1995 öffnete die CJD (Christliches Jugenddorfwerk Deutschlands) Niedermühle in Odernheim am Glan die Abteilung Suchtprävention des Christlichen Jugenddorfes Wolfstein. „Seitdem“, schrieb Katharina Birk, Leiterin der Niedermühle in ihrer Einladung zur Feier des 30-jährige Jubiläums, „unterstützen wir Jugendliche auf ihrem Weg zur Abstinenz.“ Die Niedermühle hat, so Birk, den klaren Auftrag Jugendlichen zu helfen, ihre Drogensucht zu bekämpfen und ihr Leben neu zu ordnen.
Zahlreiche derer, denen auf der Niedermühle geholfen werden konnte, waren zum Fest gekommen. Im Hof der Niedermühle dann, war es wie ein riesiges Familienfest: „Mensch, wie lang das her ist?“, „Wann war das, dass wir uns das letzte Mal gesehen haben?“ „Ach Du!“ und „Weißt Du noch?“ Nicht allein ehemalige Bewohner, auch Mitarbeiter kamen aus der Wiedersehensfreude kaum heraus.

Dass es zum Feiern auch mitreißende Musik gab, dafür sorgte die Niedermühle selbst. Einen Extra-Dank hatte Birk für ihre tolle Band. Schon weit im Voraus hatte es bei Übungssessions durch die Mauern geklungen. Eine CJD-Eigenproduktion, wenn man von Keyboarder Matthias Knierim absieht, der derzeit als Musiklehrer in Bad Sobernheim aktuell nicht zum Team gehört. Markus Schmitz am Bass, Andreas Mohr an der Gitarre und Alex Wagner am Schlagzeug wussten ebenso zu überzeugen, wie die Sängerinnen Kim Schild, Jacqueline Vonhof und Michele Duby. Und ein weiteres Highlight steckt ebenfalls darin. Schlagzeuger Alex Wagner war der Einzige, der die dreißig Jahre auch als sein persönliches Jubiläum feiern konnte.

Noch länger mit der Niedermühle verbunden ist Manfred Allenbacher. Eigentlich hatte sein Interesse an der Mühle zunächst einzig der Energiegewinnung gegolten. Doch als sich mit dem CJD Jugenddorf Wolfstein als langfristigem Mieter eine neue Nutzung abzeichnete, ging man zügig gemeinsam an Wieder- und Neuaufbau, wie es die Bedürfnisse erforderten. Im Großen seien die Renovierungsarbeiten der Gebäude abgeschlossen gewesen, erinnert sich Allenbacher. Doch ist er auch weiter nicht untätig. Das CJD setzt in seiner Zukunft auf E-Mobilität. Die Ladestationen sind eingerichtet. Nebenher ist dabei eine imposante Grillstation mit Überdachung im Freien entstanden.

Passender als mit dem wunderbaren Mutmachlied von Stoppok „Mal dein Herz mit Farbe an!“ hätte die Haus-Band diese 30 Jahr-Feier des CJD Odernheim nicht beginnen können. „Breit´ die Arme aus und zeig der Welt dein Werk!“, heißt es dann weiter „Hauptsache Dein Herz singt“, und manch eine, manch einer konnte dabei zufrieden mitsummen. Von der Gesamtleitung des CJD Rheinland-Pfalz war Kerstin Wuthe gekommen. Sie übernahm die „Besinnung“, das ist ein kurzes Nachdenken über ein biblisches Wort. Denn das „C“ im CJD wird auch gelebt.
Die Hauptarbeit an der Niedermühle müsse jeder selbst leisten, befand Landrätin Bettina Dickes, die schon lang mit der Arbeit des CJD am Fuße des Disibodenbergs vertraut ist. Gepäppelt oder gepämpert würden die jungen Menschen hier nicht. Was es koste, den Weg zu gehen, sich aus den Abhängigkeiten der Sucht zu befreien, könnten Nichtbetroffene kaum beurteilen. Man sei in einen Zug eingestiegen und plötzlich gehe es um den Absturz des ganzen entkoppelten Waggons. Da sei ein klares Wertegerüst gefragt, aufrechte Menschen, wenn so viel Vertrauen verloren gegangen sei.

Eine Einschätzung, die Katrin, vor 20 Jahren Bewohnerin der Niedermühle nur teilen kann. Auch bei ihr ging es ums Ganze. Mit 16 zu Hause rausgeworfen, Schule ohne Abschluss abgebrochen. Die Noten auf der Realschule hatten nicht einmal mehr für einen Hauptschulabschluss gereicht. Erst in Wolfstein beim CJD untergekommen, dort erst einmal wenigstens den Schulabschluss erreicht, dann aber auch von dort weitergereicht, schließlich letzte Chance Niedermühle. Auch das nicht einfach so. Drei Anläufe, zwei Rückfälle, habe sie gebraucht, bis sie endlich reif dazu gewesen sei, die Chance zu ergreifen. Reif überhaupt die Gefahr zu sehen, reif die eigene Sucht anzuerkennen. Dann habe sie alles daran gesetzt, dass der damalige Leiter Uwe Bach sie überhaupt noch ein drittes Mal hatte aufnehmen wollen. Zwei Monate Entgiftung und Klinik vorab, und ein langer, ernster durchdachter Brief hatten Bach schließlich überzeugt und er wurde nicht noch einmal enttäuscht. Die dritte Chance hatte sie auf die Spur gebracht und auf dieser Spur sei sie geblieben. Dinge selbst in die Hand zu nehmen, nicht laufen lassen. Lernen war nun das Ziel.

Erst absolvierte sie erfolgreich die Ausbildung zur Bürokauffrau im CJD. In vier Jahren Abendschule neben der Arbeit war die Ausbildung zum Betriebswirt der nächste Schritt. Weiterbildungen als Qualitätsmanagerin, Ausbilderprüfung, Exportmanagerin und Führungskraft bei der IHK folgten. Heute ist sie Teamleiterin in einem produzierenden Lebensmittelbetrieb mit 550 Mitarbeitern und schaut dankbar auf die Zeit in der Mühle zurück, ein Blick in die alten Zimmer, und auch ihre noch heute beste Freundin stammt aus Mühlenzeiten und war ebenfalls zum Feiern gekommen.