Bad Kreuznacher Neubaugebiet
Flutgraben „In den Weingärten“ soll verrohrt werden
Hermann Holste (links), Jule Schwartz und Günther Frase fordern eim Umdenken, was den Flutgraben "In den Weingärten" angeht.
Harald Gebhardt

Der Flutgraben im Bad Kreuznacher Neubaugebiet „In den Weingärten“ soll „verrohrt“ werden. Dach an den Plänen gibt es Kritik. Klimapolitisch eine falsche Entscheidung, sagen die Kritiker.

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Spätestens seit Beginn des Bauabschnittes II im Bad Kreuznacher Neubaugebiet „In den Weingärten“ am südöstlichen Stadtrand vor etwa acht Jahren gibt es Probleme und Streit um die dortige Oberflächentwässerung. Dabei wird aktuell wohl ein neues Kapital aufgeschlagen: Der mehrere Hundert Meter lange Flutgraben, der sich als Grünstreifen am südlichen Rand des ersten Bauabschnitts unterhalb der Dürerstraße durch das Gebiet zieht und schließlich zu einem Regenauffangbecken führt, soll verschwinden. Eine Anfrage von Stadtrat Hermann Holste (Grüne) beantwortet Bürgermeister Thomas Blechschmidt jüngst in der Sitzung des Ausschusses für Stadtplanung, Bauwesen, Umwelt und Verkehr, kurz PLUV, damit, dass der Graben „verrohrt werden muss“. Eine weitere Begründung dazu gab er nicht, kündigte nur an, dass Rainer Gerlach, der Amtsleiter und technische Leiter der Abwasserbeseitigungseinrichtung, in der ersten Sitzung des neu gegründeten Werksausschusses die Pläne dafür vorstellen werde. Terminiert ist die Premierensitzung auf den 27. August.

Über mehre 100 Meter zieht sich der Flutgraben durch das Neubaugebiet.
Hermann Holste

Die geplanten größeren Umbaumaßnahmen am Flutgraben stoßen auf Kritik. Anwohner und Mitglieder der AG Hitze lehnen eine Verrohrung ab. Unterstützt werden sie dabei von den Kreuznacher Grünen. Für sie heißt es vielmehr: Rettet den Flutgraben! Denn nach ihrer Einschätzung hat er sich zu einem sehr wertvollen Biotop für die Flora und Fauna in dem Wohnquartier entwickelt. Zudem trage er zur Wasserverdunstung in den Sommermonaten und zur deutlichen Kühlung der Siedlung bei. Deshalb sei der Erhalt des Flutgrabens von besonderer Bedeutung. Denn das Neubaugebiet ist in weiten Bereichen nicht nur dicht bebaut, sondern auch stark versiegelt.

„Das stille Sterben der Natur darf nicht fortgesetzt werden!“
Anwohner Günther Frase

So schreibt Anwohner Günther Frase, wie er erfahren habe, soll dieses Biotop (Wassergraben mit Schichtwassersammlung) in ein geschlossenes System (Röhre) umgebaut werden. Der Stadt wäre der Pflegeaufwand des Grabens zu groß. „Wenn dieses nützliche und dringend notwendige Biotop in unserer Siedlung, die überwiegend aus Beton, Schottergärten, Kunstrasen und Plastikzäunen besteht, auch noch vernichtet wird, verlieren wir ein weiteres großes Stück Naturqualität in Bad Kreuznach.“ Im Umfeld des Flutgrabens hätten sich mittlerweile zudem Frösche, Schwalben, Fledermäuse, Prachtlibellen und vieles mehr angesiedelt, der Graben diene vielen Insekten als Wassertränke. „Das stille Sterben der Natur darf nicht fortgesetzt werden!“

Im Flutgraben sammelt sich Oberflächenwasser, das langsam versickert oder verdunstet.
Harald Gebhardt

Er hoffe sehr, dass bessere Lösungen als ein Rohrsystem umgesetzt werden können. Der offene Graben sei nach seiner Einschätzung unbedingt erhaltenswert, da er auch klimatische Vorteile für das Quartier bringe. Aus Sicht von Holste und Jule Schwartz von der Stiftung Lebensraum (Hengstbacherhof) ist der Graben erweiterungs- und ausbaufähig. Er lasse sich optimieren, etwa durch eine höhere Böschung oder die Schaffung weiterer, kleinerer Retentionsflächen, damit das Wasser gut versickern und verdunsten kann, nennt Schwartz Beispiele. Auch die zu engen Durchläufe könnten vergrößert werden. „Entscheidend ist, dass das Wasser nicht einfach abfließt, sondern versickert.“

Das Regenauffangbecken nördlich der Dürerstraße
Harald Gebhardt

Frase hält zudem fest, dass bei Starkregenereignissen oder Sturzfluten die Kapazität des Regenwasserauffangbeckens nördlich der Weingärten an der Dürerstraße laut der Dr. Pecher AG bei Weitem nicht ausreicht. Deren Diplom-Ingenieur Heinrich Webler hatte im Oktober 2023 im PLUV klar gemacht, dass vom Hang- und Oberflächenwasser ganz Bad Kreuznach rundherum betroffen, die Bebauung durch Hangwasser bedroht sei. Gefährdet sei zum Beispiel die Kita Hermann-Rohloff in der Dürerstraße. Diese Problematik müsse künftig in der Bauleitplanung berücksichtigt werden, forderte er und riet, im Umfeld der Stadt Regenrückhaltebecken anzuliegen und bestehende zu vergrößern oder Äcker zu renaturieren, um das Außengebietswasser aufzunehmen. „Denn wir werden in Zukunft infolge des Klimawandels mit noch mehr Wasser rechnen müssen“, so Webler.

Holste: Auch eine Aufgabe der Stadtplanung

Für Frase wäre eigentlich eine Verdoppelung des Regenwasserauffangvolumens notwendig. Auch vor diesem Hintergrund mache es keinen Sinn, den Graben in eine Röhre mit 50 Zentimeter Durchmesser zu pressen. Holste sieht das Ganze auch wieder einmal als ein Beispiel dafür, dass die Zusammenarbeit in der Stadtverwaltung nicht richtig funktioniere. Dies sei nicht nur eine Frage der Entwässerung und der Abwasserbeseitigungseinrichtung, sondern auch der Stadtplanung – gerade im Hinblick auf den Schutz vor Starkregenereignissen und der Klimaanpassung. So ist die Kurstadt auch dieses Jahr beim Hitzecheck der Deutschen Umwelthilfe wieder durchgefallen. „Die Räder der Verwaltung laufen aneinander vorbei, statt dass sie ineinandergreifen“, kritisiert er.

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