Alte Bad Kreuznacher erinnerten sich, einen solch großen Auflauf für den Erhalt der Baudenkmale zuletzt in den Siebzigern, als Oberbürgermeister Peter Fink die Abrissbirne kreisen ließ, erlebt zu haben. Andreas Popp vom Verein „denk-mal: Bad Kreuznach für Denkmal- und Umweltschutz“ hatte zu dieser Demonstration unter dem Motto „Neustadt retten, Abriss stoppen“ aufgerufen. Während sich Stadträte von CDU, Grüne und auch die Linke bei der Demonstration zumindest zeigten, war die SPD abgetaucht. Insbesondere wurde Sozialdemokratin und Oberbürgermeisterin Heike Kaster-Meurer von vielen Teilnehmern vermisst, ist sie doch verantwortlich für das Baudezernat und damit auch für die Zukunft der Neustadt.
Kritik hagelte es dann auch, dass das bürgerschaftliche Engagement der Demonstranten der OB nicht einmal Wert war, einen Vertreter zu schicken. „Die heutige Veranstaltung soll ein Weckruf sein für die politisch Verantwortlichen, sich endlich einmal einzusetzen für den Erhalt der historischen Altstadt“, erklärte der Vorsitzende des Vereins „denk-mal“, Wilfried Maus. Dass es nicht immer am Geld liegt, machte Maus anhand der stockenden Sanierung des Turmes der abgerissenen Wilhelmskirche deutlich. Der Eigentümer, die Sparkasse, hat Geld, wartet auf Fördermittel. „Unsere Oberbürgermeisterin, die im Verwaltungsrat der Sparkasse sitzt, schaut zu“, sagte Maus.
In den vergangenen 30 Jahren wurde in Bad Kreuznach dem Denkmalschutz kein nennenswerter Stellenwert eingeräumt, hat Marlene Marthaler festgestellt. Dies ist auch die Auffassung von Gunhild Wolf. Die Architektin und Denkmalpflegerin war jahrelang wissenschaftliche Referentin im Westfälischen Amt für Denkmalschutz in Münster. Sie lebt seit einem Jahr in Bad Kreuznach und hat in dieser Zeit den Abriss von fünf historischen Gebäuden in der Neustadt und im Kurviertel erlebt. „Das Problem in Bad Kreuznach ist, dass es keine Denkmalpfleger im Bauamt gibt“, glaubt sie. Kritik am Bauamt, das zu einseitig auf Investoren setzt, die nur Abriss und Neubau im Blick hätten, übte auch Popp. „Man lässt die Häuser so weit runterkommen, bis sie abrissreif sind. Das hat Methode“, sagte Popp. Er glaubt, dass Investoren zwar kurzfristig Geld in den Stadthaushalt spülen, langfristig die Stadt durch die Zerstörung der historischen Bausubstanz jedoch mehr verliert, als sie gewinnt. Wie Investoren Stadtentwicklung verstehen, das zeigt laut Marthaler „das jüngste Highlight, der zuzementierte Brückes“ – das ehemalige Weingut Anheuser. Ein Projekt, das die OB als positives städtebauliches Beispiel lobte.
Um die Altstadt nicht ganz gesichtslos zu machen, sollte man zumindest die Fassade erhalten, forderte Steffen Kaul. Teils wurden Häuser wie das Gasthaus Krone abgerissen und wieder im alten Gewand aufgebaut. Neue Gebäude, die im alten Gewand daherkommen, betrachtet Historikerin Wolf durchaus skeptisch. Für CDU-Fraktionssprecher Manfred Rapp stand nach dem Rundgang fest, dass die Gebäude in der Altstadt erhalten werden müssen. Dies sieht auch sein Parteifreund, der Landtagsabgeordnete Helmut Martin, so: „Wir haben als Gesellschaft ein großes Interesse daran, Gebäude zu erhalten, die nicht nur etwas über unsere Wurzeln sagen, sondern die identitätsstiftend für unsere regionale Kultur von morgen sind“, erklärte Martin bei der Demo. Er kann sich vorstellen, dass mit der Verbesserung der Fördermittel möglicherweise ein wirksamerer Schutz historischer Gebäude einhergeht, und will sich hierfür einsetzen.