Tourismus Fünf hauptamtliche Bürgermeister des Kreises Birkenfeld fordern "Umverteilung der vorhandenen Ressourcen"
Brandbrief aus dem Birkenfelder Land: Abkehr von der Naheland-Touristik
Stefan Munzlinge

Kreis Bad Kreuznach/Birkenfeld. Brandbrief aus dem Kreis Birkenfeld: Fünf Bürgermeister fordern eine Neuaufteilung der Mittel für den Tourismus. Läuten Sie damit etwa das Ende der von den Kreisen BIR und KH und 21 weiteren Gesellschaftern finanzierten Naheland-Touristik in Kirn ein?

Blick über die Kreisgrenze nach Birkenfeld: Am Ende des Kreisausschusses gab Landrat Matthias Schneider (CDU) vor wenigen Tagen den nächsten Sitzungstermin bekannt: Montag, 9. April. Dann soll – darauf drängte der Birkenfelder VG-Bürgermeister Bernhard Alscher (Freie Liste) – auch ein Schreiben der VG-Bürgermeister Bernd Alsfasser (Baumholder, Freie Liste), Alscher (Birkenfeld), Uwe Weber (Herrstein, SPD), Georg Dräger (Rhaunen, parteilos) sowie Oberbürgermeister Frank Frühauf (Idar-Oberstein, CDU)) an den Landrat diskutiert werden, in dem die Spitzen der Kommunen „ein Umdenken beim Tourismus“ fordern. Die fünf Hauptamtlichen betonen, dass diese Aufgabe im Nationalpark-Kreis „nur gemeinsam zu bewerkstelligen“ ist. Aufgaben, Rollen und Ressourcen müssten neu bewertet und verteilt werden, um gemeinsam definierte Themenfelder wie Nationalpark, Wandern, Biken, Edelsteine/Erdgeschichte bestmöglich bearbeiten und entwickeln zu können. Landrat Schneider wird gebeten, „uns bei diesem Weg zu unterstützen und zu begleiten, indem Sie als Teil dieser Gemeinschaft für die gemeinsame Sache Ressourcen (finanzielle wie personelle) zur Verfügung zu stellen – unter Neuzuordnung und Umverteilung der vorhandenen Ressourcen wie den Mitgliedsbeiträgen zur Naheland-Touristik“. Gemessen an den reinen Größenordnungen bringt der Kreis Bad Kreuznach weniger in die Naheland-Touristik (NLT) ein, zahlt seit 2015 exakt 175.890 Euro pro Jahr, der kleinere Kreis Birkenfeld ist mit 134.076 Euro dabei. Das Gesamtbudget der NLT liegt bei jährlich rund 600.000 Euro. Käme es zur Umsetzung des Bürgermeister-Willens wäre das das Aus für die Naheland-Touristik; zum einen, weil nur noch das halbe Naheland in ihr vertreten wäre, zum anderen, weil ihr ein Viertel der heutigen Mittel entzogen würde.

Im Brandbrief der fünf Bürgermeister heißt es ausdrücklich: „Die touristische Vermarktung der Nationalpark-Region wird von den Strukturen zurzeit nicht ausreichend umgesetzt, eine inhaltliche Abstimmung mit allen Beteiligten ist nicht gegeben.“ Weiter heißt es: „Wir erwarten, dass der Kreis Birkenfeld die Wünsche der Kommunen aufgreift, um so zu einer positiven wirtschaftlichen Entwicklung der Region beizutragen.“

Bernhard Alscher, der mit seiner Verbandsgemeinde Birkenfeld bereits vor einigen Jahren aus der Naheland-Touristik ausgetreten ist, drängt darauf, das Thema noch vor den Sommerferien zu behandeln, damit die Gesellschafterversammlung der NLT, die im Herbst tagt, genügend Zeit habe, sich auf die neue Situation einzustelle.

Hans Jürgen Noss, SPD-Kreischef und -kreistagsfraktionschef sowie Landtagsabgeordneter meinte, über das Thema müsse auch der Kreistag Birkenfeld beraten – „unabhängig vom Brief der VG-Bürgermeister“.

Ziel: Jeder zahlt nur für sein Fremdenverkehrsprodukt

Dem Brandbrief der fünf hauptamtlichen Bürgermeister des Birkenfelder Landes folgt der Rettungsversuch der Landrätin: „Es ist nachvollziehbar, dass alle Akteure wissen möchten, wo die Mittel der Naheland-Touristik eingesetzt werden“, erklärt Bettina Dickes (CDU). Im Brief der Fünf sehe sie aber nicht etwa einen Angriff auf die Existenz der Naheland-Touristik, sondern die berechtigte Aufforderung, neue Strukturen in der NLT zu etablieren. Aus der Naheland-Touristik auszutreten, sei im Schreiben an Landrat Matthias Schneider nicht gefordert.

Seit mehreren Monaten schon führe sie intensive Gespräche mit Tourist-Infos und weiteren lokalen Leistungsträgern, sie habe das Thema zur Chefsache erklärt. „Die Gespräche haben mir bestätigt, dass der Wunsch nach einem schlagkräftigeren Marketing besteht und eine Notwendigkeit zur intensiveren Vernetzung gesehen wird.“ Einen großen Verbesserungsbedarf – fernab der Naheland-Touristik – habe sie in der Vernetzung des gastronomischen Angebots festgestellt, „damit wir den Touristen zu jeder Zeit etwas bieten können“. Um eine tragfähige Struktur zu entwickeln, müssten alle touristischen Akteure eingebunden werden – auch die ganz großen, die als wichtige Werbeplattform der Region dienen, findet Dickes.

Das decke sich auch mit den Aussagen des Landes zu seiner künftigen Tourismusstrategie: Man brauche ein Dach für eine gemeinsame Vermarktung. Es gebe sehr deutliche Hinweise, dass das Land eher auf größere, denn auf kleinere Strukturen setze, wodurch kreisinterne Lösungen überhaupt nicht zielführend sein könnten.
Auf Grundlage vieler Eindrücke und Parameter wolle sie Ideen für neue Strukturen durchdenken. Erst nach einem solchen Prozess könne man über künftige Strukturen entscheiden, so Dickes: „Erst müssen wir klären, was wir wollen. Danach können wir debattieren, wie die Umsetzung aussehen soll.“

Die Landrätin spricht sich eindringlich für den Erhalt der Naheland-Touristik aus, jedoch mit deutlich geänderten Strukturen. Sie müsse als Dachmarke erhalten bleiben, die etwa das Förderantragswesen bediene und den verschiedenen Produkten zuteile. Ihr würden mehrere Säulen unterstehen, die Produkte wie den Nationalpark oder den Hildegardweg trügen. „Jedes Produkt verfügt über einen Finanztopf, in den nur die an diesem touristischen Produkt beteiligten Kommunen einzahlen“ – die an den Nationalparks grenzenden Kommunen in den Topf Nationalpark, jene am Hildegardweg in diesen Topf usw.

Auf diesem Wege wüssten alle Partner, wo ihre Mittel landeten und wer Ansprechpartner für das jeweilige Produkt ist. Das fördere die Identifikation mit dem Thema und der Region, zumal die Mitarbeiter nicht unbedingt in Kirn, sondern auch vor Ort sitzen könnten. Die konkrete Umsetzung dieser Idee müsse nun debattiert werden.
Aufgabe aller sei, bei der Klausurtagung im Juni zu definieren, welche Produkte wie intensiv beworben werden sollen und welche Strukturen notwendig sind. In einer zweiten Klausur nach den Sommerferien würden die Ergebnisse konkretisiert. Dickes: „Es ist die Aufgabe aller, die künftige Konzeption der Naheland-Touristik zu erarbeiten, Finanzpläne zu erstellen und Beschlüsse herbeizuführen.“

Gemeinsamer Nationalpark sollte Naheland-Touristik sichern helfen

Der Kreistag Bad Kreuznach hatte einst beschlossen, den Nationalpark zwischen den Kreisen KH und BIR anzulegen, um die touristische Region zusammenwachsen zu lassen. Bei seiner Suche nach einem Standort habe das Land diesen Vorschlag abgelehnt. Ziel des Kreistages KH war, durch den gemeinsamen Nationalpark die Zerschlagung der Naheland-Touristik zu vermeiden. Wie begründet diese Befürchtung war, zeige die laufende Debatte, so Landrätin Dickes.

Kommentar von Stefan Munzlinger

Jetzt ist es amtlich: Das Nationalparkland will der VG Birkenfeld folgen und raus aus der „ungeliebten“ Naheland-Touristik. Mit ihrem Brandbrief setzen die fünf Bürgermeister Landrat und Christdemokrat Schneider unter Druck – und Schneiders „Schmusekurs“ mit den Bad Kreuznachern um Landrätin Bettina Dickes (CDU) ein Ende. Sie wollen das wenige Geld lieber vor der eigenen Haustür einsetzen statt es entlang der Nahe für alle möglichen Projekte jenseits von Edelsteinen und Nationalpark zu verbraten. Dieser Kurs ist fatal: Weil im Tourismus heutzutage nur die großen Räume zählen, nicht die Inseln irgendwo im Niemandsland.

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