Von unserem Redakteur Olaf Paare
Wir schreiben Pfingstmontag, den 9. Juni 2003, und schauen ins Kirner Lohstadion. An der Nahe wird das Finale um den U 20-Länderpokal des Deutschen Fußballbunds ausgetragen. Der Südwesten als Gastgeber empfängt Niedersachsen – mit einem Innenverteidiger namens Per Mertesacker von Hannover 96.
Beide Teams hatten damals bei der traditionellen Talenteschau in Duisburg-Wedau die ersten beiden Plätze belegt, nun ging es um den begehrten Pokal. Der Südwesten war großer Außenseiter, hatte zuvor nur zu guten alten Jürgen-Wilhelm-Zeiten gesiegt.
Ich hatte von Beginn an ein Auge auf Mertesacker geworfen. Er stammt schließlich aus Pattensen, gute Freunde von uns kommen aus dem benachbarten Wennigsen – die ganze Deisterregion war schon damals heiß auf das Megatalent. Was ich dann aber in Kirn sah, stellte mich nicht zufrieden.
Die Niedersachsen-Abwehr glich eher dem Modell Hühnerhaufen denn einem Bollwerk. Zum Schreckgespenst des 18-jährigen Mertesacker wurde im Lohstadion Florian Herzog. Der damalige Stürmer des SC Idar-Oberstein, zuletzt als Torjäger des Bollenbacher SV in Sachen Aufstieg in die Bezirksliga an der SG Weinsheim gescheitert, spielte Mertesacker Knoten in die Füße und erzielte beide Treffer. 2:2 endete die Partie nach 90 Minuten. Anschließend ging es ins Elfmeterschießen. Und der Südwesten triumphierte.
Debüt vor 100 000 Zuschauern
Mertesacker unterlag, doch es warf ihn nicht aus der Bahn. Kurze Zeit später stieg er in den Bundesligakader von Hannover 96 auf, im November 2003 schnupperte er erstmals unter dem damaligen Trainer Ralf Rangnick Erstliga-Luft. 15 Monate nach dem Spiel in Kirn feierte er mit 20 Jahren und einem Monat sogar sein Debüt in der Nationalmannschaft. Vor 100 000 Zuschauern in Teheran gegen den Iran. Am Samstag gab es ein außergewöhnliches Jubiläum zu bestaunen, spielte er gegen Ghana zum 100. Mal in der A-Nationalmannschaft.
Aus der Südwestauswahl hat es übrigens niemand auf die große Bühne geschafft. Andreas Schäfer absolvierte immerhin mehr als 100 Zweitligaspiele. Ebenfalls im Südwestkader standen der Winzenheimer Eric Wischang (damals 1. FC Kaiserslautern, heute SVA Waldalgesheim), Pascal Geibel, der vergangene Saison beim Bezirksligisten FC Brücken überzeugte, Pascal Rück, der Kotrainer des SV Alemannia Waldalgesheim, und Marc Krög, der Spielertrainer der TSG Planig. Er verwandelte im Elfmeterschießen den letzten, entscheidenden Strafstoß zum Sieg der Südwestler.
Ich war damals in Kirn für die Nahe-Zeitung, den Oeffentlichen Anzeiger vertrat Volontär Dirk Eberz. Die Partie beschäftigt uns noch heute. Wenn wir uns im Mutterhaus in Koblenz begegnen, dann begrüßen wir uns stets mit den Worten: „Da kommt der Entdecker von Per Mertesacker ...“ Die Weltkarriere von Mertesacker war damals sicher noch nicht zu erahnen gewesen, mittlerweile ist der Niedersachse ja auch auf Vereinsebene durchgestartet. Über Werder Bremen ging es zum FC Arsenal.
Die Londoner genossen vor einigen Jahren übrigens ebenfalls Bad Kreuznacher Luft, absolvierten ein mehrtägiges Trainingslager an der Nahe.
Für Leckie ist WM schon zu Ende
Die guten Bedingungen wissen auch andere Vereine zu schätzen. Der FSV Frankfurt steigt regelmäßig an der Nahe ab, zuletzt sogar zu einem Krisen-Trainingslager, als der Abstieg aus der Zweiten Liga drohte. Zum Aufgebot des Zweitligisten zählte damals auch Matthew Leckie, einer der wenigen WM-Lichtblicke bei den Australiern. Beim Fürstenhof-Cup am 12. Juli im Moebus-Stadion wird er nicht mehr zum FSV-Team gehören, er ist mittlerweile nach Ingolstadt gewechselt. Die WM ist für Leckie auch schon zu Ende.
Im Gegensatz zu Per Mertesacker, der will seine Laufbahn mit dem Weltmeisterpokal krönen. Und dann ließe sich auch der Ausrutscher von Kirn verschmerzen ...