Gut Ding will Weile haben: Nahe-Flutschutz wird am Donnerstag freigegeben - Die lange Vorgeschichte eines Riesenprojekts
Flutschutz und Ausdehnungsraum: 10,6 Millionen in Hochstetten-Dhauner Polder
Im Mai 2020 besuchte die damalige Umweltministerin Ulrike Höfken die Hochstetten-Dhauner Polderbaustelle (von links): Bürgermeister Thomas Jung, Landrätin Bettina Dickes, SG-Präsident Dr. Ulrich Kleemann, Ulrike Höfken, Ortsbürgermeister Hans Helmut Döbell, Projektleiter Christian Ehses. Foto: Armin Seibert
Armin Seibert

Gut Ding will Weile haben, weiß der Volksmund. Und: Alle guten Dinge sind drei. Der Nahe-Polder, der am Donnerstag von Landesumweltministerin Katrin Eder (Grüne) freigegeben wird, ist Nummer zwei in der Liste der drei Dauerbaustellen.

Die Erste: die B 41 mit fast 60-jährigem Vorlauf. Die Zweite: Gut halb so lang, über 30 Jahre, dauerte es bis zum Polder. Und an dritter Stelle (15 Jahre) folgte der auf Hochtouren laufende Bahnhofs-Ausbau mit Park&Ride-Platz.

1988: Ansiedlung der Simona

Zum Polder: Es hat seinen Ursprung in der Ansiedlung der Simona 1988 in der Sulzbacher Wässerung. Dort baute das Kirner Vorzeigeunternehmen sein Hauptlager. Kirn blieb das Herz des weltweit expandierenden Unternehmens. Wirtschaftlich ein Segen. Schon damals dachte man an Retentionsraum, denn die Wässerung (70.000 Kubikmeter) war ja jetzt asphaltiert und zugebaut.

15 Jahre nach dem Neubau gab es Pläne für den Hochstetter Polder unterhalb von Kirn, denn auch Hochstetten-Dhaun ist Unterlieger. Die Stadt Kirn wurde damals zur Mitfinanzierung verpflichtet – mit einem fünfstelligen DM-Betrag. Dann schwappten die beiden Jahrhunderthochwasser 1993 und 1995 durchs Nahetal, und viele Kirner waren der Meinung, die zugebaute Wässerung hätte mindestens einige Zentimeter zur Kirner Rekord-Pegelhöhe beigetragen. Immerhin wurde Kirn sehr schnell hochwassersicher eingedeicht.

Die Planung für Hochstetten-Dhaun ging weiter. 2006 lagen erste Pläne vor, es dauert aber bis 2015 und einige Bürgerversammlungen, bis 2015 der Planfeststellungsbeschluss vorlag. Hoffnung damals: Vielleicht ist der Polder vor der Nachbarbaustelle B 41 fertig. Doch es tat sich erst einmal nichts, denn die Polder-Kosten explodierten. Vor genau neun Jahren hieß es in einer Bürgerversammlung: Man hoffe auf eine „sensationell preiswerte“ Lösung: 1,7 Millionen Euro Aufwand (nach Abzug der Kirner Rücklagen) und VG-Anteil von 170.000 Euro waren kalkuliert.

Dann stiegen die Kosten...

Dann stiegen mit der Hochwassergefahr (siehe Fischbach 2018 und Ahrtal 2020) die Kosten. In einer Sondersitzung der VG Kirn-Land wurde 2018 die vervierfachte Eigenbeteiligung der Kommune abgenickt. Sie beträgt nun 650.000 Euro und damit 10 Prozent der anrechnungsfähigen Kosten. Insgesamt beziffern SGD Nord und Umweltministerium sie auf satte 10,6 Millionen Euro. Zwischenzeitlich war sogar von 13 Millionen Euro die Rede, unter anderem hatte die Verwendung heimischen Rasensaatguts für die Deiche (Mehrkosten: 200.000 Euro) die Gemüter erzürnt.

Enorme Einsparungen hatte es auch durch die baustellennahe Verwendung von Erdaushub gegeben. So wie in der Ursprungsplanung angedacht: rechts der Nahe ausbaggern, links der Nahe in der B-41-Baustelle einbauen. Weil das zwei Baufirmen seien, ginge das nicht. Geplant war auch, Baumassen über eine Furtbrücke durch die Nahe abzufahren. Dafür waren Untersuchungen auf Weltkriegs-Blindgänger nötig. Es wurde aber ein Umweg auf der linken Naheseite mit B-41-Anschluss gefunden. Einige 100 Kubikmeter wurden gleich vor Ort genutzt: für einen Skaterplatz am Sportheim.

Neue Deiche sofort belastbar

Nach kleinen Winter-Hochwassern erwiesen sich die neuen Deiche als belastbar. Mit dem Polder erfolgten zwei Bachverlegungen: Der Wiesbach bei Hochstädten wurde aus seiner Verrohrung befreit und fließt über den neuen Damm. Und die Mündung des Dhauner Bachs wurde flussaufwärts verlegt, weil bei Hochwasser sein Rückstau das Industriegebiet bedrohte (und in den Jahren 1993 und 1995) auch in Mitleidenschaft zog.

„Der Nahedamm war damals nicht überschwemmt“, weiß Ortsbürgermeister Hans Helmut Döbell im Rückblick, doch die Straßenbrücke nach Hochstädten war unpassierbar. Eine hochschwangere Frau musste per Schlauchboot zur Entbindung gebracht werden. Das Bürgerhaus Horbach (wo die Deicheröffnung gefeiert wird) und die alte Schule standen unter Wasser.

Hochstetten-Dhaun: Hotspot künftiger Investitionen mit Bahnhof, Brücken, Kita, Solarfeld

Jetzt wird erst einmal gefeiert. Landesumweltministerin Katrin Eder, SGD-Nord-Präsident Wolfgang Treis' Team und die Baufirma loben das Projekt. Arbeiten dauerten von April 2020 bis Herbst 2022. Zu den Hintergründen erklären die Bauherren, die in den 30er-Jahren vom damaligen Reichsarbeitsdienst errichteten Naheteiche hätten saniert werden müssen. So wurden 820 Meter Deich am Gewerbegebiet und 200 Meter am anderen Ufer in Hochstädten ertüchtigt. Um der Nahe mehr Platz zu geben (5,25 Hektar) wurde auf einem 400 Meter langen Abschnitt zwischen Sportplatz und Dorf der Deich abgebaut und die offenen Flanken durch Riegeldeiche geschützt. Das Gebiet soll auch Naherholung und Naturerlebnis dienen, wird betont.

Und d a s wird jetzt außerdem noch in Hochstetten-Dhaun gebaut: Drei Brücken warten auf Sanierung, der Bahnhof mit Park&Ride ist Großbaustelle, das Millionenprojekt Kindertagesstätte wartet, ein Solarfeld ist geplant und die Dorferneuerung samt B-41-Rückbau ebenfalls. Also sind noch einige Millionen Euro fällig. Da gibt es noch Schloss Dhaun (nach 800 Jahren aus dem Dornröschenschlaf erweckt) und den Skywalk, bei dem es sehr schnell ging. Beachtlich, was da mit teils überregionaler Bedeutung im Westen des Kreises passiert. Dazu gehört auch das landesweit preisgekrönte Millionen-Wohnprojekt „Mehr Mitte bitte“ in der alten Schule. All das dürfte doch mal reichen oder kommt noch mehr? Womöglich tut sich auch beim viel diskutierten „Rutschhang“ im alten Hochstettener Steinbruch (Wertstoffhof) noch mal was. Warten wir es ab.

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