Berliner Distel mit ihrer Bundestagsrevue "Im Hinterzimmer der Macht"
Berliner Distel in der Kreuznacher Loge: Den Politikzirkus-Irrsinn gnadenlos vorgeführt
Die Kabarettisten der Berliner Distel im „Hinterzimmer der Macht“, auf der Bundestagstoilette. Der Berliner Politikbetrieb in all seinen Facetten wird in dem neuen Programm gnadenlos auseinandergenommen. Foto: Harald Gebhardt
Gebhrdt

Wo wird im Bundestag wirklich die Politik gemacht? Nicht im Rampenlicht, im Bundestag, sondern im Hinterzimmer der Macht, auf der Bundestagstoilette. Auf dem dortigen stillen Örtchen geht es selten still zu, eher laut, schrill und turbulent. Jedenfalls, wenn die Kabarettgruppe Berliner Distel dort auftaucht. Dort werden die politischen Absprachen getroffen, Allianzen geschmiedet, um Themen wie das Tempolimit gefeilscht – und dort entstehen die politischen Scheißhausparolen.

Es war ein grotesk-irrwitziges, revuenummernartig mit vielen Musik- und Gesangseinlagen in Szene gesetztes bitterböses, schrullig-bizarres Panoptikum des Volksvertreterpersonals, das die Kabarettisten auf Einladung der Stiftung Kleinkunstbühne da in der Loge zum Besten gaben: „Da steh' ich nun als Abgeordne … ter und bin so klug als wie vor … her.“

Anfangs brauchte das Trio Jens Neutag, Stefan Martin Müller und Caroline Lux, musikalisch schmissig-schwungvoll begleitet von dem Duo Felix Breitkreuz und Tilmann Ritter, allerdings ein wenig Anlauf, um dann so richtig in Fahrt zu kommen. Turbulent, mit Tempo, grotesk und bissig wurde es erst nach der Pause. Dann wurde das zweistündige Programm zur erstklassigen Politgroteske, bei der nahezu alle Größen der Berliner Politikszenerie, der Politikbetrieb selbst und das Politikerunwesen gnadenlos vorgeführt wurden – wie arrogant eingenommen, abgehoben und nur auf sich selbst fixiert diese Volksvertreter, diese Diener des Volkes sind. Im „Hinternzimmer“ wird ihnen die Maske entrissen.

Famose Weidel- und Höcke-Parodie

Unter den Höhepunkten im zweiten Teil ragte die famose Parodie auf die AfD-Größen Alice Weidel und Björn Höcke heraus. Es war ohne Zweifel der unumstrittene Glanzpunkt des Programms, glänzend dargeboten von Caroline Lux und Jens Neutag: großartig, dabei gleichermaßen unterhaltsam wie beklemmend, etwa wie Lux als Weidel immer mehr gekonnt in den Hitler'schen Sprachduktus übergeht. Und was sagt Björn Höcke, wenn Weidel eine Rede vor ihm hält? „Ich bin ganz Volksempfänger.“ Kaum ist sie weg, singt er zu einem berühmten Rolling-Stones-Song, in dem Fall kann das nur „Sympathy for the Devil“ sein („Angenehm, mein Name ist Björn“), auch die Textzeile: „Und wer mich nicht verhindert, der hat aus der Geschichte nichts gelernt.“

Ob Tempolimit, Klimawandel, Atomausstieg, Handwerkermangel oder der wiehernde Amtsschimmel: Hier wird alles gnadenlos zerlegt, auseinandergenommen – mit Schwung und Tempo, Spott und schwarzem Humor. Der Lobbyismus wird als Paarungsakt auf- und vorgeführt, die Lobbyisten – „ihre wichtigste Waffe das falsche Lächeln“ – paaren sich als Beuteltiere so schnell, dass man es nicht merkt, „ein Tsunami der Hormone“: „Und schon wieder ist eine neue Scheißidee in der Welt.“

Merz und Lindner verbrüdern sich

Karl Lauterbach demonstriert, wie man ein Drei-Gänge-Menü an einer FFP2-Maske vorbeiführen kann – theoretisch. Robert Habeck – der Minister, dem die Frauen vertrauen – tänzelt zu der Schnulze „Ich brech' die Herzen der stolzesten Frauen“, unterbricht sich aber selbst nach jeder halben Zeile, um den Erklärbär zu geben: „Natürlich nicht im Sinne von kaputtmachen.“

ALB, also Annalena Baerbock, ist für die feministische Nato-Erweiterung zuständig, Friedrich Merz und Christian Lindner verbrüdern sich vor dem Klodeckelhintergrund und müssen dafür jede Menge Absacker runterspülen. Vermutlich, um sich selbst die Sache schönzureden. „Was glauben Sie denn, wie viel Promille Sie haben?“ fragt Lindner Merz. Der erwidert: „Laut Umfrage 30 Prozent.“

“Entscheidend ist, was hinten rauskommt"

Auch Helmut Kohl und Angela Merkel irrlichtern noch durch den Politbetrieb, stehen gegen Ende auf der Bühne: „Entscheidend ist, was hinten rauskommt.“ Dann hat noch die Altkanzlerin das Wort, zu Udo Jürgens' Schlager „16 Jahr'“ und „Ich bin so froh, dass ich die Merkel bin“, bevor als Zugabe noch der dreifache Olaf Scholz auf der Bühne erscheint und singt: „I will survive“.

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