Landwirtschaftskammer RLP sieht Konfliktpotenzial: Manchmal hilft nur die Trennung der Trassen - Flächen dafür sind rar
Bauern, Radler, Wanderer teilen sich die Wege: Landwirtschaftskammer RLP sieht Konfliktpotenzial
Miteinander statt gegeneinander: Die Landwirtschaft müsse in die Radwege-Planung eingebunden werden, wenn neue Trassen „funktionieren“ und eine Bereicherung für alle sein sollen, fordert die Kammer. Foto: Landwirtschaftskammer
Bauernverband

Kreis Bad Kreuznach. Alle drei auf einem schmalen Weg: Traktor, Radler und Wanderer. Da wird es schon mal eng. Emotionen schießen hier und da ins Kraut: „Mach' gefälligst Platz.“ Sind solche Konfliktmomente die Regel? Nein, eher die Ausnahme. Und dennoch weist die rheinland-pfälzische Landwirtschaftskammer (Sitz: Bad Kreuznach) auf die Problematik für ihre Bauern hin, wenn sie sich mit ihrem schweren Ackergerät Wege mit radelnden oder wandernden Freizeitnutzern teilen müssen.

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Das Radwegenetz wächst weiter

Mit dem Rad durch schöne Landschaften fahren und den Wein genießen, wo er wächst. Was sich gut anhöre, berge leider auch Konfliktpotenzial, schreibt die Landwirtschaftskammer. Das Radwegenetz wachse und mit einer verstärkten Werbung auch die Zahl der Gäste, die es nutzen. Wandern und Radeln in heimischen Gefilden ist gefragt, mehr denn je – die Pandemie quasi als „Anschubhilfe“ für die Heimat als neu entdecktes Urlaubsland.

„Bei den Anfragen zu Radwegen, die uns als Träger öffentlicher Belange erreichen, geht es fast immer um die Vereinbarkeit von Rad- und Landwirtschaftsverkehr“, berichtet Berater Oliver Strub von der Landwirtschaftskammer. Gerade in Rheinhessen gebe es zahllose Beispiele für eine Interessenkollision. Hier das Dorf, das mit mittels neuem Radweg den Tourismus ankurbeln will. Dort die Winzer und Landwirte, deren Flächen entlang des geplanten Radwegs lägen. Hinzu komme der Landesbetrieb Mobilität, der lieber 3,5 Meter breite Wirtschaftswege mit kombinierter Nutzung haben möchte als schmale Radwege, die den schweren Maschinen der Landwirte womöglich nicht lange standhalten.

Auch die Förderpolitik spiele eine gewichtige Rolle: Zahlreiche Mittel aus EU-Töpfen, etwa „Leader“, wollten den ländlichen Raum stärken. Doch die Folgen würden unterschätzt. Gerade erst habe das Landesministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau die neuesten Förderbescheide für Radwege veröffentlicht: 23 Projekte im ländlichen Raum werden mit rund vier Millionen Euro gefördert: „Das führt zu Diskussionen auf allen Ebenen.“

Die Landwirtschaftskammer schaue im Vorfeld genau hin, so Strub weiter. Man befrage die Leute, die die Region genau kennen. Bedenken gegen geplante Radwege bringe man ins Planungsverfahren ein. Beispiel: Auf wenig Fläche habe man Nutztierhaltung mit Ackerbau und in derselben Gemeinde eine Winzerhofaussiedlung mit Event-Location: „Da bekommen wir zum Thema Radweg keine einheitliche Position hin“, berichtet Strub, der die Kammer-Meinung zu gemischt genutzten Radwegen auf den Punkt bringt: „Eine Trennung von Rad- und landwirtschaftlich genutzten Wirtschaftswegen ist anzustreben, je höher die Nutzungsfrequenz beider Seiten ist.“ Die Liste der Konfliktsituationen sei lang: Begegnungsverkehre mit hohem Tempo (von Traktoren und Radfahrern) und geringem Abstand, Wendemanövern auf dem Radweg, das Ausbringen von Pflanzenschutzmitteln, die Verschmutzung des Wegs mit Erde oder Ernteresten. Und gerade wenn Maschinen von Lohnunternehmen, die der Landwirt nach Zeit bezahle, nicht an den Radlern vorbeikämen, sei Ärger angesagt.

Strub nennt Lösungsvorschläge, sollte eine räumliche Trennung nicht möglich sein: Die landwirtschaftliche Fläche könne einige Meter von der Trasse zurückgesetzt werden. Eine solche Wegeführung parallel zur Bewirtschaftung sei ebenso denkbar. „Eine weitere Variante ist ein zusätzlicher Erdweg, der einige Meter vom Radweg entfernt parallel verlaufen kann.“

Flächen zum Ausweichen knapp

Doch sind landwirtschaftliche Flächen knapp, gerade in Rheinhessen und der Pfalz. „Nirgendwo in RLP zeigt sich der aktuelle Bau-Boom so deutlich wie im Grenzgebiet zu den Metropolregionen Rhein-Main und Rhein-Neckar. Das spiegelt sich in den stark steigenden Bodenpreisen wider“, sagt Ralph Gockel, Abteilungsleiter Raumordnung und Bildung bei der Landwirtschaftskammer. Dennoch müsse man für die Sicherheit in Kauf nehmen, dass Rad- und Wirtschaftswege getrennt würden: „Falls zusätzliche Anforderungen des Naturschutzes für den Ausgleich die Problematik verschärfen sollten, gibt es konstruktive Vorschläge von Landwirtschaft und Weinbau, die Kompensation flächensparend und produktionsintegriert umzusetzen“, so Gockel.

Die Trennung von Rad- und landwirtschaftlichem Verkehr sei keine grüne Idee, sondern Schutz für den Berufsstand, betont die Kammer: „Wir werben bei den Planern um Verständnis für die Landwirte, deren Arbeitsumfeld zunehmend von Freizeitaktivitäten vereinnahmt wird.“ Das sei in der Pandemie deutlich geworden.

Von unserem Redakteur Stefan Munzlinger

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