Diabetiker starten Selbsthilfegruppe, weil wichtige Spritzen nicht zu haben sind oder ohne Indikation in falsche Hände gehen
Diabetiker sollen sich wehren: Harter Verteilungskampf um Medikamente – auch im Kreis Bad Kreuznach
Marlene Hölz kämpft um die Versorgung von Diabetikern mit therapiewichtigen Spritzen wie Trulicity und Ozempic. Der Mangel auf dem Markt ist eklatant und gefährdet die Gesundheit vieler, sagt sie. Eine Selbsthilfegruppe soll die Interessen Betroffener laut werden lassen. Foto: Rainer Gräff
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Kreis Bad Kreuznach. Für Marlene Hölz ist das Maß voll. Die Diabetikerin ist auf bestimmte Spritzen angewiesen. Doch die sind kaum noch oder gar nicht mehr zu haben. Sie gehen ins Ausland, werden auf dem Schwarzmarkt gehandelt oder von Menschen benutzt, die sie als „Wunderdroge“ zum Abnehmen missbrauchen.

Und das mitten in Deutschland, wo nicht nur Kindermedikamente zur Mangelware geworden sind. Marlene Holz ist verärgert und will den Zustand so nicht hinnehmen. „Mich packt Angst und Schrecken“, sagt sie und wird aktiv: Die streitbare Dorsheimerin ruft betroffene Diabetiker zur Gründung einer Selbsthilfegruppe auf: „Wie Sie sicherlich schon selbst feststellen mussten, sind die Medikamente Trulicity und Ozempic bis auf Weiteres nicht lieferbar. Für uns Diabetiker, die auf diese Injektionen angewiesen sind, ist dies fatal, da es dazu keine Alternative gibt.“

Hölz hat schon alles versucht, hat Kontakte zum Pharmaunternehmen Lilly, zum Gesundheitsministerium und zum SWR hergestellt. Lilly, Hersteller von Trulicity, gab zur Auskunft, dass die Nachfrage sehr groß sei, aber auf Hochtouren produziert werde. Aber wohin wird geliefert, wenn die meisten Apotheker nur noch hilflos die Schultern zucken?

Der Nachschub stockt

Marlene Hölz spritzt einmal wöchentlich die Dosis von 3,0 Milligramm. Insulin verträgt die langjährige Diabetikerin nicht. Doch 3,0-Dosen gibt es offenkundig gar nicht mehr. So wich sie auf zwei Mal 1,5 Milligramm aus. Doch auch hier stockt der Nachschub. Um an ihre letzte verfügbare Packung zu kommen, fuhr sie bis nach Heidelberg. „Aber was machen Menschen, die alt oder nicht mobil sind?“, fragt sie.

Für Diabetiker fatal ist die Tatsache, dass der Wirkstoff in Trulicity und Ozempic auch zur Gewichtsreduzierung führt. Bei der Diagnose Adipositas ist das gewünscht. Doch rasch wurden die Spritzen als Wundermittel, „Hollywoodspritze“ und Problemlöser für Übergewichtige bekannt und begehrt. Angeblich werden auf dem US-Schwarzmarkt bis zu 1000 Dollar für eine Monatspackung gezahlt – hierzulande wird diese Packung mit 73 Euro von der Krankenkasse vergütet, hat Marlene Hölz recherchiert. Der Artikelpreis für vier Trulicity-Dosen à 1,5 Milligramm liegt bei 288 Euro.

Das Problem ist erkannt, aber nicht gelöst. Das Sachgebiet Lieferengpässe des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) beklagt den „Off Label Einsatz dieser Arzneimittel in der Behandlung der Adipositas“ und stellt klar, dass eine Verordnung außerhalb der zugelassenen Indikationen zulasten der Gesetzlichen Krankenversicherungen grundsätzlich nicht zulässig.

Apotheker zu Kontrollen aufgefordert

Es geht um die sogenannten GLP-1-Rezeptoragonisten Dulaglutid beziehungsweise Semaglutid in Trulixity und Ozempic. Apotheker sind zu Kontrollen aufgefordert. Auch das Bunkern von Arzneimittel über einen dreimonatigen Bedarf hinaus ist nicht erlaubt. Der Branchendienst „Pharmindex Gelbe Liste“ schrieb im Juli: „Aufgrund des steigenden Bedarfs an Trulicity hat der Hersteller Lilly die Direktbelieferung an Apotheken vorübergehend eingestellt. Ärzte sind dazu aufgefordert, keine Neueinstellungen oder Therapieumstellungen mit Trulicity durchzuführen.“ Reimporte über den Großhandel sind kein probates Mittel, da die begehrten Medikamente in anderen Ländern deutlich teurer gehandelt werden und zu verkaufen sind – ob als Heilmittel oder „Wunderdroge“.

„Auch wir Diabetiker haben ein Recht auf Leben“, sagt Marlene Hölz und propagiert ein Exportverbot für überlebenswichtige Mangelmedikamente. Um den Betroffenen eine Stimme und Nachdruck zu geben, möchte sie die Selbsthilfegruppe zusammentrommeln, denn „Nur gemeinsam können wir es schaffen!“

Betroffene und Interessenten an der Selbsthilfegruppe wenden sich per E-Mail an marlene-hoelz@web.de

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