60 Jahre Erfahrung
Bestatter aus Windesheim: Trauerbewältigung im Fokus
Michael Tullius aus Windesheim war rund 60 Jahre als Bestatter tätig. Mit seiner jahrzehntelangen Erfahrung will er nun auch in Zukunft Menschen bei der Trauerbewältigung helfen.
Lena Reuther

Michael Tullius aus Windesheim war rund 60 Jahre als Bestatter tätig. Im Gespräch mit unserer Zeitung berichtet er, wie sich der Beruf gewandelt hat. Das Bestattungsunternehmen wird mittlerweile in der sechsten Generation geführt.

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Rund 60 Jahre hat Michael Tullius als Bestatter gearbeitet. Das gleichnamige Bestattungsinstitut in Windesheim hat er am 1. Januar 2021 an seinen Sohn Jörg Tullius übergeben – damit wird es aktuell in der sechsten Generation und weiterhin pietätvoll geführt, betont der 76-Jährige im Gespräch mit unserer Zeitung. Vor wenigen Jahren ist der Betrieb von der Bruchgasse in die Hauptstraße gezogen. Im Jahr 1853 gründete Johann Dielhenn eine Schreinerei und das damit traditionell verbundene Bestattungsunternehmen. Michael Tullius berichtet, wie sich der Beruf mit der Zeit gewandelt hat.

Als Kind hat Tullius schon immer interessiert seinem Vater, Friedrich Tullius, bei der Arbeit zugeschaut, erzählt er. „Man konnte sich nicht vorstellen, was der Tod ist.“ Sein Vater habe ihn Stück für Stück in den Betrieb eingeführt. Mit etwa 16 Jahren hat er dann zum ersten Mal selbst einen Verstorbenen eingesargt, also die Person vorbereitet und in den Sarg gelegt. Im Jahr 1998 übernahm er das Unternehmen von seinem Vater, hat aber eben schon lange vorher selbstständig Aufgaben übernommen.

Johann Dielhenn gründete 1853 eine Schreinerei und das damit traditionell verbundene Bestattungsunternehmen in Windesheim. Er leitete es bis 1871, ehe er an der Pest starb.
Archiv Bestattungsunternehmen Tullius

Ein Bestatter sei für „fast alles“ zuständig, sagt der 76-Jährige. Etwa die Erledigung von Papieren auf den Ämtern, die Organisation der Beerdigung und dem anschließenden Trauerkaffee sowie die Vorbereitung des Verstorbenen mit waschen, ankleiden und, wenn gewünscht, auch schminken. Es komme immer mehr hinzu, berichtet Tullius. Er hat auch schon Beisetzungen als Trauredner begleitet, etwa wenn kein Pfarrer gewünscht oder der Verstorbene aus der Kirche ausgetreten war. Die Organisation von Traueranzeigen gehört ebenfalls zu den Aufgaben.

Der "erste" Friedrich Tullius. Er übernahm 1871 das Bestattungsinstitut von Johann Dielhenn. Mit auf dem Foto ist seine Frau, Sophie Dielhenn, die Tochter des Gründers.
Archiv Bestattungsunternehmen Tullius

Beisetzungen sind im Wandel: Seit der Corona-Pandemie treffen sich immer weniger Leute nach der Beisetzung zu einem Trauerkaffee, beobachtet er. „Das war früher gang und gäbe.“ Immer häufiger gebe es hingegen Urnenbeisetzungen. Bis in die 1980er-Jahre sei die Einäscherung besonders bei den Katholiken wegen des Glaubens an die Wiederauferstehung verpönt gewesen, erklärt er. Erst etwa um 1985 habe sich das gewandelt.

Von 1923 bis 1937 leitete Friedrich Tullius, der Großvater von Michael Tullius, das Bestattungsunternehmen.
Archiv Bestattungsunternehmen Tullius

Früher war beim Bestattungsinstitut noch die Schreinerei Tullius dabei, denn die Särge wurden noch bis Anfang der 1960er-Jahre selbst hergestellt, anschließend kamen sie aus einer Fabrik, erläutert er. Traditionell gibt es zwischen dem Handwerk und dem Bestattungswesen eine enge Verbindung. So hat Michael Tullius eine Ausbildung zum Schreiner. Früher habe es zwischen den beiden Berufen keine getrennten Ausbildungen gegeben, erklärt er. Die Nachfrage am Beruf des Bestatters ist gestiegen, sagt Tullius. Die Ausbildung zur Bestattungsfachkraft dauert drei Jahre, anschließend kann man noch die Prüfung zum Bestattungsmeister ablegen.

Ein weiterer Unterschied zwischen früher und heute ist, dass ein Leichnam im Wohnzimmer des jeweiligen Hauses drei Tage aufgebahrt wurde. Von dort ging dann die Trauerprozession zum Friedhof. Als 1966 eine Leichenhalle in Windesheim gebaut und eingeweiht wurde, sei die Aufbahrung zu Hause schließlich weggefallen, erklärt Tullius.

Friedrich Tullius, der Vater von Michael Tullius, leitete das Bestattungsunternehmen von 1937 bis 1998.
Archiv Bestattungsunternehmen Tullius

„Jede Beerdigung ist anders“, weiß der erfahrene Bestatter. Michael Tullius war so etwa auch schon auf einer Beisetzung, bei der Schlagermusik gespielt wurde. Es komme darauf an, „was der Mensch im Leben geliebt hat“.

Mit so einem Karren wurden die Särge auf den Friedhof transportiert, ehe er 1966 von einem Totentransporthänger abgelöst wurde.
Archiv Bestattungsunternehmen Tullius/Repro Lena Reuther

Bei all dem Kontakt mit dem Tod: Wie lässt man das selbst nicht zu sehr an sich heran? „Man kann nicht mit jedem Menschen trauern“, sagt der 76-Jährige. Da er in Windesheim in der Regel jeden kenne, sei es in diesen Fällen schon schwierig. Ganz schlimm sei es bei verstorbenen Kindern, was aber nur noch sehr selten vorkomme – „Gott sei Dank“, fügt er hinzu. Als Bestatter war er über die Grenzen des Kreises Bad Kreuznach hinweg unterwegs – einmal sogar jeweils in München und Leverkusen.

Besonders wichtig war ihm in den 60 Jahren immer, die Trauerbewältigung für die Angehörigen so angenehm wie möglich zu machen. „Es ist wichtig, dass man den Leuten zuhört“, betont er. Bei den Trauergesprächen zur Organisation der Beisetzung möchten sich viele erst mal einiges von der Seele reden. Erst, wenn sie damit fertig sind, geht er ins Geschäftliche über. Das Persönliche stehe im Vordergrund, das Materielle und Finanzielle sei für ihn zweitrangig. Im Nachhinein habe er von den Angehörigen sehr häufig auch Dankeskarten bekommen.

1966 hat das Bestattungsinstitut Tullius einen Totentransporthänger gekauft, um damit einen Sarg an die Leichenhalle auf dem Friedhof zu transportieren.
Archiv Bestattungsunternehmen Tullius/Repro Lena Reuther

Mit Blick auf die aktuelle Debatte um ein mögliches neues rheinland-pfälzisches Bestattungsgesetz sieht Tullius die Totenruhe gestört, wenn eine Urne mit nach Hause genommen wird. Außerdem sei es für die Trauerbewältigung für viele wichtig, etwa in sich gekehrt auf einer Bank zu sitzen und Blumen am Grab abzulegen. „Das Zuhause ist aus meiner Sicht nicht der richtige Trauerplatz“, findet er.

2002 schaffte das Unternehmen einen VW Bus zum Transport der Särge an.
Michael Tullius

Nachdem er nicht mehr als Bestatter arbeitet, absolviert Tullius ab Juli an fünf Wochenenden ein Seminar zum Thema Trauerbegleitung. „Immer mehr Leute brauchen hier Unterstützung“, weiß er. Aufgrund seiner jahrzehntelangen Erfahrung als Bestatter hofft er, so den Menschen helfen zu können.

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