Gisela Kraus (Geburtsname, bürgerlicher Name der Redaktion bekannt), am 4. Mai 1927 geboren, ist 98 Jahre alt. Den Zweiten Weltkrieg erlebt sie in Bad Sobernheim – bis das Haus ihrer Familie am 5. Januar 1945 ausgebombt wird. Alles liegt in Schutt und Asche. Kraus selbst wird unter den Trümmern verschüttet, zwei Personen kommen ums Leben. In einem Brief an ihre Schwester hat sie dieses prägende Ereignis festgehalten.

„Das Fensterklirren höre ich heute immer noch“, sagt die 98-Jährige. Auch erinnert sie sich an den schwarzen Mantel, den sie am Tag des Bombeneinschlags trug, der aber in den Trümmern blieb. „Den Mantel habe ich später wieder gefunden und im Schnee ausgeklopft.“ So habe sie das Kleidungsstück wieder tragen können.

Wenige Tage nach dem Bombeneinschlag schreibt die damals 17-jährige Kraus einen Brief an ihre Schwester. Die ist zu diesem Zeitpunkt als Rote-Kreuz-Schwester in Neckargemünd im Lazarett und weiß bis dahin nichts von den Ereignissen in der Heimat.
Brief zum Bombeneinschlag im Januar 1945
Sobernheim, den 11. Januar 1945
Liebe Hilde!
Ich muss Dir die traurige Mitteilung machen, dass wir am Freitag den 5. Januar um 12:30 Uhr mittags das Unglück hatten und total ausgebombt wurden. Wir sind dankbar, dass wir mit dem Leben davon gekommen sind, obwohl das ganze Haus in eine Trümmerstätte verwandelt wurde. Elfriede, die ihr Essen nicht annahm und nach dem Keller verlangte, sind wir in den Keller gegangen, es war höchste Zeit, denn Papa hatte Elfriede gerade in den Sessel gesetzt. Ich war noch auf der Treppe, da folgte schon der Einschlag, ich selbst wurde die Treppe hinunter geschleudert und von dem Geröll verschüttet. Die Luxemburger Frau Zahn und ein bekannter der Familie Zahn wurden mit den Mauerresten auf die Straße geschleudert und waren sofort tot. Herr Zahn mit seinen drei Kindern, Familie Hamm und Frau Greulach wurden nicht verletzt, da sie bereits im Keller waren. Ein Glück war, dass Papa von Bingerbrück zu Hause war, so waren wir nicht allein, als die Bomben fielen. Lb. Hilde es ist nicht nötig, dass Du hierher kommst und Dich in Gefahr auf der Bahn begibst (Tiefflieger). Familie Nagel hat uns bei sich aufgenommen, bis wir eine Wohnung haben. Herr Heidrich will uns eine Wohnung besorgen. Familie Heidrich wurde auch ausgebombt, sie haben alles verloren. Auf unser Haus fielen zwei Brandbomben und ein Volltreffer, in kurzer Zeit lag das Haus in Schutt und Asche. Es wurden mehrere Häuser und Scheunen vernichtet bzw. abgebrannt, darunter die Turnhalle, Parteiheim, welche uns das Unglück brachte (Reifenlager). Die Apotheke Melsbach, Bäckerei Bohn, Gärtnerei Müller, Familie Steiner, und in der Bahnhofsstraße sieht es sehr schlimm aus, denn es wurden Bombenteppiche geworfen. Es gab 10 Tote, darunter Herr Förster Simon. Lb. Hilde, wir sind froh, dass wir noch am Leben sind. Elfriede hat uns das Leben gerettet, wir müssen dankbar sein.
Sei für heute recht herzlich gegrüßt von Deinen Lieben. Gisela, Papa, Mama, Elfriede, Gretel, kl. Hilde u. Wolfgang
Auch danken wir für das Päckchen, den Brief gebe ich dem Feldwebel mit. Rege dich ja nicht darüber auf.