Das letzte verheerende Hochwasser der Nahe in der Stadt Bad Kreuznach liegt schon etwas zurück. Nach den Überflutungen von Kurgebiet, Altstadt und Innenstadt in den Jahren 1993 und 1995 wurde von 1998 bis 2003 ein Hochwasserschutzsystem installiert. Vor 300 Jahren, im Mai 1725 war es nicht die Nahe, sondern der Ellerbach, der infolge einer Sturzflut im Umland gewaltig anschwoll und die Neustadt verwüstete.
31 Menschen ertranken in den Fluten
31 Menschen starben bei der Flutkatastrophe, über die es mindestens zwei Berichte gibt. Der in Frankfurt geborene Johann Christian Heuson, der sich unter anderem mit dem Phänomen der Nordlichter beschäftigte, ist einer der Autoren. Er datierte das Ereignis auf den Sonntag Exaudi, das war der 13. Mai 1725. Ein Chronogramm in der Nikolauskirche an der Seite zum Eiermarkt, zeigt an, wie hoch das Wasser stand und benennt das Namensfest des Heiligen Pankratius und des Märtyrers Nereus als den Tag der Flutkatastrophe. Das fällt allerdings auf den 12. Mai. Heimatforscher Rolf Schaller, der Heusons Bericht in seinem Buch über die Kreuznacher Brücken erwähnt, weist auf diese Abweichung hin.

Zu Heusons „Ausführliche und ordentliche Beschreibung der in hießigen Landen erschröcklichen und fast noch nie erhörten Wasser-Fluth zu Creutzenach“ gibt es auch einen Kupferstich. Er zeigt das Panorama der noch mittelalterlich geprägten Stadt mit ihren Wehranlagen, über die sich die Wassermassen ergießen. Die für die Entstehung der zerstörerischen Flutwelle kritischen Stellen sind mit Nummern markiert, so werden anhand der Legende die Ursachen und Auswirkungen für Ortskundige einigermaßen gut nachvollziehbar. Der Wolkenbruch soll sich am Nachmittag des 13. Mai, etwa um fünf Uhr, am Gauchsberg, der bis zu 437 Meter hohen Partie am Soonwald bei Sponheim, ausgeregnet haben.
Stadtmauer wurde unterspült
Daraufhin schwollen der Ellerbach und der Gräfenbach stark an. Die Bäche fließen westlich der Stadt an der Lohrer Mühle zusammen, dann durchquert der Ellerbach die gesamte Neustadt, bevor er in die Nahe mündet. „Im Westen befand sich früher ein Holzhof, wo die Stadt ihr Bauholz gelagert hatte, dieses Holz wurde mitgerissen und die beiden Ölmühlen, die sich dort befanden wurden komplett zerstört und die Ziegelhütte ebenfalls “, erklärt Rolf Schaller. Heusons Bericht spricht von 700 Klafter Holz, das entspricht 2100 Raummeter. Für die Ziegelbrücke bedeutete das den Todesstoß, das Wasser staute sich so hoch auf, dass es darüber hinweg schoss und das Bauwerk zerstörte.

Die darunter liegende Zwingelbrücke blieb dagegen erhalten. Weil ihre Bögen sehr hoch waren, passierten die Wassermassen samt dem Treibgut. „An der sehr viel niedrigeren Häuserbrücke in der Neustadt staute sich dagegen alles, was zu der Katastrophe führte“, so Schaller weiter. Der Rückstau reichte bis zur Zwingelbrücke, durch den gewaltigen Druck wurde die Stadtmauer auf einer Länge von 30 Metern unterspült. Die Flut ergoss sich in das Gerberviertel, setzte Eiermarkt, Karmeliterkloster, Nikolauskirche, Fischer- und Säugasse (heute Magister-Faust-Gasse) unter Wasser.
Katastrophe traf vor allem die Ärmsten
Zwischen Fischergasse und dem Butterfaß genannten Wehrturm drückten die Wasser- und Treibgutmassen die Stadtmauer auf einer Länge von etwa 12 bis 15 Metern ein und flossen in die Nahe ab. Von der Flut betroffen waren insbesondere ärmere Bürger, die, um die Kosten für die vierte Wand zu sparen, ihre Häuser direkt an die Stadtmauer gebaut hatten, erläutert Schaller. Ein Stadtratsprotokoll über das Ellerbach-Hochwasser beziffert die Schäden an Gebäuden auf 100.000 Gulden. Viele Menschen überraschte die Flut, manche starben beim Versuch, andere zu retten wie der Stadtmajor Ochs. Einige konnten mit Seilen aus prekärer Lage befreit werden.
Während eine Kuh auf einem Mäuerchen stehend das Hochwasser unbeschadet überstand, belief sich der geschätzte Verlust an Vieh auf 300 bis 400 Stück. Es gab Hilfen für die Flutopfer wie ein Steuererlass für ein Jahr und in Frankfurt bewilligte der Magistrat eine Kollekte für die Kreuznacher. Territorialherren in der Umgebung stellten Fuhrwerke und Helfer bereit, die beim Aufräumen unterstützten. Der Ellerbach ist bei Hochwasserlagen keine zu vernachlässigende Größe, unterstreicht Rolf Schaller. Bei den Flutereignissen in den 1980er und 1990er Jahren hatte er in gewissem Umfang das Nahe-Hochwasser verschärft.