Die widerrechtliche Verpachtung einer Ausgleichsfläche für das Neubaugebiet „Am Oberbrunnen“ im Jahr 2013 sowie deren Einzäunung und ausschließlich private Nutzung sorgten während der jüngsten Norheimer Ratssitzung für Wallung. Die Fläche hätte nie verpachtet werden dürfen. Ortsbürgermeister Kai Michelmann forderte Ratsmitglied Ludwig Wilhelm (CDU), seinerzeit Bürgermeister in Verbands- und Ortsgemeinde, dazu auf, sein Mandat niederzulegen.
Zusätzliche Brisanz erhält die Geschichte, weil die Fläche laut Aussage des ehemaligen VG-Bürgermeister Hermann Schoon (SPD) sowie des Norheimers Mark Douglass „widerrechtlich“ ausgerechnet von Tristan Heringklee genutzt wird. Denn Heringklee bewirbt sich am 10. November als CDU-Kandidat um das Bürgermeisteramt. In der Tat grenzt die Fläche an Heringklees Grundstück. Die Gemeinde wird dem Nutzer der Fläche nun eine Beseitigungsverfügung schicken.
Einwohneranfrage war Auslöser
„Wenn Sie ein bisschen Restwürde besitzen, Schaden von sich, ihrer Fraktion und der Gemeinde abwenden wollen, dann legen Sie ihr Amt nieder“, forderte Michelmann Ludwig Wilhelm und ein namentlich nicht genanntes Ratsmitglied auf. Auslöser war eine schriftliche Einwohneranfrage zu dieser Fläche am Eingang zum Oberbrunnen.
Was war geschehen: Bei der Anlage des Neubaugebiets 2007 mussten wegen der zu erwartenden Flächenversiegelung durch die künftige Bautätigkeit sogenannte Ausgleichsflächen ausgewiesen werden. Das sind öffentliche Grünflächen, die der Gemeinde gehören. Laut Michelmann sind das extensive Wiesenflächen, Bäume und Sträucher. Eine „unnatürliche Nutzung“ wie Einzäunungen oder Aufbauten sind nicht erlaubt.
Rat habe Verpachtung zugestimmt
Zu seiner Verteidigung führte Ludwig Wilhelm an, dass ihm die gesetzliche Lage nicht bewusst gewesen sei. Gegenüber unserer Zeitung erinnerte er daran, dass der Rat der Verpachtung zugestimmt habe, und er froh gewesen sei, dass jemand das Grundstück pflege, die Gemeinde keine Kosten hatte und noch 25 Euro Pacht im Jahr bekam.
In der Tat hatte der Rat der Verpachtung zugestimmt. Allerdings gab es zwei Beschlüsse: Der erste war unwirksam, worauf das Bauamt der damaligen Verbandsgemeinde BME Wilhelm auch hingewiesen hatte. Ein erneut gefasster Beschluss verstieß ebenfalls gegen geltendes Recht. „Wir mussten uns auf die Beschlussvorlagen der VG verlassen“, sagt Michelmann heute. Ein widerrechtlich gefasster Beschluss könne auch nie wirksam werden. Norheims Bürgermeister nimmt Wilhelm auch nicht ab, dass er keine Ahnung von der rechtlichen Lage gehabt habe. Wenn unter der Regie eines Ortsbürgermeisters ein Baugebiet hergestellt wurde, dann könne man voraussetzen, dass er zwischen Baugrundstücken und gemeindlichen Ausgleichsflächen unterscheiden könne. Ansonsten hätte er zudem die Fläche sicher als Bauland für die Gemeinde gewinnbringend verkauft.
Es ist also offenkundig, dass er wusste, was er hier tat, und das gegen geltendes Recht und nicht zum Wohle der Gemeinde.
Ortsbürgermeister Kai Michelmann
„Es ist also offenkundig, dass er wusste, was er hier tat, und das gegen geltendes Recht und nicht zum Wohle der Gemeinde“, erklärte Michelmann. Er erinnerte daran, dass Ratsmitglieder eine besondere Treuepflicht gegenüber der Gemeinde hätten.
Die Empörung bei den zahlreichen Zuhörern der Sitzung war groß. Hermann Schoon ist der Ansicht, dass der Vorgang auch eine Missachtung der Bewohner im Neubaugebiet sei. „Die Ausgleichsfläche ist Teil der Erschließungsmaßnahmen, die alle Anwohner bezahlt haben, von der in diesem Fall aber nur ein Anwohner einen Nutzen hat“, sagte er. Tristan Heringklee war bis Redaktionsschluss nicht für eine Stellungnahme erreichbar.