Das neue Verfahren funktioniert offenbar nicht immer so rasch und reibungslos wie von den Patienten erhofft. Es kann vorkommen, dass sie direkt aus der Arztpraxis in die Apotheke gehen, um ihre Gesundheitskarte vorzulegen und ihre Medikamente abzuholen. Doch allzu oft ist das E-Rezept dann noch nicht im System hinterlegt.
Daten nehmen verschlungene Wege
Denn die Daten nehmen verschlungene Wege: Das Rezept muss zunächst vom Arzt digital in einer Datenbank signiert und freigegeben werden. Die Karte ist nur der Abholausweis. Wenn der Arzt erst am späten Nachmittag die Verschreibungen signiert, ist bis dahin nichts mit der Gesundheitskarte abzurufen. „Das passiert jeden Tag zigmal, die Patienten kommen, wir lesen die Karte ein und es ist nichts da“, berichtet Matthias Köth, Inhaber der Bad Sobernheimer Felke-Apotheke. Vor allem für Kunden, die mit dem E-Ausdruck kommen, sei das kaum nachvollziehbar. Denn auf dem Papier steht das verordnete Medikament – doch Köths Team darf es ohne Freigabe durch den Arzt nicht aushändigen.
In Tschechien sei das E-Rezept schon lange Standard, berichtet er, und dort gibt es automatisiert eine Nachricht aufs Handy der Patienten, wenn die Verordnung fertig ist. Köth fragt sich, warum es nicht auch in Deutschland ähnlich gemacht wird. Wünschenswert wäre es aus seiner Sicht, Ärzte würden die E-Rezepte sofort signieren oder zumindest ihre Patienten informieren, wann die Verordnungen frühestens freigeschaltet werden.
„In einigen Praxen wird das den Patienten gleich gesagt“, berichtet Ute Schneider, Pharmazeutisch-Technische Assistentin in der Gräfenbach-Apotheke in Hargesheim, die mit der Rheingrafen-Apotheke und der Neuen Apotheke am Holzmarkt in Bad Kreuznach gleich zwei Partnerapotheken betreibt. Doch das sei nicht immer der Fall. Vorbestellungen seien dabei manchmal für die Patienten schwierig geworden. „Früher konnte der Patient auf dem Rezept nachlesen, was er verschrieben bekommen hat. Jetzt müsste er sich in seine App einloggen, nachdem er eine Pin eingegeben hat, um alles zu sehen. Das macht und kann auch nicht jeder“, weiß Schneider. Positiv sei, dass der Stapel der Papierrezepte deutlich zurückgegangen sei. Zwar gab es gelegentlich Serverausfälle, doch die seien nicht lang und zudem selten gewesen.
Auch aus Sicht der Felke-Apotheke laufen die Systeme nach den ersten beiden schwierigen Wochen inzwischen weitgehend rund, obwohl die Serverkapazitäten des Dienstleisters Gematik ab und zu offenbar immer noch an Grenzen stoßen, so Köth. Er würde sich wünschen, dass bei Patienten, die von Zuzahlungen befreit sind, dies künftig bereits im System hinterlegt wird. Denn oft sei das von den Praxen nicht richtig vermerkt. „Das würde uns unheimlich viel Arbeit sparen.“ Auch dies sei eine der vielen kleinen Sachen, die man am grundsätzlich begrüßenswerten E-Rezept aus seiner Sicht verbessern könnte. „Über einiges hat man wohl vorher nicht richtig nachgedacht“, kritisiert er die Verantwortlichen. Apothekenvertreter seien ohnehin zu wenig in die Konzeption eingebunden worden.
Pro E-Rezept braucht der PC etwa 30 Sekunden
Problematisch ist das E-Rezept aus Sicht von Dr. Anja von Buch, Vorsitzende der Kreisärzteschaft Bad Kreuznach, vor allem für Patienten, die nicht mobil sind, im Altenheim oder in einem Wohnheim für behinderte Menschen leben. Die Apotheken hätten die Medikamente früher zusammengestellt, und das Rezept konnte per Fax übermittelt werden. Das funktioniert nun nicht mehr. „Wenn man das E-Rezept ausdruckt, ist das ein Din A4-Zettel anstatt des früheren Din A6-Formats, und für den QR-Code braucht man einen Drucker mit einer gewissen Qualität“, so von Buch. Abgesehen davon koste das Erstellen der E-Rezepte den Arzt einiges an Zeit: Pro Rezept brauche der Computer etwa 30 Sekunden. „Das hört sich nicht viel an“, sagt die Kreisärztevorsitzende. „Aber wenn man sich vorstellt, dass wir 20, 30 oder 40 Rezepte elektronisch signieren müssen, dann dauert das. In der Zeit kann ich nicht den Befund in den PC eintippen, das muss dann warten.“
Was den Praxen das digitale Leben erschwert, sind Ausnahmeregelungen: So dürfe zwar beispielsweise Insulin auf das E-Rezept, aber Blutzuckerteststreifen, Lanzetten und Spritzen nicht. „Für ein Rezept mit Durchschlag brauchen wir dann wieder einen Drucker“, erklärt Anja von Buch. So fahre man weiter mehrgleisig – bis die Politik für Vereinheitlichung und weniger Bürokratie sorgt.
So funktioniert die Technik
Das neue Verfahren funktioniert folgendermaßen: Der Arzt erstellt die Verordnung elektronisch, signiert sie und legt sie geschützt auf einem zentralen Server ab. Anschließend können Patienten sie in einer Apotheke einlösen. Dafür brauchen sie ihre elektronische Gesundheitskarte, die E-Rezept-App oder einen Papierausdruck mit QR-Code. Das ist bereits seit September 2023 möglich. Seit dem 1. Januar sind Ärztinnen und Ärzte dazu verpflichtet, das E-Rezept zu nutzen, wenn sie verschreibungspflichtige Arzneimittel verordnen. Für Versicherte soll das E-Rezept mehr Komfort bieten, wenn sie beispielsweise ein Folgerezept benötigen: Sie müssen nicht mehr in die Praxis. Auch nach Videosprechstunden können sie sich ein E-Rezept ausstellen lassen. cob