Nicht mal dem schlechtesten Fastnachter der Region würde man es wünschen, dass er nach seinem Auftritt so wenig Applaus bekommt, wie US-Vizepräsident JD Vance nach seiner Rede auf der Weltsicherheitskonferenz am Freitagnachmittag. Der Mann aus Middletown in Ohio moniert live vor einem der größten Foren der Welt, der Weltsicherheitskonferenz, dass es nicht erlaubt sei, „abweichende Meinungen“ frei zu äußern. Vor einem Millionenpublikum. Der demokratisch legitimierte Vizepräsident der USA, der selbst ernannten westlichen Leitkultur, sieht sich – gemessen an seiner Rede – als Vertreter einer kleinen Minderheit, die sich vom „Mainstream“ erdrückt sieht. Finde den Fehler. 2025 ist schon ein wirklich ganz besonderes Jahr.
Währenddessen findet in Bad Kreuznach die Straßenfastnacht im Zeichen des Klingebeutels statt. Ohne die großzügigen Spenden von ansässigen Unternehmen würde die Kreiznacher Narrefahrt glatt ins Wasser fallen. Fastnacht auf Spendenbasis – auch das gehört zur Realität 2025. Nun könnte man fragen: Ist das der Unterfinanzierung der Kommunen geschuldet oder einfach einer Fehlplanung der Verantwortlichen? Ich bin nun wahrlich kein Fastnachtsexperte, aber durch Recherchen habe ich herausgefunden, dass Fastnacht jedes Jahr um dieselbe Zeit stattfindet. Dass man nun finanzielle Mittel benötigt, um die Straßenfastnacht zu stemmen, sollte jetzt keine Überraschung gewesen sein – oder? Eine erlaubte Frage muss aber auch lauten: Könnte man, zumindest mit den Geldspenden, nicht auch Sinnvolleres tun?
Nun bricht sie also an, die letzte Woche des Wahlkampfs. Die richtig heiße Phase beginnt, und man kann sich ausrechnen, dass sich der Ton nochmals verschärfen wird. Was man sich aber tunlichst sparen sollte, sind die merkwürdigen, in der Sache nicht weiterführenden Vergleichswettbewerbe, die unsere Politiker landauf landab rhetorisch abhalten. Kein Missstand dieser Welt wird besser, wenn man einen anderen anführt, der noch viel, viel schlimmer ist. Und keine Demo gegen Friedrich Merz wird inhaltlich besser oder schlechter, wenn man danach fragt, ob es denn auch eine Demo gegen „Messergewalt“ gegeben habe. Das Verquicken von Dingen, die inhaltlich nur wenig miteinander zu tun haben, ist im komplizierten Februar 2025 Alltag im politischen Diskurs. Diese Diskussionsstrategie nennt sich neudeutsch „ Whataboutism“ und bringt in der Sache nichts vorwärts. Aber: Bringt am 23. Februar sicherlich viele Wählerstimmen. Denn einfach schluckt sich besser als komplex. Hoffentlich gibt’s danach keinen Schluckauf.
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