Kreuznacherinnen angeklagt
Eskalation auf dem Bosenberg Calling und dem Jahrmarkt
Zwei junge Frauen aus Bad Kreuznach mussten sich vor dem Amtsgericht verantworten, weil sie auf zwei Volksfesten mit einer Gruppe aneinandergerieten.
Archiv Christine Jäckel

Trotz fehlender Verurteilung sorgte ein Prozess vor dem Amtsgericht Bad Kreuznach für Aufmerksamkeit: Zwei Frauen waren wegen Körperverletzung, Verfolgung und Provokation angeklagt – der Hergang blieb unklar, beide Seiten hatten Verletzungen.

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Keine Verurteilung – und ein Prozess, der viele Fragen offenließ. Zwei junge Frauen mussten sich vor dem Amtsgericht Bad Kreuznach verantworten, weil sie auf dem Bad Kreuznacher Weinfest Bosenberg Calling mit einer Gruppe aneinandergerieten, die sie später auch auf dem Kreuznacher Jahrmarkt verfolgt und provoziert haben sollen. Auch wenn das Verfahren mit einer Geldauflage und letztlich eingestellt wurde, blieb unklar, was sich tatsächlich ereignet hatte.

War Rassismus Ursache des Streits?

Staatsanwalt Wolfgang Jung warf einer der beiden Frauen vor, im Mai 2024 auf dem Bosenberg einen Mann getreten und dessen Ehefrau geschlagen zu haben. Die beiden Angeklagten behaupteten, dass Rassismus zu dieser heftigen Auseinandersetzung geführt habe und die Gegenseite zuerst geschlagen habe. Eine fünfköpfige Freundesgruppe, die den beiden angeklagten Frauen damals noch unbekannt war, habe Naziparolen gegrölt. Die wegen Körperverletzung beschuldigte Kauffrau sagte aus, sie selbst sei zuerst von zwei fremden Männern aus der fünfköpfigen Clique geschlagen worden, nachdem sie diese wegen gesungener rassistischer Aussagen kritisiert habe. Kurz darauf, so ihre Aussage, sei sie selbst attackiert worden. „Man riss meine Extensions raus und zerriss meine Tasche. Ich habe mich nur gewehrt.“ Zudem kritisierte sie das Verhalten der Polizei. Die Beamten hätten weder ihre Verletzungen korrekt dokumentiert noch ihre Aussagen ernst genommen.

„Verschwendet nicht unsere Zeit“, hätten die Polizeibeamten sie abgefertigt. Von der Fünfergruppe, mit der die zwei angeklagten Frauen auf dem Bosenberg die Streitigkeiten hatten, sagte nur ein Ehepaar als Zeugen vor dem Amtsgericht aus. Der 33-jährige Pharmakant und seine Ehefrau berichteten, sie seien angegriffen worden – nicht umgekehrt. „Eine Angeklagte ist andauernd hingefallen, wir haben uns darüber amüsiert und meine Frau hat ihr aufgeholfen. Plötzlich wurde meiner Frau mit dem Handballen auf die Nase gehauen“, so der 33-Jährige. Um Eskalationen zu vermeiden, sei das Paar mit den Freunden ins Auto eingestiegen. Aus dem Nichts habe die Angeklagte die Autotür aufgerissen und dem Pharmakanten ins Gesicht getreten. Anschließend sollen die beiden Frauen den Mann sexistisch und als „deutschen Nazi“ beleidigt haben. „Ich bin aus Polen und meine Frau ist Amerikanerin. Als die Polizei da war, wurde ich immer noch beleidigt.“

Auf dem Jahrmarkt erneut aneinandergeraten

Seine Frau habe später Blutergüsse am Bein gehabt. Staatsanwalt Jung fragte den Pharmakanten, ob jemand aus der Gruppe das ‚Sylt-Lied‘, ein rassistisches Lied, abgespielt oder gesungen habe. Der Mann verneinte: „Das passt nicht zu uns.“ Auch seine Frau sagte: „Ich verstehe nicht, wie es zu diesem Vorwurf [deutscher Nazi] kam.“ Beide Parteien hatten Abschürfungen und blaue Flecken – doch wie sie entstanden, ließ sich im Prozess nicht mehr eindeutig klären. Mit denselben Beteiligten kam es laut Aussage der beiden Zeugen im August auf dem Kreuznacher Jahrmarkt erneut zu einer Begegnung. In diesem Fall wurden beide Frauen wegen Provokation und Verfolgung beschuldigt. Die beiden Damen sollen das Ehepaar und dessen Freunde gezielt verfolgt und den Mann erneut beleidigt haben. Zu körperlichen Auseinandersetzungen kam es bei dieser Gelegenheit nicht. Die beiden Frauen wollen auf dem Jahrmarkt die andere Gruppe zunächst nicht gesehen haben.

Erst als die Polizei sie beim Gang zur Toilette darüber informierte, dass die Fünfer-Truppe Anzeige gegen sie erstattet habe, hätten sie die anderen bemerkt. Eine der beiden Angeklagten mutmaßte, die Clique wolle sich für den Bosenberg-Vorfall rächen und „Geld sehen“. Verteidiger Thomas Scheffler sprach bei seiner Mandantin von einer posttraumatischen Belastungsstörung infolge häuslicher Gewalt, die durch die Situation auf dem Bosenberg reaktiviert worden sei. Deshalb sei sie körperlich aktiv geworden. Michael Maué, Verteidiger der zweiten Frau, betonte, seine Mandantin habe keine große Rolle bei den Zusammentreffen gespielt. Beide Anwälte forderten eine differenzierte Bewertung, weil die objektive Beweislage dünn und der Ablauf des Abends umstritten sei.

Sachverhalt nicht aufklärbar

Ihre Mandantinnen hätten ebenfalls Verletzungen erlitten, unterstrichen die Verteidiger. Richter Spanjol stellte das Verfahren gegen die wegen Körperverletzung angeklagte Frau nach § 153a StPO ein. Die Kauffrau muss 1600 Euro an eine gemeinnützige Organisation zahlen. Eine Verurteilung gibt es nicht – sie gilt weiterhin als nicht vorbestraft. Das Gericht bewertete die Gesamtlage als nicht schwerwiegend genug für eine Verurteilung, angesichts der wechselseitigen Vorwürfe, fehlender Beweise und gegenseitiger Verletzungen aber auch nicht als völlig bedeutungslos. Das Verfahren gegen die zweite Angeklagte wurde ohne Auflagen eingestellt. Staatsanwalt Jung gab den Angeklagten abschließend den Rat, sich in Zukunft zu zügeln und dem Alkohol ein bisschen weniger zuzusprechen.“

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