich sehr gerührt und betroffen“, so Oehler weiter. Als er in dem Museum den Namen Bad Kreuznach hörte, schlug sein Herz höher. Eine Museumsführerin erklärte gerade einer Gruppe älterer Frauen ein Bild. Es war eine Gruppe von „Jäcken“. So wurden die deutschen Einwanderer in der Anfangszeit nach der Staatsgründung wegen ihres ordentlichen Erscheinungsbildes (die Männer trugen fast immer ein Jackett – daher der Name) genannt. Die Collage zeigt links eine zerschnittene Postkarte mir der Nahe im Vordergrund und dem berühmten Ellerbach-Türmchen, die „Peffermiehl“, mit Welscher Haube. Rechts ist eine Postkarte mit einer orientalischen Dorfstraße zu sehen – ebenfalls zerschnitten in Form eines L. Der Künstler Raffi Lavie gestaltete das Bild 1977 und betitelte es so: „Mixed Media on Playwood“, also „Verschiedene Medien auf einer Spielwand“. Die Collage drückt die Gefühle eines Emigranten und Immigranten aus. Die alte Heimat ist vergangen, die neue noch nicht gefunden. Das Alte ist beschädigt, das Neue noch nicht vollständig, so Oehler. „Tief bewegt verließ ich das weltberühmte Museum.“

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