Bad Kreuznach
Es ist Nacht und keiner geht ran: Wenn der Notdienstruf ins Leere geht

Die Schaufensterscheibe ist einstiegsgroß zerstört. Deshalb musste sie gesichert werden. Doch von den etablierten Notdiensten war nachts keiner erreichbar. Foto: Gustl Stumpf

Bad Kreuznach. Notdienste sind segensreiche Einrichtungen. Sie versprechen Unterstützung in Situationen, in denen dringend Hilfe benötigt wird. Auch und gerade zu nachtschlafender Zeit. Rettungsdienste, Mediziner und Apotheker fallen einem da spontan ein. Doch sie sind nicht die einzigen - wie unser Redaktionsleiter Gustl Stumpf erfahren musste.

Von unserem Redaktionsleiter Gustl Stumpf

Die Schaufensterscheibe ist einstiegsgroß zerstört. Deshalb musste sie gesichert werden. Doch von den etablierten Notdiensten war nachts keiner erreichbar. Foto: Gustl Stumpf

Auch Handwerker werden gebraucht, etwa, um eine verschlossene Tür zu öffnen oder eine zerstörte Schaufensterscheibe zu reparieren. In der Nacht von Freitag auf Samstag war genau das der Auslöser für einen Notdienstleistung in der Bad Kreuznacher Römerstraße, die voll ins Leere ging. Der Reihe nach.

Es ist nach Mitternacht, kurz vor eins, als die Polizei anruft. Ein Auto sei gegen das Schaufenster der Geschäftsstelle unserer Zeitung gefahren, der Fahrer unerkannt geflüchtet. Die Scheibe ist großflächig zerstört, lädt quasi zum Einstieg ein. Klarer Fall für den Notdienst.

„Wir kümmern uns zeitnah“ und „Unser Notdienst ist rund um die Uhr erreichbar“

Doch erst mal zum Ort des Geschehens. Dort eingetroffen, verabschiedet sich die Polizeistreife. Nachdem der erste Schreck überwunden ist, versuchen wir es bei der Kreuznacher Glaserei Förster. Sie wirbt auf ihrer Internetseite mit dem Anspruch: „24 Stunden Glas-Notdienst. Wir kümmern uns zeitnah.“ Wir rufen an. Mehrmals. Festnetz, Notfallhandy. Vergeblich.

Die Suche geht weiter. Wir stoßen auf die Schreinerei Müller, Bad Kreuznach. „Unser Notdienst ist rund um die Uhr, also auch an Wochenenden, Feiertagen und nachts für Sie erreichbar“, lesen wir. Und werden erneut enttäuscht.

Mittlerweile ist es schon nach 2 Uhr früh. Kein Vergnügen, allein in der Römerstraße zu stehen und die Geschäftsstelle zu bewachen, zumal immer wieder nicht gerade Vertrauen erweckende Zeitgenossen lautstark vorüberziehen, den Schaden registrieren und zweideutige Bemerkungen machen.

Feuerwehr oder wenigstens Security? Fehlanzeige!

Nächster Versuch: die Feuerwehr. Die wenigstens muss doch helfen können. Hoffnung keimt. Doch dann meldet sich wieder die Polizei. Von der Feuerwehr kontaktiert. Sie verfüge nicht über notwendige Spanplatten, sagt die diensthabende Beamtin. Gibt es wenigstens einen Securitydienst?, fragen wir, werden aber nur an die Schreinerei Müller verwiesen, wo immer noch keiner ans Handy geht.

Ein Bekannter, Handwerker mit Leib und Seele, das aber auf ganz anderem Gebiet, hilft uns schließlich zu später Stunde aus der Patsche. Gegen 3 Uhr steht er auf der Matte. Mit zwei Holzplatten verschließt er die Öffnung einbruchssicher und reinigt die Unfallstelle vom zerbrochenen Glas.

Nothelfer: Gut, wenn man Freunde mit handwerklichen Fähigkeiten hat...

Gustl Stumpf

Es geht auf halb 5, bis wir fertig sind. Geschafft und trotzdem enttäuscht. Was sind das für Geschäftsgebaren?, fragen wir uns. Und: Ist das die Regel oder war es Zufall, dass gleich zwei etablierte Betriebe derart lasch mit ihren Versprechungen umgehen?

Handwerkerschaft: „Wer mit Notdienst wirbt, muss erreichbar sein.“

„Wer mit Notdienst wirbt, muss erreichbar sein. Die Kunden müssen sich gut aufgehoben fühlen“, erklärt Gerhard Schlau, Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Rhein-Nahe-Hunsrück. Schlau bedauert den Vorfall und bezieht klar Stellung: „Das ist nicht im Sinne des Handwerks.“

Ein anderer leistet Abbitte. „Den Schuh ziehe ich mir an, ich entschuldige mich“, sagt Andreas Förster, Chef der Glaserei Förster, auf Anfrage. Wegen einer Erkrankung habe er sich in dieser Nacht in ein anderes Zimmer begeben und das Handy nicht gehört. Kurios findet aber auch er, dass gleich beide potenziellen Ansprechpartner in Sachen Notdienst, also auch die Firma Müller, nicht erreichbar waren. „Das ist noch nie passiert.“

Kurios auch, dass Jürgen Müller, Chef der Schreinerei, ebenfalls wegen Krankheit nicht ans Telefon konnte. „Wir sind normalerweise immer erreichbar, machen zu dritt Notdienst und waren ausnahmsweise nicht erreichbar. Tut mir leid“, antwortet er auf unsere Anfrage. Übrigens: Bei der Schreinerei Huy in Bosenheim hatte sich nachts Inhaber Alexander Wein gemeldet. Er habe keinen Notdienst und könne gegen 8 Uhr weiterhelfen.

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