Am 4. Juni wurde eine Frau im Kreisgebiet durch einen Anruf in helle Aufregung versetzt. Ein Polizeibeamter meldete sich bei ihr und teilte ihr mit, dass ihr Sohn einen schweren Verkehrsunfall verursacht habe, bei dem ein Kind ums Leben gekommen sei. Ihr Sohn müsse ins Gefängnis, es sei denn, sie könne eine Kaution zahlen. Wenig später übergab sie vor dem Justizzentrum in Bad Kreuznach einem vermeintlichen Boten ein Kuvert mit 18.000 Euro. Jetzt muss sich dieser Bote, ein 37-jähriger polnischer Koch, vor dem Amtsgericht Bad Kreuznach wegen Betrugs verantworten.
Anruf versetzt Frau in Panik
Durch den Anruf war die Frau in absolute Panik geraten, was sich noch verstärkte, als man sie kurz mit ihrem Sohn sprechen ließ. „Mama, du hilfst mir doch“, hörte sie eine männliche Stimme sagen und sie war überzeugt, die Stimme ihres Sohnes erkannt zu haben. Sie ließ sich durch den falschen Polizisten entlocken, wie viel Geld sie in kurzer Zeit auftreiben kann, und der Anrufer setzte sie unter Druck, nun müsse alles ganz schnell gehen. Daraufhin fuhr sie zur Bank und ließ sich ein Guthaben von ihrem Sparbuch auszahlen. Während der ganzen Zeit hielten die Betrüger telefonisch Kontakt zu ihr, dirigierten sie weiter zum Justizzentrum in der John-F.-Kennedy-Straße, wo der „Polizist“ das Geld in Empfang nehmen wollte. Bei ihrer Aussage vor dem Schöffengericht des Amtsgerichtes stand die Frau deutlich unter dem Eindruck des Schreckens, in dem man sie damals versetzt hatte.
Sie wollte auch zunächst ihre Aussage audiovisuell in einem anderen Raum des Gerichtsgebäudes machen, weil sie die Wiederbegegnung mit dem Angeklagten vermeiden wollte. Da die Anlage aber nicht funktionierte, machte sie ihre Aussage doch, unter Begleitung einer Opferschutzbeauftragten, im Gerichtssaal. Mit stockender Stimme berichtete sie, dass sie am Justizgebäude zunächst misstrauisch wurde, weil der „Bote“ keine Polizeiuniform trug und mit Krücken auf dem Gehweg stand. Fast wäre der Betrug hier aufgeflogen, aber auch diese Panne wurde von den Anrufern im Callcenter behoben. Der Gesprächspartner der Frau wurde vermutlich durch einen Komplizen aufgeklärt, der wiederum den Geldabholer telefonisch zum Justizzentrum dirigiert hatte.
Kurier mit Krücken
Der Abholer, der nach eigenem Geständnis der 37-jährige Angeklagte war, hatte sich nämlich kurz vor seinem Einsatz als Kurier in Deutschland, eine Verletzung am Bein zugezogen und benötigte deshalb Krücken. Er räumte den Vorwurf sofort ein, will aber erst im Moment der Geldübergabe gemerkt haben, dass er Teil eines organisierten Betrugs ist. Er habe Geldnot gehabt, weil er als Getrenntlebender Unterhalt für die Kinder leisten musste, behauptet der Koch. Um das Geld für die Sommerferien seiner Kinder aufzubringen, habe er einen Zweitjob gesucht. Auf seine Anzeige habe er eine Rückmeldung bekommen und bei einer Art Vorstellungsgespräch habe ihm ein Mann ein Angebot gemacht, als Kurier bei Bargeldtransporten zu arbeiten. „Er hat mir erklärt, es gehe um Anlagen in Bitcoin, er hat sehr seriös gewirkt, fuhr einen Landrover und war gut gekleidet“, berichtete der Angeklagte.
An mehr als den Vornamen des Kontaktmannes erinnerte er sich nicht. Nach der erfolgreichen Übergabe vor dem Justizzentrum sei er mit dem Mann, der ihn von Berlin aus nach Bad Kreuznach gefahren hatte, wieder zurück in die deutsche Hauptstadt, behauptet der 37-Jährige. Nach der Aussage eines Kriminalbeamten konnte durch die Auswertung des Mobiltelefons, das der Angeklagte für seine Botentätigkeit erhalten hatte, der 37-Jährige drei Tage nach der Tat in Frankfurt/Oder lokalisiert und festgenommen werden. Zudem gibt es Hinweise auf mögliche weitere Abholungen in Süddeutschland und zwei Tage nach der Übergabe in Bad Kreuznach wurde der Angeklagte in München polizeilich kontrolliert. Das Verfahren wird am Freitag, 20. Dezember, fortgesetzt.