Kloster, Hospital und Schule
Bad Kreuznachs „schwebende Bibliothek“ im alten Kloster
Gabriele Harter (links) las in der Bibliotheksnacht aus ihrem Mystery-Abenteuer "Kreuznachs kühne Kinder jagen Dr. Faust."
Christine Jäckel

Die Heimatwissenschaftliche Zentralbibliothek des Kreises Bad Kreuznach im ehemaligen Wolfgangschor ist in doppelter Hinsicht ein Lichtblick: Sie ist ein Denkmal- und ein Wissensschatz.

In den letzten Kriegsmonaten 1944/45 traf es Bad Kreuznach schwer, an vielen Stellen veränderte die Stadt ihr Gesicht, als Bomben fielen. Es waren wohl mehrere glückliche Zufälle, die dazu führten, dass der Chor der ehemaligen Klosterkirche St. Wolfgang erhalten blieb und zum Domizil der Heimatwissenschaftlichen Zentralbibliothek wurde.

35 Meter hoch ist das Domizil der 60.000 Bücher und anderen Medien zur Geschichte von Stadt und Kreis Bad Kreuznach, wie Jörn Kobes (links) beim Rundgang erläuterte.
Christine Jäckel

Kreuznacher Fabelwesen: Muhkalb und der dreibeinige Hase

Hier scharten sich bei der „Nacht der Bibliotheken“ etliche Besucher um die Bad Kreuznacher Autorin und Wissenschaftlerin Gabriele Harter, die, unweit der größten noch erhaltenen Stadtmauerresten, das mittelalterliche Bad Kreuznach des Magisters Johann Georg Sabellicus Faust heraufbeschwor. 1507 soll Faust als Lehrer an der Kreuznacher Lateinschule tätig gewesen sein. In ihrem Fantasy-Roman „Kreuznachs kühne Kinder jagen Dr. Faust“ hat Harter auch Fabelwesen aus naheländischen Sagen eine Rolle gegeben, dem Muhkalb etwa, oder dem dreibeinigen Hasen. Bibliothekarin Anja Weyer und ihr Kollege Jörn Kobes haben immer wieder mal Anfragen von Schülern, die nach Material für Forschungsarbeiten suchen und hier fündig werden.

Die Stadtgeschichte offenbart sich in der Umgebung der HWZB als architektonisches Puzzle: Die Überreste der Stadtbefestigung sind jetzt eingeschlossen durch Schule und Neubauten der Gegenwart.
Christine Jäckel

Umrundet man die „Bücherkapelle“ im Schulgelände des „Stama“-Gymnasiums von außen, trifft man auf die Reste der beeindruckend stattlichen Stadtbefestigung. „Die Kreuznacher Bürger mussten die Anlage selbst in Schuss halten, das war keine leichte Aufgabe“, erklärt Weyer. Da lässt sich eine Parallele zur Heimatwissenschaftlichen Bibliothek ziehen. Die ist im Eigentum des Kreises und damit Eigentum der Bürger in Stadt und Kreis, wie Jörn Kobes unterstrich. Einen Blick - nur durch die Tür - können die Besucher in das unterirdische Reich werfen. Unter der heutigen Schule und dem benachbarten Bankinstitut und Parkhaus befand sich der Weinkeller der Bad Kreuznacher Klosterkellerei C. F. Eccardt.

Stadtgeschichte auch im Untergrund

Das um 1890 gegründete Weinhandelsunternehmen gehörte zu den größten in Deutschland und lieferte weltweit, bis nach St. Petersburg und in die USA. Im Lagerraum nebenan gibt Kobes einen Einblick in die Arbeit der Bibliothekare am Beispiel von Firmenakten aus dem 19. Jahrhundert. Sicherung der Dokumente heißt oft, sich mit unangenehmen Erscheinungen wie Schimmelpilzen auseinanderzusetzen. Die Digitalisierung der Archivalien ermöglicht den Benutzern der Bibliothek einen unbedenklichen Zugang zu Aktenbeständen oder historischen Büchern.

Nachlässe mit Büchern und Dokumenten zu sammeln und zu sichern ist eine der Aufgaben der wissenschaftlichen Bücherei des Kreises.
Christine Jäckel

Noch eine Facette des 1472 errichteten Klosters: Die Franziskanermönche betrieben ein Hospital einschließlich einer mittelalterlichen „Seniorenresidenz“, wie Kobes erläuterte. Der Stadtmediziner war im Kloster angesiedelt und er betreute auch den Gutleuthof in Hargesheim, den früheren Leprahof der Stadt. Bis 1620 bestand das Hospital, es folgte ein steter Wechsel der Konfessionen im 30-jährigen Krieg mit den Spaniern und Schweden. Ein Zeitsprung ins 19. Jahrhundert führt zur nächsten und bis heute andauernden Funktion der alten Klosteranlage, der Bildung. 1819 wurde das Könglich-Preußische Gymnasium eingerichtet, im heutigen Stama-Schulhof ist noch der Kreuzgang erkennbar.

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