Winzer zufrieden mit den Demonstrationen, aber mit großen Problemen am Markt
Eigenlob für Bauerndemos, aber Existenzangst: Zu viel Fläche, zu hohe Kosten
Weinbaupolitische Tagung Dr. Oberhofer DLR Rheinpfalz 2024
Schonungslos beschrieb Dr. Jürgen Oberhofer vom DLR Rheinpfalz die aktuellen Probleme der deutschen und europäischen Weinwirtschaft und die eher düsteren Zukunftsprognosen. Foto: Rainer Gräff
Rainer Gräff

Bad Kreuznach. Es wird zu wenig Wein getrunken – meinen die Winzer angesichts europaweit sinkender Absatzzahlen. Doch die Menge ist nicht das einzige Problem, wie bei der agrar- und weinbaupolitischen Tagung in dieser Woche deutlich zu hören war (wir berichteten).

Wo bleibt das Positive? Zumindest mit der in Teilen erfolgreichen Protestwelle der Kollegen angesichts der quasi über Nacht verordneten staatlichen Restriktionen waren die Redner zufrieden.

„Wir können Protest. Es wird wieder mit und über uns gesprochen“, konstatierte Rainer Klöckner für den Weinbauverband.

Die Ernte 2023 kam früher als erwartet und fiel kleiner aus als erhofft. Die Betriebe seien voll gefordert gewesen. Und dann das: Sinkende Pro-Kopf-Verbräuche und die Gesundheitswelle erschweren das Geschäft in, so Klöckner, „spannenden Zeiten“.

Für die Stadt Bad Kreuznach sicherte Wirtschaftsdezernent Markus Schlosser (parteilos) Sympathie und Unterstützung zu. In der Bevölkerung und der Stadtpolitik habe viel Verständnis für die Bauerndemos wegen des Wegfalls der Agrardieselsubventionen und der grünen Nummernschilder geherrscht. Im Zwist um den Vor-Jahrmarktsdonnerstag bat er um Geduld. Es liefen noch Gespräche.

Nahe-Weinbaupräsident Dr. Thomas Höfer nannte politische Entscheidungen wie die Subventionsstreichungen und die Düngemittelverordnung „eine Fehlgeburt“.

Die Demos würden nicht die letzten gewesen sein. Die Landwirtschaft könne nicht immer der Sündenbock sein, weil es an nachhaltiger Politik fehle. Zu den Fehlentscheidungen zählt er die Entlohnungsvorschriften: „Es kann nicht sein, dass die ganze Welt hier bei uns Mindestlohn verdienen muss, ohne die Lebensverhältnisse in den Heimatländern zu berücksichtigen.“

Ein ewiges Thema sei der Bürokratieabbau. Digitalisierung und Künstliche Intelligenz (KI) müssten angeschoben werden – dann müsse aber auch Geld dafür fließen. „Viele andere in Europa sind uns da weit voraus“, betonte Höfer.

Das Thema des international äußerst unterschiedlichen Mindestlohns (Spanien 6,35 Euro, Italien ohne Festlegung, Südafrika 1,36 Euro) griff Referent Dr. Jürgen Oberhofer vom DLR Rheinpfalz auf. Die Faktoren Lohn- und Maschinenkosten drückten immer mehr, da nütze auch die sinkende Inflationsrate nichts. Die aktuellen Krisen bewirkten einen globalen Markteinbruch. Die „Best Ager“ als wichtigste Zielgruppe würden älter und weniger. Binnen zehn Jahren würden so 3,6 Millionen potenzielle Konsumenten fehlen, errechneten die Statistiker.

Viele Verbraucher müssten sparen, kauften weniger Wein – oder preiswerte ausländische Produkte. Zu dieser „hochexplosiven Mischung“ für die Branche komme noch ein fataler Fehler, schilderte der Experte: Die von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung genehmigte Ausweitung der Rebflächen.

Die zur Verfügung stehenden Anpassungsstrategien sind oft schwierig umzusetzen. Dazu gehören die Betriebsgrößen. Die Kosten der Produktion sind abhängig von der Größe: je mehr desto günstiger. Doch Wachstum sei nicht der alleinige Problemlöser.

Ein vielversprechender Faktor sei die Hinwendung zum Minimalschnitt, wo er möglich sei. 30 Prozent Kostenersparnis seien dabei im Anbau von Piwi- (pilzwiderstandsfähigen) Sorten zu erreichen.

Absatzsteigerungen seien kaum möglich. Der Fachmann rät zur Reduzierung der Weinmengen beziehungsweise Hektarerträge. Seine Erkenntnis lautet: „Die Flächenreduzierung ist notwendig und wird kommen.“ Anpassungsprozesse müssten gefördert werden, statt sie zu hemmen, fordert er.

In der Diskussion wehrte sich der Deutsche Weinbaupräsident Klaus Schneider gegen Vorwürfe, die Verbände hätten zu wenig getan: „Die Probleme sind erkannt und werden von uns produktiv begleitet. Wir lassen es nicht einfach gegen die Wand fahren.“

Der Kreisvorsitzende der Bauern und Winzer an Nahe und Glan, Johannes Thilmann (Spabrücken), erinnerte an weitere Probleme wie die katastrophale Marktsituation beim Getreide, eine Antifleisch- und Pro-Rauschgift-Kampagne und einen Schnaps-statt-Wein-Trend bei der Jugend. Auch für Johannes Thilmann muss im Juni ein Nachfolger gewählt werden.

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