Ein letztes Mal strömten die Kunden durch die Bad Kreuznacher Innenstadt und in die Geschäfte – besonders am Montag, als alle Welt wusste, dass ab Mittwoch heruntergefahren wird, wie Innungsobermeister Rainer Schoebel, der seine Innung seit Mai 2015 führt, berichtet. Am Dienstagmorgen war der Betrieb bereits verhalten.
Nun sagt die bundesweite Corona-Vorgabe aber nicht nur „Lockdown“, sondern auch, dass das Handwerk, egal welcher Branche, seine Profession weiter ausüben darf. Zum Handwerk zählt Rainer Schoebel natürlich die qualifizierten Gold- und Silberschmiede.
Rainer Schoebel übernahm den etablierten Betrieb seiner Eltern und bezog ein neues Geschäft
Der Name Schoebel ist bekannt, nicht nur in Bad Kreuznach: Günter und Irmgard Schoebel betrieben über fünf Jahrzehnte ihr Uhren- und Schmuckgeschäft an der Kurhausstraße. Unter anderem fertigten sie, auch das eine Fähigkeit von Gold- und Silberschmieden, Pokale für die Basketball-WM der Männer und der Frauen.
2015 zog ihr Sohn Rainer von der Kreuzstraße in sein heutiges Geschäft an der Schlossstraße; er betreibt es mit seiner Frau Anne und bildet aus. Wenn man den Laden betritt, ist links die Werkstatt zu sehen. Damit bieten die Schoebels Transparenz: „Unsere Kunden sollen sehen, wie wir arbeiten.“ Immer wieder werden Schoebels auf alte Erbstücke angesprochen. Dann rate man dringend ab, sie für den schnellen Euro im Internet zu verkaufen. „Kommen Sie zu einem Gold- und Silberschmied und lassen Sie die Stücke schätzen“, rät Rainer Schoebel zur Begutachtung und, wenn nötig, auch zur Aufbereitung durch den heimischen Fachmann, um das traditionsreiche Familiengut zu bewahren. „Nicht selten sind es Unikate und eine solide Wertanlage“, erklärt der Innungsobermeister zu manchem familiären „Schatz“. mz
Und so bleibt der seit 1997 selbstständige Goldschmiedemeister mit seinem 60 Quadratmeter großen Geschäft an der Ecke Schloss- und Kreuzstraße nahe an Fußgängerzone und Kurviertel und damit in guter Lage wie viele seiner Kollegen am Ball: Sie gehen ihrem Handwerk nach, auch hinter verschlossenen Türen. Mit Reparaturen, Anfertigungen und Änderungen oder telefonischer Beratung. Und wenn die Kunden nicht ins Geschäft kommen dürfen, dann liefere man ihre Stücke (mit Sicherheitsabstand) eben an den Haustüren aus, sagt Schoebel unverdrossen und findig. Gut so, denn in Sack und Asche gehen hilft in dieser Situation nicht. Der Weg der Innung: sich auf sein Können und seine Kundenbindung konzentrieren. Das ist es, was bleibt. Auch nach der Krise. Nicht, dass der Innungschef, der manche aktuelle Regelung „an der Realität vorbei“ sieht, die Ursache des zweiten Lockdowns leugnen und die Gefahr des Virus herunterspielen wollte. Keineswegs: „Wir müssen uns schützen und die Infektionszahlen in den Griff bekommen“ – das weiß die Gesamtinnung, die Jahr für Jahr in Deutschland knapp 5 Milliarden Euro Umsatz macht (jeder Haushalt gibt per anno im Schnitt 116 Euro für Schmuck und Uhren aus) und mehr als 3000 Menschen beschäftigt. Aber es trifft die Selbstständigen mitten ins Herz, jetzt absperren zu müssen. Ein Schmuckstück vor Weihnachten? Das ist nun mal d a s Präsent vieler für ihre Liebsten.
Weil ein solches Stück, kreiert und gefertigt bei heimischen Gold- und Silberschmieden, doppelten Inhalt birgt: Wert und Wertschätzung. Es aussuchen und anprobieren auf Distanz? Mit Maske? Das musste bislang sein. Corona gab's vor. Doch durften die Leute wenigstens in den Laden. Das geht jetzt nicht mehr. Bis 10. Januar bleibt alles dicht. Und danach? Das kann auch der Innungsobermeister nicht sagen. Noch hat sich keiner seiner Mitgliedsbetriebe gemeldet. Alle schauen, wie sie am besten mit der erneuten Sperrung umgehen, aber: „Jammern will keiner!“
Stärkster Konkurrent der heimischen Betriebe, die die Innenstädte beleben: das anonyme Internet und seine zweistelligen Umsatzzuwächse bis Ende 2020 – mit Dumpingpreisen und vielerlei Versprechen. Ein häufig trügerischer Schein, wenn es um Uhren und Schmuck geht, weiß Rainer Schoebel, der keinen Online-Shop betreibt. Patrick Mayer, Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft, betont die Stärken der lokalen Branchenpräsenz: „Handwerkskunst und Qualität gehören zusammen.“
Eine der Hauptaufgaben der nächsten Jahre: die Nachwuchswerbung. „Wir suchen junge Menschen, die kreativ und geschickt sind. In diesem Beruf geht es um künstlerisches Handwerk, das Kunden sehr schätzen“, schreibt der Innungsvorstand um Rainer Schoebel.