Monzingen. Positive Beispiele für gelungene Integration herausstellen ohne die Probleme unter den Teppich zu kehren – diesen Spagat schaffte die Diskussionsrunde im evangelischen Gemeindehaus. Unter der Überschrift „Was leistet Sport in der Integrationsdebatte?“ folgten rund 30 Bürger der Einladung von Landtagsabgeordneter Bettina Dickes (CDU). Protagonisten des Abends waren Klaus Hafner, Stadionsprecher von Mainz 05, FCK-Fanbeirat Rüdiger Petersen aus Monzingen, Ali Yasar, Trainer des FC Phönix Bad Sobernheim, A-Jugendkicker Geworg Dadjan (TuS Waldböckelheim) und Sportwissenschaftler Dr. Ohle Wrogemann.
Petersen eröffnete den Abend mit einer These, sie noch mehrfach bestätigt werden sollte: „Als FCK-Fan ist es für alle einfacher zusammenzustehen als in Sportvereinen.“ Doch müsse man beleibe keine ausländischen Wurzeln haben, um sich als Ausländer zu fühlen, gab Petersen zu. Nachdem er in Monzingen gebaut hatte, habe er sich als Fremder gefühlt. Das besserte sich erst, nachdem er mit Fußballspielen anfing.
Yasar stellte das Konzept der bunt gemischten „Mannschaft der Versager“, wie das Team oft genannt wurde, vor. Er betonte, dass bei Phönix die Integrationsbestrebungen Vorrang vor dem sportlichen Erfolg habe.
Dickes bedauerte, dass so wenig moslemische Mädchen Sport treiben. Da gebe es Nachholbedarf. Wrogemann wies darauf hin, dass in Kürze eine Ratgeberbroschüre für Vereine zum Thema Umgang mit moslemischen Mädchen erscheine. Parallel plane die Landesregierung, 15 Sportvereine zu fördern, die moslemische Mädchen anwerben. Jugendhilfe und eine Migrantenorganisation stellen für dieses Projekt Mitarbeiter zur Verfügung.
Laut Wrogemann seien es vor allem traditionsbehaftete Eltern, die verhinderten, dass ihre Töchter Sport trieben – und sei es nur aus Angst, das Jungfernhäutchen könne bei ungeschickten Bewegungen reißen. Aufklärung tue hier Not.
Der redegewandte Hafner berichtete von den Integrationsbemühungen seines Klubs. er beschrieb die Aktion „05er-Klassenzimmer“ oder die ehemalige Aufkleberaktion „Mein Freund ist Ausländer“. Zudem stritten FCK und Mainz unisono gegen die Bestrebungen von Rechtsradikalen, via Fußballaktivitäten ihr Gedankengut fortzupflanzen.
Dickes bemerkte, dass bislang fast alle Diskussionsteilnehmer nur von Positivbeispielen berichteten und eröffnete eine zweite Runde mit der Frage: „Wo liegen denn die Baustellen?“ Hier gab der Waldböckelheimer Geworg Dadjan einen ungeschönten Einblick in die Realität: „Manche wollen sich nicht integrieren. Andere dürfen es nicht von ihren Eltern aus“ und würden angehalten, sich nur mit Leuten ihrer Nationalität oder Religion abzugeben. Selbst an „seiner“ Realschule plus in Bad Sobernheim sei das teilweise der Fall.
Und dann – erst nach rund 50 Minuten – fiel zum ersten und zum letzten Mal an diesem Abend der Name Thilo Sarrazin, der mit seinem Buch „Deutschland schafft sich ab“ den Startschuss zur Integrationsdebatte gab. Dickes bezog eindeutig Stellung: „Ich fand’s peinlich von der Bundeskanzlerin, den Inhalt öffentlich zu verurteilen und sich dann aber zu weigern, das Buch überhaupt zu lesen.“ Yasar will den Wirbel um das Buch nicht wirklich verstehen: „Die Generation nach uns hat doch viel weniger Probleme, sich zu integrieren als wir Gastarbeiterkinder sie hatten.“ Ein Kommen und Gehen habe schon immer geherrscht. Dickes brachte es gegen Ende auf den Punkt: „Der Sport kann bei der Integration sehr gut helfen – aber wir müssen noch viel tun.“