Wahlanalyse Bad Kreuznach
Die AfD wird zweitstärkste Kraft, die SPD stürzt ab
Jürgen Cron organisiert die Wahlen innerhalb der Stadt Bad Kreuznach. Im Rathaus am Kornmarkt wurden die Briefwahlunterlagen ausgezählt.
Marian Ristow

Die Ex-Ampelkoalitionäre erleben auch in der Kreisstadt ein Wahldebakel. Davon profitiert vor allem die AfD. Sie ist nun in Bad Kreuznach die zweitstärkste politische Kraft. Doch auch CDU und Linke legen zu – Analyse und Stimmen.

Auch in der Stadt Bad Kreuznach zeigt sich das gleiche Bild wie im Wahlkreis und bundesweit: Die Ex-Ampelkoalitionäre sind die Verlierer der Bundestagswahl. Der große Gewinner ist die AfD, die hinter einer um 4,9 Prozentpunkte zulegender CDU, die nun bei den Zweitstimmen auf 28,5 Prozent kommt, zweitstärkste Kraft mit 19,7 Prozent knapp vor der SPD wird. Die Sozialdemokraten beutelt es besonders stark, sie stürzen von 29,7 auf 19,5 Prozent ab. Was die SPD an Stimmen verliert, gewinnt die AfD. Auch die Linke legt deutlich zu, holt die 2021 verloren gegangenen Stimmen wieder zurück. Die Grünen verlieren nur leicht (minus 2,6 Prozentpunkte), kommen auf 10,6 Prozent. Die in der Kreisstadt eigentlich traditionell starken Liberalen verlieren 7,1 Prozentpunkte, erreichen nur noch magere 5 Prozent. Das Bündnis Sahra Wagenknecht, für das Bianca Steimle als Direktkandidatin ins Rennen ging, kommt bei den Zweitstimmen aus dem Stand immerhin auf 4,5 Prozent. Die Freien Wähler und die anderen Parteien spielen keine Rolle. Die Wahlbeteiligung lag in der Stadt mit 75,6 Prozent deutlich höher als noch 2021 (68,3 Prozent), aber unter dem Bundesdurchschnitt von 82,5 Prozent.

Die Ergebnisse in den Stadtteilen

Wie sich das Bild doch ändert: Legte bei der Bundestagswahl 2021 die SPD in der Stadt noch zu und die CDU büßte dramatisch 9 Prozentpunkte ein, so sind es diesmal die Sozialdemokraten, die 10,2 Prozentpunkte verlieren. Der AfD gelingt es, ihre Stimmenanteile gegenüber 2021 mehr als zu verdoppeln. Fast überall machen CDU und AfD den ersten Platz unter sich aus, der SPD bleibt meistens nur Platz drei. In den Stadtteilen hat die AfD die Nase knapp vor der CDU, bis auf Bosenheim – dort sind beide nahezu gleichauf. In Bad Münster am Stein-Ebernburg, wo die CDU traditionell stark ist, lassen die Christdemokraten die AfD deutlich hinter sich. Den Spitzenwert holt die AfD im Urnenwahlbezirk Winzenheim zur Klaster mit 40,1 Prozent. Teilweise stark schneiden Grüne und Linke in den großen Wohngebieten im Südwesten der Stadt ab. Auch die SPD lässt dort in zwei Urnenwahlbezirken die AfD hinter sich. In den Wohngebieten im Südosten – den Wahlbezirken MaLuKi-Grundschule, Kita Pappelweg und Kita Herrmann Rohloff – bietet sich ein anderes Bild. Hier ist die AfD klar vorne, holt hier zwischen 32 und 39,7 Prozent. Die Linke fährt an der Urne im Bezirk Stadtwerke in der Innenstadt mit 19,4 Prozent ihr stärkstes Ergebnis ein. Auffallend: In der Hälfte der 26 Urnenwahlbezirke holte die AfD die meisten Stimmen, alle sind schwarz oder blau – mit einer Ausnahme: Im Wahlbezirk Kreuznacher Diakonie sind die Roten vorne: Die SPD holt hier bei den Zweitstimmen 22,5 Prozent. Die meisten Briefwähler der 13 Briefwahlbezirke haben dagegen die CDU gewählt. Die Christdemokraten lagen dabei um die 30 Prozent, zum Teil aber auch deutlich darüber.

Und was sagen die Politiker zum Wahlausgang in der Stadt? Nahezu einig sind sich die Vertreter der Parteien aller Couleur darin: Es waren ausschließlich bundespolitische Gründe, die zu dem Ergebnis geführt haben. Kommunalpolitische Themen haben keine oder kaum eine Rolle gespielt. Jörg Fechner, der Vorsitzende der AfD-Stadtratsfraktion, ist „sehr froh“ über das Ergebnis und freute sich besonders darüber, dass seine Partei nun noch vor der SPD die zweitstärkste Kraft in der Kreisstadt ist. Vor allem viele Arbeiter, eigentlich Klientel der SPD, hätten diesmal die AfD gewählt, weil diese sich um ihre Sorgen kümmere. Die Wahl habe auch gezeigt, die Menschen wollen eine schwarz-blaue Regierung.

Wahllokal in Bad Münster am Stein
Nürnberg Josef. Josef Nürnberg

Die AfD hat die SPD knapp überflügelt und ist nun hinter der CDU die zweistärkste politische Kraft im Stadtgebiet. Die 19,7 Prozent, die die AfD eingefahren hat, „sind verrückt“, kommentiert das Jürgen Locher, der Direktkandidat der Linken. Viele AfD-Wähler, wie zum Beispiel Arbeiter, hätten dabei sogar gegen ihre eigenen Interessen gestimmt, ist er überzeugt. „Für die Linke haben sich die Hoffnungen erfüllt, wir haben unsere Stimmen in der Stadt verdoppelt.“ In dieser Deutlichkeit habe ihn das Zulegen aber schon ein bisschen überrascht. Die SPD habe gegen den Bundestrend keine Chancen gehabt.

„Der Trend war gegen die SPD.“
Der SPD-Stadtverbandsvorsitzende Markus Below

Groß ist die Enttäuschung bei FDP und SPD: Der Kreuznacher SPD-Stadtverbandsvorsitzende Markus Below hält aber nichts von einem „hätte, wäre, wenn“: Es sei völlig offen, ob das Ergebnis anders ausgegangen wäre, wenn der SPD-Kanzlerkandidat Boris Pistorius statt Olaf Scholz geheißen hätte. „Der Trend war gegen die SPD“, erklärte er. Das zeige auch das Ergebnis von Joe Weingarten, der als Wahlkreiskandidat deutlich mehr Stimmen holte, als die SPD Zweitstimmen. Die arbeitende Bevölkerung, Arbeiter, Krankenschwestern, Feuerwehrmänner, für die sich die Sozialdemokraten einsetzen, hätten die SPD nicht mehr gewählt. Warum nicht? Diese Frage müsse sich die SPD stellen. Der Krach in den letzten beiden Wochen im Bundestag habe am Ende des Tages nur die Ränder gestärkt, genau wie die hohe Wahlbeteiligung: Der Zufluss aus den Nichtwählern sei an die AfD und die Linke gegangen.

FDP: Art und Weise des Ampelbruchs war falsch 

Auch die Liberalen sind eingebrochen. FDP -Stadtverbandschef Christoph Anheuser führt dies zum einen darauf zurück, dass die CDU wegen des neuen Wahlrechts diesmal konsequent gegen ein Stimmensplitting – Erststimme CDU, Zweitstimme für die FDP – vorgegangen sei. Doch bis zu einem gewissen Maße habe man mit einem solchen Ergebnis rechnen müssen. Die Umfragen im Vorfeld hätten schon gezeigt, dass es auch „schief gehen“ könnte. Für ihn war die Art und Weise, wie die FDP den Ampelbruch vollzogen habe, falsch: Die Bürger mussten annehmen, das sei von langer Hand geplant, die FDP der Spaltpilz gewesen. Dabei sei es darum gegangen, dass in der Regierungskoalition längst nicht mehr die richtigen Entscheidungen getroffen werden konnten.

Holste: Ergebnis der Grünen ist „dürftig“

Hermann Holste, Fraktionssprecher der Grünen im Stadtrat, beschreibt das Ergebnis seiner Partei in der Kurstadt als „dürftig“. Er habe mehr Stimmen erwartet. Das Ergebnis sei vom Bundestrend abhängig gewesen. „Das kann man vor Ort schlecht beeinflussen“, meinte er. Mit Blick auf den Stimmenanteil der AfD in der Stadt sagt der Grünen-Politiker: „Da fehlen mir manchmal die Worte.“ Kommunalpolitisch sei bei der AfD keine große Substanz vorhanden. Holste sieht den Erfolg der Partei vor allem durch die aktuelle Migrationspolitik und die damit zusammenhängende teils herrschende Unsicherheit beeinflusst.

„Ich bin zufrieden, dass wir gewonnen haben.“
CDU-Stadtverbandsvorsitzende Erika Breckheimer

„Ich bin zufrieden, dass wir gewonnen haben“, sagt Erika Breckheimer, Vorsitzende der Kreuznacher CDU, zum Ergebnis auf Stadtebene. Die CDU erreichte die meisten Stimmen mit 28,5 Prozent bei den Zweitstimmen und 30,3 Prozent bei den Erststimmen. „Ich war besonders beeindruckt vom Zusammenhalt der CDU-Familie“, berichtet sie. Der Wahlkampf war „anstrengend, aber es hat sich auch gelohnt“. Denn besonders freut sie, dass Julia Klöckner das Direktmandat im Wahlkreis gewonnen hat. „Sie ist hier stark verwurzelt“, sagt sie. Zudem sei man mit Klöckner auf der sicheren Seite, dass sie sich in Berlin für die Region einsetze. „Und die Menschen wissen das“, begründet sie den Wahlerfolg. „Mit Schrecken“ blickt Breckheimer auf das Ergebnis der AfD. Die CDU habe nun aber begriffen, dass sich etwas ändern muss. Breckheimer findet, dass viele Menschen in den vergangenen Jahren unzufrieden geworden sind und deshalb die AfD wählen, weil sie sich von der Partei einen Aufschwung erhoffen – sie sehen die AfD sozusagen als „Allheilmittel“. „Das ist sie nicht“, betont die CDU-Politikerin.

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