Moria im Nebelgebirge, das grausige Reich der Zwerge von Durin, wo einst das wütende Balrog-Monster über die Reichtümer der vertriebenen Zwerge wachte. Keine Sorge, wir erzählen nun hier nicht die gesamte Historie des Herrn der Ringe. Aber die Verfilmungen des literarischen Tolkien-Werks haben ja gezeigt, wie faszinierend die dunkle Innenwelt im Gestein sein kann. Solche phantastischen Innenwelten gibt es an der Nahe überall, zum Beispiel im Hahnenbachtal.
Okay, wir räumen ein, sagenhafte Gestalten tummeln sich darin nicht, und Gold haben wir bei unserem Besuch dort auch nicht gescheffelt. Wir haben zwei Stollen erkundet, und als wir mit der Bitte um Hintergrundinfo beim Landesamt für Bergbau nachfragten, war das Stirnrunzeln durch den Telefonhörer zu spüren. Man sieht das nicht gerne, wenn solche historischen Relikte des Bergbaus begangen werden. Das ist auch nachvollziehbar, denn niemand kann zu hundert Prozent ausschließen, dass hier mal ein Felsklotz von der Decke plumpst. Aus der Kirner Firma Fey, vor langer Zeit mal Eigentümer der Stollen, kommt die eindringliche Warnung, sie nicht zu betreten. Die Decken seien bröselig, es könne jederzeit etwas herausbrechen.
Und so stellt sich die knifflige Frage nach der Sicherung, nach der Verantwortlichkeit. Das ist manchmal gar nicht so einfach, denn manche Stollen sind nirgends mehr eingetragen, von ihnen weiß niemand etwas. Das dürfte für die beiden von uns inspizierten Stollen nicht gelten, sie liegen keineswegs versteckt. Wir werden aber auch keine genaue Angabe machen, wo sie zu finden sind. Wir wollen keine Massenbesuche provozieren.
Doch diese Stollen gehören eben zur kulturhistorischen Entwicklung des Nahetals genauso wie die Kyrburg oder die Ebernburg bei Bad Münster. Oder der Radonstollen von Bad Kreuznach, in dem ja zunächst Quecksilber und Kupfer gesucht wurde, bevor seine medizinischen Perspektiven die Oberhand gewannen. Und weil die Bergwerksrelikte eben historisch von Bedeutung sind, werden sie hier beschrieben.
In vielen Kirner Kellermauern zu finden
Nummer eins ist relativ unspektakulär. Der Eingang hatte mal eine Stahltür, die immer noch vorhanden ist, die aber keineswegs schließt. Sie hängt mehr oder weniger lose im Eingangsbereich. Auf den ersten Metern sieht man schon, um was es hier ging – nämlich um den Dachschiefer. Die Firma Fey hat aus dem Hahnenbachtal Schiefer geholt, der dann zu den Steinen wurde, die heute in vielen Kirner Kellermauern zu finden sind.
Rechts und links des gut einen Meter breiten Gangs liegen gehäufte Schieferplatten. Der Schiefer ersetzte in Plattenform einst die Strohdächer, die einfach zu schnell abfackelten, wenn das Feuer in den Hütten brannte. Also ging man zum Schiefer über. Und der Hunsrücker Schiefer war leicht zu spalten, von guter Qualität, also ließ er sich vermarkten. Gigantische Geschäfte waren aber schwierig, denn die Abbaustellen im Hahnenbachtal lagen weit von der Mosel-Schiffahrt und der Nahe-Eisenbahn entfernt, und es war sehr aufwändig, die Schieferplatten auf schwerbeladenen Gespannen hinunter nach Kirn zu kutschieren.
Mehrere Meter hohe Decke
Interessant ist, dass sich im Gang rechts wie links plötzlich Hallen auftun, aus denen der Schiefer gebrochen wurde. Die Decke ist hier plötzlich nicht gut mannshoch, sondern mehrere Meter hoch. Auch am Ende des Stollens findet sich ein großer Raum.
Der zweite Stollen ist beeindruckender. Es geht etwa 80 Meter durch einen schmalen Gang hinein, am Boden noch die verrosteten Schienen für die Gefährte, mit denen der Schiefer hinausbefördert wurde. Nach einigen Metern öffnet sich rechter Hand ein Raum, der allerdings schon ordentlich verschüttet ist. Kurz darauf, nach insgesamt rund 30 Metern, geht es in einem Gang rechtwinklig links ab. Es geht leicht bergab, und nach rund 50 Metern steht man in einer gigantischen Halle unter der Erde. Übrigens haben wir hier einige Teelichter drapiert gesehen, es sind also auch andere Menschen hier auf der Suche...
Kabel, Zahnräder, sonstiges Geschirr
Wieder zurück zum Hauptgang mit dem Gleis und weiter hinein ins Gestein. Überall liegen hier alte Metallreste herum, ob Kabel, Zahnräder, sonstiges Geschirr. Nach rund 15 Metern teilt sich das Stollenwerk auf. Die Gleise führen in einer rechtwinkligen Kurve nach links. Geradeaus führt ein sehr niedriger und schmaler Gang etwa 20 Meter weiter, dann ist Ende. Wer an der Kreuzung nach rechts geht, steht gleich in einer großen Halle, aus der es nicht weitergeht.
Wer den Gleisen durch die Kurve nach links folgt, der steht nach rund 50 Metern in einer riesigen Halle. Sie ist sicher zehn Meter hoch, und was besonders interessant ist: Man steht plötzlich an der Kante eines Abbruchs, wo es einige Meter senkrecht nach unten geht. Gesichert ist hier nichts, wer hier danebentritt, fällt tief. Unten liegen übrigens auch Schienen, wir konnten aber nicht erkennen, ob es dort einen weiteren Zugang gibt oder ob die Metallkörper hinabgeworfen wurden. Was aber zu sehen ist: Links in der Felswand über dem Abgrund ist ein Loch – hier führt ein Gang also mehrere Meter über dem Boden in den Fels. Er ist im unteren Teil zugemauert worden, wahrscheinlich damit niemand hinabplumpst. Aber wohin dieser Gang führt, bleibt ein Geheimnis.
Mehrere Namen getragen
Wir haben nun wirklich geforscht, wie denn diese Gruben heißen könnten. Doch wir haben nichts gefunden. In Bundenbach gibt es einen Kenner, der sogar mal ein Buch zu den Stollen schreiben wollte. Nämlich Wanderführer Michael Brzoska aus Bundenbach. Seiner Kenntnis nach sind diese kleinen Stollenwerke meist von Familienbetrieben ausgebeutet worden, die Stollen wurden dann eben nach der Familie genannt, also zum Beispiel „Müllergrube“. Und wenn der Stollen den Besitzer wechselte, wurde auch der Name geändert. Viele der keinen Stollen im Hahnenbachtal hätten also schon mehrere Namen getragen, und je nachdem, wen man frage, so werde ein anderer Name genannt.
Der aufwändige und kleinstrukturierte Schieferbergbau im Hahnenbachtal konnte bald nicht mehr mit den großen Betrieben von außerhalb konkurrieren, die Stollen wurden aufgegeben. Michael Brzoska weist darauf hin, dass gerade durch die manchmal hektische Aufgabe der Stollen auch Gefahren geschaffen wurden – es wurde schnell alles herausgeholt, was eventuell noch Geld bringen konnte, und auf Sicherungen wurde nicht mehr geachtet.
Das ändert nichts daran, dass diese menschgemachten Löcher im Gestein wohl noch einige Jahrtausende erhalten bleiben werden, vielleicht Jahrmillionen. Möglicherweise ist der Mensch als Lebewesen dann fort, und zwergige Kreaturen bevölkern die Hahnenbach-Klüfte. Okay, das war jetzt gesponnen...