Vor der Zweiten Strafkammer des Landgerichtes muss sich seit Dienstag ein 36-jähriger türkischer Staatsbürger aus Berlin verantworten, dem die Beteiligung an solchen Betrügereien vorgeworfen wird. Die Staatsanwaltschaft legt ihm drei Fälle zur Last. Er soll gemeinsam mit weiteren Tätern Bürger in Budenheim, Norheim und im niedersächsischen Stuhr um Geld und Gold erleichtert haben.
Die Anklage, die Staatsanwältin Marina Meesenholl nach einem Schlagabtausch zwischen den Verteidigern des Angeklagten und dem Vorsitzenden der Kammer, Richter Folkmar Broszukat, verliest, klingt in Teilen kaum nachvollziehbar. Eine Geschädigte in Norheim stellte nach mehreren Anrufen der Betrüger 51 Goldbarren im Wert von etwa 265.000 Euro vor ihrem Haus zur Abholung für die vermeintlichen Polizeibeamten bereit. Die Anrufer, die sich als Beamte ausgaben, hatten ihr vorgetäuscht, dass ein Einbrecher auf dem Weg zu ihr sei. Die Frau befolgte daraufhin alle Anweisungen, räumte die Goldbarren zusammen und platzierte sie vor ihrem Haus. Dort holte ein weiteres Bandenmitglied das Gold ab und brachte es zu dem Angeklagten nach Berlin, der es wiederum in die Türkei weiterleitete.
Davor und danach war die Bande nach ähnlichem Muster in Budenheim und Stuhr vorgegangen. Im Oktober 2020 traf es einen Mann in Budenheim, der um Goldmünzen und Goldbarren im Wert von 19 600 Euro und 400 Euro Bargeld erleichtert wurde. Die Anrufer aus dem türkischen Callcenter spielten ihm vor, dass eine ältere Frau aus seiner Nachbarschaft überfallen worden sei. Die angeblichen Kripobeamten wollten einen Zettel gefunden haben, auf dem Name und Anschrift des Budenheimer Mannes und Informationen zu seinen Vermögensverhältnisse vermerkt gewesen seien.
Die komplett erschwindelte Geschichte beunruhigte den Geschädigten dermaßen, dass er sein Gold und Bargeld verpackt in einem Rucksack vor seinem Haus in einem Abfallcontainer deponierte. Dort holte ein Bote der Bande die Beute ab, um sie ebenfalls nach Berlin zu dem Angeklagten zu bringen.
Im dritten Fall, der sich in Stuhr ereignete, liegt die Schadenssumme am höchsten: Hier erbeutete die Bande fünf Kilo Gold im Wert von ungefähr 270.000 Euro. Die Anrufer hatten sich wieder als Kriminalbeamte ausgegeben und dem Opfer vorgegaukelt, dass sich ein Mitarbeiter seiner Hausbank an seinem Vermögen bereichern wolle.
Das Verfahren wurde am Dienstag nach der Anklageverlesung unterbrochen und wird nun am Dienstag, 22. Juni, fortgesetzt. Damit erhalten die Verteidiger des Angeklagten Gelegenheit, Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Kiel einzusehen, die ebenfalls ein Verfahren gegen den 36-Jährigen eingeleitet hat. Christine Jäckel