Wenn Gerald Müller Besucher durch die Disibodenberger Kapelle führt, gerät er leicht ins Schwärmen. Die Freude über die gelungene Rettung eines einzigartigen Baudenkmals ist dem Zweiten Vorsitzenden des Fördervereins Disibodenberger Kapelle ins Gesicht geschrieben.
Rettung sakraler Bausubstanz
Von Hause aus Jurist mit Wohnsitz in Alzey hat er sich ehrenamtlich der Rettung wertvoller sakraler Bausubstanz verschrieben. Getreu dem Jahresmotto 2022 der Deutschen Stiftung Denkmalschutz „Kulturspur – ein Fall für den Denkmalschutz“ machte er am Denkmaltag Besuchergruppen mit der Umbaugeschichte des einstigen Stadthofs des Klosters Disibodenberg vertraut.
Dabei ging er sowohl auf die kirchliche Historie der Kapelle ein als auch auf deren Rang als Architekturdenkmal. „Das Gebäude ist jetzt in dem besten baulichen Zustand, den es je hatte“, betonte Müller. Die frühere Sakristei ist heute Weinlager, im Obergeschoss des einstigen Chorraums werden Hochzeitspaare getraut und unmittelbar unter der spektakulären Dachbalkenkonstruktion laden gemütliche Sitzecken zum Plaudern ein. Der Gastraum eröffnet den Blick auf Edelstahlkessel, in denen Bier gebraut wird. So zog wieder Leben in ein altes Gemäuer ein und bewahrte es vor einem rein musealen Dasein.
„Die Kapelle war immer Provisorium“, berichtete Müller aus deren wechselvoller Geschichte. Diese begann 1389 mit dem Tod der als Selige verehrten Katharina von Homburg. Aus ihrem Erbe errichtete der Zisterzienserorden, der damals das Kloster Disibodenberg besaß, die Kapelle als spirituellen Mittelpunkt ihres Stadthofs in Sobernheim. „Von ihren insgesamt 51 Höfen war dieser der bedeutendste“, erklärte Gerold Müller und verwies auf seine Bedeutung als zentrale Zinshebestelle für die untere Nahe und den Glan.
Nach seiner Darstellung gehörten die Liegenschaften zur Grundausstattung des Klosters, die ihm bereits 975 von Bischof Willigis überlassen wurden. 1455 entstand der Dachstuhl über dem Chor, 1493 der über dem Langhaus. „Diese Kapelle, die Malteserkapelle und die Kirche in Abtweiler sind nach dem gleichen Masterplan gebaut worden.“ Müller bezeichnet die anspruchsvollen Bauteile als herausragende Leistung eines Zimmermanns: Heinrich Murer von Beckelnheim.
Ein weiteres bedeutendes Detail ist das Tympanon, ein Bogenfries außen über dem früheren Eingangsportal. Heute wird es leider etwas verdeckt vom heutigen Zugang zu der Kapelle. „Es ist das einzige aus dem Mittelalter erhaltene figürlich gestaltete Außentympanon der Region an Nahe und Glan“, so Müller. Er sieht es von seiner Bedeutung her in einer Reihe mit den Grabplatten des Klosters Pfaffen-Schwabenheim sowie in der Stiftskirche St. Johannisberg.
Kapelle wurde Lagerhaus
Als mit der Reformation das Kloster Disibodenberg aufgelöst und die Kapelle 1559 säkularisiert wurde, verkam sie zum Lagerhaus. Das Niveau der Etagen veränderte sich mit dem Einbau eines Kellers, zusätzliche Ebenen wurden eingezogen, um Speicherkapazitäten zu schaffen. Dieses Schicksal teilte sie mit der Sobernheimer Synagoge, die nach dem Ende der Nazizeit ebenfalls eine Zeit lang als Möbel- und später Getränkelager diente. Viele Jahre lang war die Kapelle in Privatbesitz und der Öffentlichkeit nicht zugänglich.
Der Förderverein startete zahlreiche Aktionen, um sie aus ihrem Dornröschenschlaf zu wecken. Dies war erst möglich, als sich ein Investor fand, der sie zu einem Restaurant umbaute.
Hobbydenkmalschützer Gerold Müller zeigte sich versöhnt mit dem Baukonzept und der heutigen Funktion der Kapelle. Am besten erschließt es sich, richtet man den Blick vom Trau- und Feiersaal im ersten Obergeschoss des früheren Chors zum Dachgebälk. Aus Sicherheitsgründen gestützt von einer Stahlkonstruktion, zeigt es sich in kraftvoller Schönheit und lässt eine meisterhafte Baukunst des Mittelalters erahnen.