Der Widerstand gegen die Neubaupläne der Lebenshilfe auf ihrem Areal am Agnesienberg wächst. Nachdem schon im Ausschuss für Stadtplanung Bauwesen, Umwelt und Verkehr (PLUV) bei der Vorstellung der Pläne vor allem wegen der Nähe zum Ellerbach und der künftig wohl zunehmenden Gefahr bei Starkregen- oder Hochwasserereignissen Bedenken laut geworden sind, gibt es nun immer mehr Kritiker. Um das Bauvorhaben umsetzen zu können, muss der Bebauungsplan „Zwischen Agnesienberg und Ellerbach, An der Schleifmühle“ geändert werden. Das soll im beschleunigten Verfahren ohne Umweltverträglichkeitsprüfung geschehen.

Da in der Stadtratssitzung in der vergangenen Woche wegen der zeitlichen Limitierung der Sitzungsdauer der Tagesordnungspunkt nicht mehr behandelt werden konnte, soll das Vorhaben nun am Montag, 10. Februar, in einer Sondersitzung ab 17.30 Uhr im Sitzungssaal im neuen Rathaus am Kornmarkt beraten werden. In der letzten Ratssitzung hatten die Agnesienberg-Anlieger Heinz-Günther Mades und Ulrike Schlenk Oberbürgermeister Emanuel Letz eine Petition mit 65 Unterschriften überreicht, in der diese Widerspruch gegen die Änderung des Bebauungsplanes einlegen – „insbesondere deshalb, weil auf eine Umweltverträglichkeitsprüfung verzichtet werden soll“. „Dies geschieht, um Schaden an den Gebäuden und Grundstücken und deren Bewohnern im Umfeld der Lebenshilfe-Liegenschaften zu verhindern“, heißt es darin weiter.

Schon zu der Sitzung am 30. Januar hatten die Freien Wähler gefordert, diesen Punkt von der Tagesordnung zu nehmen. „Immerhin bewirkte der Ellerbach – und nicht etwa die Nahe – das in der dokumentierten Stadtgeschichte schlimmste Hochwasser am 12. Mai 1725. Die nunmehr bekannten Starkregen- und Hochwasserkarten belegen, wie groß auch heute die Gefahr ist. Es erscheint daher nicht nur mir unverantwortlich, mitten in das ursprüngliche Bachbett hinein eine Bebauung zuzulassen“, schreibt der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Jürgen Eitel dazu. Er erinnert auch daran, dass der Stadtrat am 26. Januar 2017 den Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan „Hermannstraße“ gefasst hat. Dieser sollte den Bau von 140 Wohneinheiten auf dem Gelände der früheren Gärtnerei Vogt ermöglichen – ebenfalls im ursprünglichen Bachbett des Ellerbaches, allerdings auf der Nordseite. Am 17. Mai 2018 wurde dazu im Planungsausschuss über ein Zielabweichungsverfahren informiert, das mit der SGD Nord geführt wird.
Eitel erinnert an Bauvorhaben auf der Ellerbach-Nordseite
Eitel bittet im Zusammenhang mit der Beratung der Lebenshilfe-Pläne um eine umfassende Information zu diesem Verfahren und will die Gründe wissen, warum diese seit sieben Jahren nicht erfolgt ist. Für ihn ist der Sachzusammenhang offensichtlich: „Wenn auf der einen Seite so erhebliche Bedenken gegen eine Bebauung bestehen, dass über Jahre keine Zustimmung der zuständigen Fachbehörde erreicht werden kann, dann kann doch auf der anderen Bachseite nicht einfach so getan werden, als gäbe es diese Probleme nicht. Letztendlich ist es auch für die von mir sehr geschätzte Lebenshilfe keine Perspektive, wenn die Stadt den Eindruck erweckt, es sei doch eine Bebauung möglich – die dann entweder von oberen Behörden oder gerichtlich untersagt wird.“
Auch die AfD-Fraktion hat starke Bedenken
Inzwischen hat auch die AfD Position bezogen: „Prinzipiell finden der Neubau und die Art des Baus unsere Zustimmung. Nach Ortsbesichtigung, Gesprächen mit Anwohnern, Sichtung der Geodaten sowie das Besprechen verschiedener denkbarer Hochwasserszenarien, haben wir jedoch starke Bedenken dieser Planung gegenüber“, so der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Nelson Prieß. „Selbst wenn man die neu zu errichtenden Gebäude auf erhöhtem Grund bauen würde, könnte es zu einer Überschwemmung des Geländes kommen.“ Durch die erhebliche Versiegelung des Bodens müsse einkalkuliert werden, dass dem Wasser neue Wege geboten werden und durch die glatten Flächen beschleunigt auch in angrenzende Wohngebiete fließt. Deshalb könne die AfD dem Bauvorhaben in dieser Form nicht ohne ein Umweltgutachten zustimmen. Die Prüfung der Gefahren müsse im Sinne der Sicherheit der künftigen Bewohner und der umliegenden Anwohner Vorrang vor einer Eilbedürftigkeit haben. Man unterstütze auch den Vorschlag von Stadträtin Birgit Ensminger-Busse (CDU) und ihrem Fraktionskollegen Mirko Helmut Kohl, eine Ortsbegehung zu machen, um sich fraktionsübergreifend einen Überblick zu verschaffen.

„Es geht uns darum, die Bürger in der Entscheidung angemessen zu berücksichtigen und gemeinsam an konstruktiven Lösungen zu arbeiten, auch im Hinblick auf die Planungen der Lebenshilfe. In der momentanen Situation noch ausstehender Gutachten und ungeklärter Fragen kann eine Abstimmung im Stadtrat nicht erfolgen“, teilt Ensminger-Busse Oberbürgermeister Emanuel Letz (FDP) mit. Inzwischen hat sich auch CDU-Stadtrat Helmut Martin mit Anliegern getroffen und sich vor Ort ein Bild gemacht.
Lebenshilfe sieht kein Ausschlusskriterium
Dagegen hatten Bejamin Rubröder, der pädagogische Vorstand der Lebenshilfe, und Carsten Schittko von der Stadtplanung bei der Vorstellung der Pläne im Ausschuss betont, die Bebauung liege außerhalb des eigentlichen Überschwemmungsgebiets. Deshalb sei die Nähe zum Ellerbach kein Ausschlusskriterium, um dort etwas zu entwickeln, verteidigen beide die Pläne. Auf der 25.000 Quadratmeter großen Fläche sei ausreichend Retentionsraum vorhanden, und im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens werde man natürlich alle notwendigen Gutachten, so zur Entwässerung, einholen.