Kolumne „Randnotizen“ vom Chef
Frei nach Julia Klöckner: Wie wollen Sie Ihre Kirche?
Marian Ristow ist Leiter des Redaktionsverbundes Nahe, zu dem der Oeffentliche Anzeiger und die Nahe-Zeitung gehören.
Marian Ristow

Bundestagspräsidentin Julia Klöckner hat mit ihrer in einem Interview getroffenen Aussage zur Rolle der Kirche eine Debatte entfacht und polarisiert. Hier kommt die Meinung des Redaktionsleiters.

Wie haben Sie Ihre Kirche gern? Also falls Sie noch eine haben. Bundestagspräsidentin Julia Klöckner hat mit ihrem Interview und ihren darin getroffenen Aussagen zur Rolle der Kirche ein wichtiges Thema angesprochen und eine gleichermaßen interessante wie wertvolle Debatte eröffnet – auch wenn mir der Zungenschlag darin nicht gefallen hat. Aber: Endlich geht es um Inhalte.

Warum genau Kirche in den Dunstkreis einer Nichtregierungsorganisation (kurz und neudeutsch: NGO), zu denen unter anderem Amnesty International, Greenpeace und Ärzte ohne Grenzen gehören, rückt, wenn sie sich inhaltlich mit einem Tempolimit beschäftigt, muss mir aber noch mal jemand erklären.

Die Evangelische Kirche hat 2022 beschlossen, um „dem Auftrag der Kirche für die Bewahrung der Schöpfung gerecht zu werden“, dass bei a llen Pkw-Fahrten im kirchlichen Kontext ein Tempolimit von 100 km/h auf Autobahnen und 80 km/h auf Landstraßen eingehalten werden soll – als Selbstverpflichtung, nicht als gültige Regel auf deutschen Straßen. Manche, wie ich, sagen: Leider! Und glauben Sie mir, mit meinen Blitzerfotos könnte ich die Galerie von Schloss Sanssouci problemlos füllen.

Das alles ist für mich kein Auswuchs einer übermäßigen Politisierung der Kirche, sondern ein Anzeichen dafür, dass die Hirnwindungen der Verantwortlichen korrekt durchblutet sind. Und man eben nicht im Jahr 1602 stehen geblieben ist. Kirche muss sich zu relevanten Fragen dieser Zeit äußern und positionieren. Dazu gehört der Klimawandel. Sie muss unbequem sein. Und darf Politik nicht widerspruchslos gewähren lassen. Und ich werde noch etwas schärfer: Wer sich davon bevormundet oder belehrt fühlt oder das als „wokes Gesinnungsgerede“ abtut, ist nicht im Jahr 2025 angekommen.

„Wenn Kirche schweigt, verliert sie die Menschen“, ist der Satz, der mir von Pfarrerin Lina Neeb im Gedächtnis geblieben ist. Und den unterschreibe ich. Nun hoffen wir mal, dass Bald-Kanzler Friedrich Merz seine berühmten 551 Fragen an die NGOs nicht bald an irgendeine Kirchentür anschlägt.

So, jetzt brauche ich einen Schluck Messwein. Ihnen ein schönes und hoffentlich nicht verregnetes Wochenende!

E-Mail: marian.ristow@ rhein-zeitung.net

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