Sie nennen sich die Maler-Müller-Kids, leben alle in der Nachbarschaft der gleichnamigen Straße im Kreuznacher Norden und stehen mit einem Schild an der Ecke zur Hofgartenstraße: Bela (9) und seine Freunde Josefina, Madita, Laurenz, Oscar und Jaro haben dort um eine Spende für obdachlose Menschen gebeten. Knapp 30 Euro haben sie so zusammenbekommen. Dafür kann Rolf Lichtenberg, Vorsitzender der Bastgässjer, eine Mahlzeit für die Bauwagenplatz-Bewohner kochen. Doch für ihn zählt noch etwas ganz anderes.
„Es ist wichtig für uns, dass sich schon Kinder mit dem Thema Obdachlosigkeit beschäftigen“, sagt Lichtenberg. So wie der neunjährige Bela, der erzählt: „Ich habe in der Stadt obdachlose Menschen gesehen. Da dachte ich, für die könnten wir sammeln.“ Auf dem Bauwagenplatz der Bastgässjer sind momentan sieben Männer und eine Frau daheim, die sonst auf der Straße leben würden. Bela und seine Freunde kennen die Wohnungslosen vom Vorübergehen in der Stadt. Dort sind sie im Moment jedoch nur vereinzelt zu finden. Brennpunkte gibt es Lichtenberg zufolge in der City momentan nicht; am Salinenplatz und auf dem Kornmarkt, wo sich früher wohnungslose Menschen trafen, seien sie kaum noch anzutreffen.

Dass es den Obdachlosen an vielem mangelt, ist den Maler-Müller-Kids klar. Deswegen wollen sie ja spenden. Wie die Lebensgeschichten der Betroffenen aussehen, das wissen die Kinder natürlich nicht im Einzelnen. In Lichtenbergs Zeit als Kellermeister beim Weinhaus Ökonomierat August E. Anheuser fiel eine für ihn denkwürdige Begegnung, die ein Licht auf die Biografien der Obdachlosen wirft: „Da stand ein Mann vor mir, offensichtlich ein Wohnungsloser, der eine Flasche Wein kaufen wollte“, erzählt er. Lichtenberg gab ihm die Flasche, schaute genauer hin und erkannte ihn plötzlich. „Bist du das wirklich?“, fragte er den Mann mehrmals, weil er seinen Augen kaum trauen mochte. Ein alter Bekannter. „Er hatte früher tolle Jobs, war Manager bei einem Automobilhersteller.“
Eine Geschichte, die den 72-jährigen Lichtenberg später zu den Bastgässjern führte. Und es ist eine, die so oder ähnlich gar nicht selten vorkomme: „Da sind oft Schicksalsschläge passiert, und es werden Alkohol oder Drogen konsumiert. So kann jemand in die Obdachlosigkeit rutschen – unabhängig von der sozialen Herkunft oder dem beruflichen Hintergrund.“ Das Ziel der Bastgässjer ist es, die Menschen in den Bauwagen an eine feste Unterkunft zu gewöhnen, damit sie binnen Jahresfrist in eine Wohnung ziehen können. Fünf bis sechs Mal ist das im vergangenen Jahr geglückt, und dieses Jahr konnten bereits vier Personen in eigene vier Wände vermittelt werden.

Doch dazu braucht es Leute, die helfen wollen. Aus den aufgeweckten, sozial engagierten Grundschülern aus der Maler-Müller-Straße werden vielleicht mal Erwachsene, die sich bei den Bastgässjern für Obdachlose einsetzen. Die Menschen auf dem Bauwagenplatz und im Tagesaufenthalt brauchen den Rückhalt von Ehrenamtlichen, weiß Lichtenberg. Und die Helfer brauchen Geduld, denn nicht immer gelingt es, die Menschen von der Straße zu holen. So wie bei einem Mann, der 40 Jahre obdachlos war. „Er lehnte jede Wohnung ab“, erzählt Lichtenberg. Immer mal wieder zog der Mann für eine Weile auf den Bauwagenplatz, um sich in der wärmeren Jahreszeit erneut auf die Socken zu machen. „Vergangenes Jahr ist er verstorben, er hatte eine schwere Krankheit.“ Die Spende der rührigen Kinder ist sehr willkommen, um solche Schicksale abzumildern und in der größten Not zu helfen – zumal die Eltern den gesammelten Betrag noch aufstocken wollen, wie Vater Holger Konrad verriet.