Verbandsgemeinderat beschließt Gründung einer Anstalt des öffentlichen Rechts zur Vermarktung von Windkraftflächen
Energiewende in der VG Rüdesheim – Lüttger: „Wir denken an ein Bürgermodell“

Symbolbild

dpa

So schnell wie es für die Energiewende wünschenswert wäre, werden sie nicht kommen, die Windräder in der Verbandsgemeinde Rüdesheim. Mit einem Zeitrahmen von sieben bis zehn Jahren sei in der Regel zu rechnen, so Bürgermeister Markus Lüttger (CDU) im VG-Rat.

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Fluch oder Segen? Windräder (wie hier bei Desloch) bleiben Streitthema im Nahe-Soonwald-Land. Auch in der VG Rüdesheim, wo in den nächsten Jahren ein Windkraftprojekt entstehen könnte.
Stefan Munzlinger

Ob die veränderte weltpolitische Lage tatsächlich zur politisch gewollten Entbürokratisierung in den Verfahren vor einem Windradbau beiträgt, bleibt abzuwarten. Die Verbandsgemeinde weist im Zuge der Neuaufstellung des Flächennutzungsplans Vorrangareale für Windkraft aus. Das Besondere am Rüdesheimer Modell: Durch die Beteiligung aller 32 Dörfer über einen Solidarfonds und durch langfristige Beteiligung an der Wertschöpfungskette sollen die Windräder eine hohe Akzeptanz bei den Bürgern erfahren und viel Geld bei den Dörfern ankommen.

Bereits Erfahrungen in Sachen Windkraft gesammelt

„Warum soll ausgerechnet ein Unternehmen aus Wallhausen Ahnung davon haben, wie man das erreicht?“ Constantin Prinz zu Salm-Salm stellte sich und das Unternehmen Salm-Salm und Partner mit dieser Frage im Verbandsgemeinderat vor. Die Familie Salm gehört auch zu den Eigentümern, die Flächen in den Windkraft-Eignungsgebieten besitzen.

Ihre Firma in Wallhausen hat 26 Mitarbeiter und zwei Geschäftsbereiche. Zum einen Vermögensberatung, zum anderem ist Salm- Salm und Partner Spezialist für Investitionen in Landwirtschaft und Forst weltweit. „Dabei beschäftigen wir uns seit etwa zehn Jahren auch immer wieder mit dem Thema Windkraft“, erläuterte Prinz Salm. In Hessen hat das Unternehmen beispielsweise zusammen mit der Stadt Schlitz einen Windpark mit zwölf Windrädern entwickelt. „Auch bei uns in der Familie gibt es über die Windkraft immer wieder Diskussionen“, verriet der Prinz. „Wenn man gemeinsam agiert, kann man deutlich mehr erreichen, als wenn jeder Eigentümer selbst zu einem Projektierer rennt“, hält Constantin Salm fest.

Das sei auch das, was das Projekt in der VG groß mache, nicht die flächenmäßige Ausdehnung, sondern, dass man konzentriert mit allen kommunalen und privaten Eigentümern vorgehe. Nicht nur Pachteinnahmen, sondern auch Beteiligungen an den Projektgesellschaften machten die Windkraft für Gemeinden und Private lukrativ, seit der Strompreis großen Schwankungen am Markt und der Strombörse unterliege.

Gesetzliche Grundlage sei das Windenergieflächenbedarfsgesetz des Landes. Bis 2027 müssten 2,2 Prozent der Fläche für Windkraft ausgewiesen werden. Umgelegt auf die Fläche der VG Rüdesheim wären das 450 Hektar. „Deswegen muss man die politischen Entscheidungsträger in Schutz nehmen, die sich sagen: Ich mache jetzt das Beste draus für meine Verbandsgemeinde, unabhängig davon, ob ich das Ganze jetzt schön oder nicht schön finde“, erklärte Prinz Salm. „Das Ganze, wenn wir das zusammendenken, das macht es zu einem der größten Windkraftprojekte.“

Constantin Prinz zu Salm-Salm
Christine Jäckel

Das Optimale für alle Beteiligten will man über eine Anstalt des öffentlichen Rechts (AöR) erreichen. Sie wird die Aufgabe übernehmen, die gemeindeeigenen Flächen für Windenergie zu vermarkten und kann zudem energiewirtschaftliche Aufgaben auf örtlicher Ebene übernehmen.

Die VG soll in der AöR 75 Prozent der Anteile halten, die restlichen 25 Prozent haben die zehn Gemeinden, die Flächenanteile an Eignungsflächen besitzen. Das sind Bockenau, Braunweiler, Dalberg, Duchroth, Oberhausen, Sommerloch, Sponheim, Waldböckelheim, Wallhausen und Weinsheim. Nachdem die Landesergierung die Kriterien für Windenergie geändert hat, ergeben sich im VG-Gebiet sechs potenzielle Standorte für Windräder, die Gesamtfläche liegt bei 850 Hektar.

„Es geht nicht mehr um Windenergie ja oder nein, ich habe da mal eine ganz andere Auffassung vertreten. Wir müssen jetzt einen gesetzlichen Auftrag umsetzen. Die Frage, die sich danach stellte, war: Wie können wir das Beste für unsere Gemeinden herausholen“, rekapitulierte Bürgermeister Lüttger die Entwicklung. Erster Schritt dafür war der Solidarfonds, an dem sich neben allen Gemeinden auch Landesforsten und die beiden Privaten beteiligen.

Zur guten Ausgangslage für das Projekt gehöre, so Lüttger weiter, dass die Vorranggebiete größere, zusammenhängende Flächen sind, was den Projektierern die Arbeit erleichtere. Er ging auch auf die Kritik an der Anteilsverteilung in einer mit dem Unternehmen Salm zu gründenden GmbH ein. „Wir haben uns nach Beratung durch Fachanwälte und der Kommunalberatung ganz bewusst dafür entschieden, dass die AöR 49 Prozent an der GmbH hält und Salm 51 Prozent. Das gibt uns mehr Handlungsmöglichkeiten, und wir sind schneller“, so Lüttger außerdem.

Räte können ihrem Ortsbürgermeister Weisung erteilen

„Die Gewinnausschüttung ist von der Anteilsverteilung unabhängig“, erklärte Erster Beigeordneter Heinz-Martin Schwerbel (CDU). Die Konstruktion habe man gewählt, damit man nicht europaweit ausschreiben müsse, was die Umsetzung des Projektes enorm verzögern würde, erläuterte Schwerbel weiter. Das Sagen bei der AöR habe der Aufsichtsrat, der sich aus dem VG-Bürgermeister und den Ortsbürgermeistern der zehn Gemeinden zusammensetzen wird.

Die Räte der Pachtgemeinden können ihrem Ortsbürgermeister Weisung erteilen. „Dadurch ist die AöR mit der Gesellschaft handlungsfähig“, erklärte Schwerbel. Die AöR eröffne Möglichkeiten, die Gemeinden zu entlasten, etwa bei der Straßenbeleuchtung“, nannte Kämmerer Bernd Jung einen weiteren Vorteil des Modells.

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