Er bezwang den Mount Everest in 24 Stunden, fuhr mit Skiern ins Tal. Er kletterte in 24 Stunden vier Mal das Matterhorn rauf und runter, stand mit Messner auf sieben der 14 Achttausender. Und er hat viele gute Freunde in seiner 60-jährigen Bergsteigerkarriere verloren. Nicht zurückblicken, weitermachen, im fortgeschrittenen Alter Neues erleben, die Berge genießen, statt hochzurennen und abzuhaken. Bei vielen Bildern und Filmen, die der 68-jährige Hans Kammerlander im voll besetzten Kirner Gesellschaftshaus unter dem Motto „Am seidenen Faden“ in seiner ruhigen Art präsentierte, wurden selbst hartgesottene Kammerlander-Fans nachdenklich. Er zeigte ein Video, das ihm Freunde zuspielten. Es zeigt, wie chinesische Grenzer im Tiefschnee auf große Entfernung Menschen niederschießen. Bedrückend auch die Aufnahmen von seinem vom Blitz erschlagenen Freund Friedel Mutschlechner. Dessen Bruder Toni begleitet Kammerlander auf Vortragsreisen. Mehr als 30 sind es im Jahr.

Im Untertitel des Vortrags „Von Südtirol zum Jasemba“, dem 7350 hohen Nachbargipfel des Everest, blickt Kammerlander aus dem Ahrntal zurück auf die Erstbesteigung dieses damals höchsten unbestiegenen Gipfels. 20 Expeditionen waren gescheitert. Kammerlander erzählt von drei Anläufen, von Misserfolg, Leben und Tod, Glück und Tragödie. Beim zweiten Versuch stirbt Alois Brugger, der dritte Anlauf mit Karl Unterkircher gelingt. Der Freund stirbt später am Naga Parbat.
Ein sinnloses Tun also, die Berge rauf und runter zu rennen? Als Achtjähriger war er vom Elternhaus heimlich Touristen auf den 3060 Meter hohen Hausberg gefolgt, hatte für den Hinweis auf den Einstieg einen Apfel bekommen. Er scherzt: „Die Verführung zum Klettern begann mit einem Apfel.“ Bald ging es riskant auf Gipfel, sein Bruder meldete ihn zum Kletterkurs an, damit kein Unglück passiert. Schwierigste Gipfel wie die kleine Zinne folgten – 350 Meter ohne Seil. Höchstriskante Erstbesteigungen öffneten ihm die Türen, seine 24-Stunden-Aktionen sind Legende: Den Ortler rauf und runter, dann 250 Kilometer mit dem Rad zu den drei Zinnen mit Auf- und Abstieg. „Da darf man nicht denken,“ sagt er.

Als Bergführer und Skilehrer lernte der Südtiroler viele Touristen von der Nahe kennen, die wie Ursula Reimers aus Meisenheim Dutzende Skiurlaube in Taufers verbrachten. Etliche Fans aus dieser Zeit kamen nach Kirn, teils aus 270 Kilometern Entfernung. Fern jeder Angeberei berichtet der Extrembergsteiger von seinen Touren, streut eine Prise Humor in ernste Themen. Er hört zu, lässt sich am Büchertisch geduldig fotografieren, schüttelt Hände, erinnert sich an Touren.
So kam vor 20 Jahren der Kontakt zu Herbert Wirzius zustande. Der holte Kammerlander seit 2010 sechsmal nach Kirn. Immer war es voll und ein voller Erfolg. In zwei Jahren wieder? Zum Abschied gab es Wein für den Freund – unter anderem eine Flasche „Himmelsstürmer“. Kammerlander ist Botschafter der Soonwaldstiftung und hilft mit seiner eigenen Stiftung Kindern in Nepal. Im April weiht er eine nach ihm benannte Schule ein – sein 30. Hilfsprojekt. So passt die Benefizveranstaltung in Kirn perfekt zum gemeinsamen Bestreben, in der Region und weltweit Gutes zu tun, Popularität zu nutzen.
Kammerlander berichtet von schönen Erlebnissen mit Russen, die in der Todeszone stoisch eisigen Winden trotzen. „Wenn die aufgeben, ist es arg,“ sagt er, gönnt ihnen die Erstbesteigung und scherzt: „Sie haben mir Quälerei erspart.“ Selbstironie gehört zu Kammerlander wie Dankbarkeit, dass er lebensgefährliche Touren überstanden hat, nun beim Betrachten seiner Filme und Fotos die Naturschönheit genießen kann. Dank auch dafür, dass ihn seine 17-jährige Tochter Sarah bei Vorträgen begleitet, und dass sie Tennis spielt statt zu klettern.