Dort, wo einst der südlichste Punkt von Kreuznach lag und ein Zollhäuschen den Warenverkehr zwischen Preußen und Hessen überwachte, nämlich auf dem Darmstädter Hof, lebt heute mit Florian Desoi (21) ein waschechter Europameister. Zwar holte er keinen Titel, über den eine Sportschau berichtet, der aber dennoch unter Weinkennern als prestigeträchtig gilt. Denn der Bad Kreuznacher Winzer sicherte sich bei der 16. European Wine Championship in Südtirol den Titel des Wein-Europameisters.
Der junge Mann, der in der Technikerschule für Weinbau in Veitshöchheim bei Würzburg im Weinanbaugebiet Franken derzeit seinen Weintechnikerabschluss macht, musste sich mit 60 Nachwuchstalenten aus zehn europäischen Nationen messen und seine theoretischen Kenntnisse sowie praktischen Fähigkeiten in verschiedenen Disziplinen des Weinbaus beweisen. Dabei wurde ausschließlich Englisch gesprochen, und auch die Prüfungen wurden in englischer Sprache abgehalten.
„Ich hatte mich auch nicht für den Wettbewerb beworben, sondern in Veitshöchheim bin ich gefragt worden, ob ich teilnehmen möchte.“
Florian Desoi macht in Veitshöchheim bei Würzburg seinen Weintechnikerabschluss
Nachdem Desoi fünf Tage um den Titel des Europameisters erfolgreich gekämpft hatte, ist wohl auch bei seinen Mitbewerbern das Weinanbaugebiet Nahe zum Begriff geworden. Desoi berichtete, dass Teilnehmer aus Deutschland die Nahe noch kannten, doch im Ausland war das hiesige Anbaugebiet unbekannt. „Ich habe immer gesagt, ich komme aus der Nähe der Pfalz, und die war schon ein Begriff“, erzählt er. Dass er nun als Europameister zurückgekommen ist, freue ihn sehr, da er damit nicht gerechnet habe. „Ich hatte mich auch nicht für den Wettbewerb beworben, sondern in Veitshöchheim bin ich gefragt worden, ob ich teilnehmen möchte“, erzählt er.
Neugierig ist er – eine Eigenschaft, die im Weinbau durchaus förderlich ist, lohnt sich doch gerade hier immer der Blick über den Tellerrand – nahm er das Angebot an. Wobei es bei der Veranstaltung aus Desois Sicht nicht nur darum ging, die Fachkompetenz in den Bereichen Weinbau, Kellerwirtschaft und Sensorik zu fördern, sondern auch um den interkulturellen Austausch. „Man tauscht Adressen und Handynummern aus und knüpft während der fünf Tage Netzwerke“, sagt Desoi. Aus Südtirol hat er nicht nur den Pokal mitgebracht, sondern weiß, dass das, was während der Veranstaltung gereift sei, weit über einen Wettbewerb hinausgehe.
„Man tauscht Adressen und Handynummern aus und knüpft während der fünf Tage Netzwerke.“
Florian Desoi
Die Erfahrungen, die er in Südtirol machen konnte, werden ihn langfristig auch im heimischen Betrieb hilfreich sein. Der Betrieb der Desois umfasst rund 20 Hektar Rebfläche, die in der Nähe des Betriebes und am Bosenberg liegen. Obwohl der Betrieb bedingt durch die Historie nur um Straßenbreite entfernt vom Anbaugebiet Rheinhessen liegt, gehören zum Darmstädter Hof ausschließlich Naheweine. Auch wenn der Jungwinzer insgesamt seit sechs Jahren in der Ausbildung steckt, hat er schon seine eigene Linie hochwertiger Weine, die unter dem Begriff „Zollstation“ läuft. Nicht nur wegen des Europameistertitels blickt er optimistisch in die Zukunft. Auch, weil er mit seiner Frau Talitha, die Medienkommunikation studiert hat, im September den Betrieb übernehmen wird.