Stadtverwaltung Mainz wechselt in ihr Ausweichquartier
Es geht ein Rathaus auf Reisen: Stadtverwaltung Mainz wechselt in ihr Ausweichquartier
Stadthaus statt Rathaus: Die Mainzer Stadtverwaltung zieht in die Große Bleiche, weil das bisherige Domizil grundsaniert werden muss. Foto: G. Kirschstein
Gisela Kirschstein

Mainz. „Das sind die neuen Flying Desks“, scherzt Michael Ebling (SPD), eben kommt ein Tisch an dem Mainzer Oberbürgermeister vorbei, kopfunter, die Beine in der Luft. Ort des Geschehens ist ein noch dunkler Büroflur an der Großen Bleiche im Herzen der Stadt. Überall wuseln Umzugshelfer und Handwerker herum, Techniker schließen Computer an. Es ist ein wahres Herkulesprojekt: Das Mainzer Rathaus zieht um.

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Seit dem Wochenende ziehen 360 Mitarbeiter und rund 7250 Umzugskartons aus dem Arne-Jacobsen-Bau am Rhein aus. Die neue Bleibe: Das Stadthaus an der Großen Bleiche; am Montag nahm die Stadtverwaltung in dem Domizil die Arbeit auf. „Ein Rathaus ist das nicht“, betonte Ebling mitten im Umzug am Samstag, dafür fehle der Sitz des Rates am neuen Ort.

Ende 2018 kaufte die Stadt Mainz das leer stehende Bürogebäude der Westdeutschen Immobilienbank an der Großen Bleiche für rund 30 Millionen Euro. 7,6 Millionen Euro gebe das Land Rheinland-Pfalz hinzu, sagte Ebling und freute sich: Das neue Bürogebäude sei „in hohem Maße funktional“, Raumzuschnitte und Technik modern und auf Büronutzung zugeschnitten, auch könne man die Fenster mal öffnen. „Das Gebäude ist in einem Topzustand“, schwärmte Ebling.

Vom eigentlichen Mainzer Rathaus kann das nicht gesagt werden: Der Bau des dänischen Architekten Arne Jacobsen aus dem Jahr 1974 ist stark sanierungsbedürftig. Wasser im Keller, Schimmel und Schadstoffe in den Wänden, ein undichtes Dach, die Steine drohen von der Fassade zu fallen – die Mängelliste ist lang. Inzwischen gebe es auch noch ein Problem mit den Gittern an der Rathausfassade, sagte Ebling: „Die Gitter wackeln, wir können nicht ausschließen, dass wir sie vorab abmontieren müssen“, sagte der Stadtchef. Und so kommt es nun auch. Bei starkem Wind sei die Gefahr zu groß, dass die Gitter aus der Verankerung rutschten.

Im Februar 2018 beschloss der Stadtrat die Sanierung des denkmalgeschützten Arne-Jacobsen-Baus. 75 Millionen Euro stellte der Stadtrat dafür bisher bereit – ob das reicht, daran gibt es Zweifel: Die CDU-Opposition sieht die Kosten bereits bei 100 Millionen Euro und argwöhnt, 150 Millionen Euro seien realistisch.

Wie genau das alte Rathaus am Rheinufer umgebaut wird, steht auch noch nicht fest: Die Inhalte des Bauantrags würden derzeit abgestimmt, mit dem Denkmalschutz gebe es noch Redebedarf, sagte Ebling. Er gehe aber davon aus, „dass wir im ersten Quartal 2020 den Bauantrag stellen“.

Bis dahin werde das Rathaus erst einmal leer stehen. „Ab dem neuen Jahr geben wir das Gebäude auf“, sagte Ebling: „Wir sind darüber froh, das Gebäude ist unendlich teuer im Unterhalt.“ Im ersten Schritt würden alle denkmalgeschützten Elemente im Rathaus, die mit dem Konzept Jacobsens in Verbindung stünden, abmontiert – so etwa auch Lampen und Türzargen. Das Mobiliar werde ebenso eingelagert wie der Ratsaal selbst. Einzelne Möbelstücke wie Tische und Stühle schafften aber auch den Sprung in die neue Behausung: Rund 11.000 Quadratmeter Nutzfläche stehen in dem neuen Stadthaus an der Großen Bleiche zur Verfügung, ein Teil der modernen Büromöbel wurde übernommen. 13 Firmen sind im Einsatz, von der Schreinerei bis zur Technikabteilung, um den Umzug zu stemmen.

In zwei Etappen wechseln mit Hilfe zweier Umzugsunternehmen 7250 Kartons, dazu zahlreiche Tische, Stühle und Computer die Arbeitsheimat. Weil das neue Domizil etwa 2000 Quadratmeter weniger Platz bietet als das Rathaus, ziehen Teile der Verwaltung auch ins Fort Malakoff. E-Mail-Adressen und Telefonnummern ändern sich aber nicht, versichert die Stadt.

Etwas unter 130.000 Euro koste der Umzug insgesamt. „Wir freuen uns jetzt, alles hat gut geklappt“, sagte Ebling. Doch bei aller Freude über das neue Bürogebäude, einer ist heimatlos geworden: Der Ratsaal der Stadt hat in dem neuen Gebäude keinen Platz, der Stadtrat wird deshalb im Interimsplenarsaal des Landes Rheinland-Pfalz tagen – direkt gegenüber, im Landesmuseum auf der anderen Straßenseite. „Ein zentraler Ort für Sitzungen und politische Diskussionen, das wird dieses Haus nicht bieten können“, betonte Ebling: „Ein Rathaus, der gebaute Bürgerstolz, das ist es eben nicht.“

Von Gisela Kirschstein

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