Es ist ein tiefer Einschnitt. Das ist Helga Baumann bewusst: Nach 37 (!) Jahren aktiver Vereinsarbeit gibt sie nun ihren Posten im Vorstand von Frauen helfen Frauen, dem Trägerverein des Kreuznacher Frauenhauses, ab und legt ihn in jüngere Hände. Lange hat sie nach einer geeigneten Nachfolgerin gesucht und jetzt mit der ärztlichen Psychotherapeutin Lilo Brombacher gefunden. Im Februar wurde die 65-Jährige neu in das dreiköpfige Vorstandsteam neben Petra Dill und Susanne Kother-Groh gewählt. Lilo Brombacher hat 35 Jahre als Narkoseärztin gearbeitet, zuletzt 15 Jahre als Oberärztin im Kreuznacher Diakonie-Krankenhaus. „Die hochtechnisierte Seite war durchaus spannend, doch am meisten haben mir die Begegnungen mit den Menschen gegeben“, erklärt die Medizinerin auf ihrer Internetseite.
„Ich gehe ohne Abschiedsschmerz, aber umso mehr mit Freude.“
Helga Baumann
Mit 83 Jahren nimmt Helga Baumann nun auch Abschied von ihrer ehrenamtlichen Vorstandsarbeit im Trägerverein. Aus dem Vorstand des Fördervereins hat sie sich 2018 zurückgezogen. „Ich gehe ohne Abschiedsschmerz, aber umso mehr mit Freude.“ Denn Lilo Brombacher sei ein „Glücksfall“. Helga Baumann war dabei aber genauso wichtig, dass sie mit den beiden anderen Vorstandsfrauen harmoniert und dazu passt. Dass dies klappt, davon ist sie überzeugt: „Alle sind voneinander angetan und werden gut gemeinsam wirken.“ Und was hätte sie gemacht, wenn sie keine Nachfolgerin gefunden hätte? „Darüber wollte ich gar nicht erst nachdenken.“ Doch es ist ihr anzumerken, wie erleichtert, wie froh sie darüber ist, dass es dazu nicht gekommen ist.
Vor 40 Jahren zum ersten Mal begegnet
Beide Frauen sind sich zum ersten Mal vor vier Jahrzehnten im Frauentreff von Renate Weirich in der Lauergasse begegnet, „wo wir feministische Literatur gelesen haben“. Danach trafen sie sich nur sporadisch … bis sich Helga Baumann jetzt an die Ärztin erinnerte. Lilo Brombacher war auch 20 Jahre lang Vorsitzende des Ethikkomitees der Stiftung Kreuznacher Diakonie. „Das war für mich eine gute Zeit und hat mir viel Freude gemacht – etwas zu bewegen, Neues aufzubauen, gestalten zu können.“ Doch dann hat sie noch einmal eine Ausbildung zur ärztlichen Psychotherapeutin gemacht, parallel zur halben Oberärztinnenstelle eine eigene Praxis eröffnet und sich 2019 mit 60 Jahren selbstständig gemacht. 15 Jahre lang habe sie zwei Jobs gehabt. „Jetzt genieße ich es sehr, meine Zeit besser einteilen zu können. Ich habe dadurch mehr Zeit.“
Zeit für ehrenamtliches Engagement
In den vergangenen fünf Jahren sei bei ihr dabei der Gedanke gereift, die Zeit zu nutzen und sich ehrenamtlich zu engagieren.“ Als dann Helga Baumann vor einem Dreivierteljahr anrief, habe sie gedacht: „Okay, das klingt nach etwas sehr Sinnvollem“ – zumal sie seit 1989 Mitglied im Trägerverein Frauen helfen Frauen ist und auch beruflich als Psychotherapeutin „häufig mit Menschen zu tun hat, die als Kind häusliche Gewalt erlebt haben – und das hinterlässt unglaubliche Spuren. Es hat Auswirkungen auf ihr Leben als Erwachsene, zum Beispiel auf ihre Beziehungsgestaltung oder ihr Berufsleben“.
Baumann ist Brombacher einfach so eingefallen und sie rief sie an. „Es war wirklich Zufall.“ Nach dem Rückruf „haben wir uns dann sehr schnell getroffen und gemerkt, dass wir uns nicht fremd sind“, erzählt Baumann, wie es zu diesem ersten Treffen kam. „Mir war wichtig, dass sie alles, was sie wissen will, erfährt und nichts schöngeredet ist.“ Das habe sie dann mit den anderen Vorstandsfrauen besprochen. „Wenn das klappt, machst du mich zum glücklichsten Menschen“, schildert sie die Reaktion von Susanne Kother-Groh, die ebenfalls als Ärztin in der Diakonie arbeitet.
Lilo Brombacher will erst einmal „gut zuhören“
Brombacher selbst war erst einmal „überrascht“, wie sie einräumt. „Wie ich dann den Umfang der Verantwortung erfahren habe, dachte ich, für einen Ehrenamtlichen ist das schon eine Nummer. Aber ich bin es gewohnt, Verantwortung zu übernehmen“, scheut sie sich davor nicht. Dass sie in große Fußstapfen tritt, weiß Lilo Brombacher. Es ist eine Herausforderung, doch sie sei da „eher demütig“, begegne dem mit Respekt. Inzwischen war sie schon bei einigen Vorstandssitzungen dabei, will aber vor allem erst einmal „gut zuhören“. Wie gehen die anderen die Sache an? Was gibt es zu besprechen? Über eigene Schwerpunkte zu sprechen, dafür sei es jetzt noch zu früh, erklärt sie. „Ich glaube aber, es gibt reichlich zu tun.“ Ein wichtiger inhaltlicher Schwerpunkt ihrer Arbeit im Ethikkomitee der Diakonie war die Stärkung der Patientenautonomie als wichtiges Element einer modernen Medizinethik. „Hier sehe ich auch eine Schnittmenge mit meinem neuen Engagement in der Frauenhausarbeit, wo es neben dem Einsatz gegen häusliche Gewalt ja auch um die Stärkung der Persönlichkeitsrechte und Unterstützung zur Entwicklung der Selbstwirksamkeit der Frauen geht.“
Sie geht sicher aus einem anderen Blickwinkel an ihre neue Aufgabe heran – allein schon aufgrund ihrer beruflichen Erfahrungen. „Das ist eine Bereicherung für das Vorstandsteam“, ist Baumann überzeugt. Für sie selbst schließt sich der Kreis: „Etwas, das ich mit aufgebaut habe, mit Leidenschaft und Enthusiasmus, wollte ich nicht einfach so stehen lassen“, erklärt sie, warum es ihr so wichtig war, eine Frau zu finden, die ihre Arbeit fortsetzt. Jetzt sei sie „überglücklich“, freue sich darauf, „dass ich mich mehr um mich kümmern kann und um die Dinge, die bei mir zu kurz gekommen sind.“