Binge – Der Durchbruch scheint greifbar nahe: Gemeinsam mit der Binger Verwaltungsspitze stellte die Geschäftsführerin eines Frankfurter Projektentwicklers ein Stück Binger Einkaufszukunft vor.
Aus dem tristen Hertie-Leerstand soll eine schicke, großzügige „Rheintal-Galerie“ werden. Hinter dem Arbeitstitel verbirgt sich ein 35-Millionen-Euro-Projekt, das die Binger Innenstadt prägen soll.
Noch haben die maßgeblichen politischen Gremien die Planungen weder im Detail gesehen, geschweige denn darüber befunden. Doch Oberbürgermeister Thomas Feser und Projektentwicklerin Brigitte van der Jagt-Buitink sind davon überzeugt, dass der große Wurf gelingt. Noch steckt der Teufel im Detail – Verkaufsverhandlungen mit Teileigentümern des Hertie-Komplexes und Besitzern benachbarter Immobilien laufen. Doch der größte Brocken ist gehoben, seitdem sich der Projektentwickler „CharterHaus Real Estate GmbH“ mit dem holländischen Insolvenzverwalter und der Deutschen Bank als Gläubigervertreter einig wurde.
Der Kaufpreis bleibt geheim, soll aber deutlich geringer sein als in früheren Verhandlungsrunden genannt. Der Quantensprung in der innerstädtischen Entwicklung, der sich nun abzeichnet, folgt auf eine jahrelange Periode frustrierender und ärgerlicher Erfahrungen mit dem Wust an Zuständigkeiten und Interessen rund um die bundesweite Hertie-Entwicklung. Stolz verweist Oberbürgermeister Thomas Feser auf das Geleistete, das nur durch den Zusammenschluss der betroffenen „Wutbürgermeister“ auf seine Initiative und den ausgeübten öffentlichen Druck auf Eigner, Gläubiger und Insolvenzverwalter durch die „Binger Erklärung“ und deutliche Briefe an die Deutsche-Bank-Spitze möglich wurde. „Es lohnt sich zusammenzustehen und am Ball zu bleiben. Dann kann man auch etwas bewegen. Solch eine erfolgreiche Zusammenarbeit von über 30 Städten ist einmalig in der Bundesrepublik“, sagt Thomas Feser selbstbewusst.
Nach Kamen, Cuxhaven und zuletzt gestern auch Hamburg melden immer mehr Städte erfolgreiche Entwicklungen in Sachen Hertie. In Bingen soll dabei ein großes Rad gedreht werden. Geplant ist, den Bestand zu entkernen, neu aufzubauen und zu erweitern. Der Komplex der künftigen Einkaufs-Galerie soll sich in Richtung Bahn und Rhein bis zur Straße am Fruchtmarkt erstrecken und ein bestehendes, barock anmutendes Altgebäude einbeziehen. Viel Glas und Licht wird versprochen, um die Einkaufswilligen zu locken.
Zu modernen Galeriekonzepten gehört auch eine große Rolle der Gastronomie im Innen- und Außenbereich. Ein Angebotsmix aus Lebensmittel, Textil, Drogerie und Elektro ist angedacht. Das klassische Warenhaus oder Kaufhaus wird es allerdings nicht mehr geben, sagte Brigitte van der Jagt.
Die energische Holländerin steht noch in Verhandlungen mit Teilbesitzern der Hertie-Hinterlassenschaft, darunter ein Binger Immobilienmakler, ein Ladenbesitzer und der Eigentümer des geschützten Altbaus in Richtung Fruchtmarkt. Die allesamt genutzten Eigentumswohnungen oben auf dem Hertie-Terrassenhaus machen die Umnutzung schwieriger, stellen aber kein Geschäftshindernis dar, so „CharterHaus“. Alle Beteiligten, wird betont, können durch Kooperation etwas für ihre Stadt tun.
Seit 2009 laufen die Verhandlungen um Hertie, bei denen es nun endlich Licht am Ende des Tunnels gibt. Man stehe nicht unter Druck, sagen die Projektverantwortlichen. Schließlich geht es nicht nur um einen Umbau, sondern um eine Neukonzeption des gesamten innerstädtischen Handels. Im nächsten halben Jahr soll vertragliche Klarheit herrschen. Dann rechnet man mit Baurecht im Frühjahr 2014 und mindestens 18 Monaten Bauzeit für die 16 000 Quadratmeter Nutzfläche.
Rainer Gräff