Wirtschaftspolitischer Vortrag der Sparkasse mit 600 Gästen -"Abschiedsvorstellung" für Vorstandschef Peter Scholten
Blick auf die Gesellschaft in schwieriger Zeit: Chefin der Wirtschaftsweisen gastiert in Ingelheim
Foto zwischen Pressekonferenz und Saalveranstaltung mit (v.l.) Vorstandsmitglied Steffen Rosskopf, Vorstandsvorsitzendem Peter Scholten, Wirtschaftsweiser Monika Schnitzer, Moderatorin Gundula Gause, Landrätin Bettina Dickes, Vorstandsmitglied Jörg Brendel und OB Ralf Claus. Foto: Rainer Gräff
Rainer Gräff

Ist denn alles nur noch Krise? Ganz so schlimm sind weder die Lage noch die Aussichten, so der Tenor beim 37. Wirtschaftspolitischen Vortrag der Sparkasse Rhein-Nahe unter der Überschrift „Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg, Inflation: Eine wirtschaftspolitische Zeitenwende?“

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Nach drei Jahren pandemiebedingter Abstinenz mit „Flucht“ ins Digitale fand die traditionsreiche wirtschaftspolitische Veranstaltung wieder mit Publikum und im persönlichen Austausch statt. Mehr als 600 Gäste waren der Einladung gefolgt und in die kING Kultur- und Kongresshalle in Ingelheim gekommen. Wie stets gab es hochkarätiges Expertenwissen.

Markante Analysen und Thesen zur Energiekrise

Zu Gast war als Rednerin diesmal Prof. Dr. Dr. h.c. Monika Schnitzer, aktuell Vorsitzende des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung – bekannt als die „Wirtschaftsweisen“. Deren Gutachten war im November mit „Energiekrise solidarisch bewältigen, neue Realität gestalten“ überschrieben und hatte wie üblich nicht nur Zustimmung hervorgerufen. Schnitzer stellte markante Analysen und Thesen vor.

Gundula Gause moderierte die Diskussion

Gundula Gause, bekannt aus dem ZDF-heute-Journal, moderierte wieder durch den informativen Abend. Für die humorvollnachdenkliche Unterhaltung sorgte Kabarettist und Karnevalist Lars Reichow. „Die Lage ist wirklich schwierig“, konstatierte die Wirtschaftsweise. Eigentlich sei die aktuelle Lage und wirtschaftliche Stimmung im Land besser als erwartet. Die Konsumzurückhaltung gehe zurück. Zugleich sänken die Reallöhne angesichts der Inflation: „Pandemie und Krieg führen zu einem Wohlstandsverlust.“ Eventuell, meinte Schnitzer, wäre für ein weiteres Jahr das Aussetzen der Schuldenbremse richtig gewesen.

„Man muss die Reichen mehr belasten“

Ihre Meinung ist ebenso klar wie umstritten: „Man muss die Reichen mehr belasten.“ Es wäre besser gewesen, den Spitzensteuersatz anzuheben, statt Entlastungen mit der Gießkanne auszuschütten. Diese Entlastungen träfen auch die „Falschen“, sprich Vermögenden.

Die Bad Kreuznacher Landrätin Bettina Dickes vermisst im Land den Mut, andere Wege zu gehen. Sie befürchtet ein Auseinanderdriften und -brechen der Gesellschaft. Ingelheims Oberbürgermeister Ralf Claus warnte vor einer „tickenden Zeitbombe“, weil die Politik nicht mutig genug sei angesichts der Problemen bei Demografie und Rente. Er appellierte, die Kommunen funktionierend zu halten. Solidarität sein ein zentrales Thema, „Umverteilen wäre notwendig als Signal“.

Peter Scholten bat Ehrengäste auf die Bühne

Der Vorstandsvorsitzende der Sparkasse Rhein-Nahe, Peter Scholten, bat im Plenum die Ehrengäste auf die Bühne. Bettina Dickes, ihre Landratskollegin Dorothea Schäfer (Mainz-Bingen) sowie Ralf Claus berichteten über die aktuellen Herausforderungen wie Fachkräftemangel und die angespannte Wohnraumversorgung. Es sei eine teilweise ängstliche und mutlose Gesellschaft zu beobachten. Daher solle vor allem Mut gemacht und das Vertrauen in den Staat gestärkt werden.

In ihrem 30-minütigen Vortrag fasste Monika Schnitzer die Inhalte des 459-seitigen Jahresgutachtens 2022/23 zusammen. Seit mehr als 20 Jahren ist sie in der Politikberatung aktiv. Der Sachverständigenrat schätzt, dass das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Deutschland in diesem Jahr nur noch um 1,7 Prozent steigt, für 2023 erwartet er einen Rückgang des BIP von 0,2 Prozent.

Lars Reichows Lied über die Jahreszeiten

Nach der Fülle an Informationen und Zahlen sorgte Lars Reichow mit seinen unterhaltsam-ironischen Vorträgen für Lacher. Sein „Lied über die Jahreszeiten“, der „Deutschland-Blues“ und die Zugabe „Fußball in der Wüste“ begeisterten die Zuhörer. Peter Scholten zählt auf Optimismus statt auf „Deutschland-Blues“: „Die Menschen fahren derzeit auf Sicht, und die Banken tun das auch. Wir als Sparkasse werden zumindest für das Jahr 2023 Konsolidierung benötigen. Die Planungen zeigen ab 2024 wieder ‚normale Zeiten‘.“

Scholten geht im Sommer 2023 in Rente

Für Scholten war dies der letzte wirtschaftspolitische Vortrag als Vorstandsvorsitzender. Nach 18 Jahren bei der Sparkasse Rhein-Nahe geht er im Sommer in den Ruhestand. Er übergebe ein „besenreines Haus“, wie er betonte. „Zwar hätte ich mir bessere Zeiten für mein Ausscheiden gewünscht. Aber ich kann auf 18 gute Jahre mit viel Freude bei der Sparkasse Rhein-Nahe zurückblicken.“

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