Notfallsanitäter Matthias Plautz hatte dem „Oeffentlichen“ geschildert, wie er und ein Kollege zu einem Patienten gerufen worden waren und auf der Suche nach dessen Wohnung während der Fahrt über den Eiermarkt stecken blieben, weil sich Besucher weigerten, im Weg stehende Tische wegzuräumen. Die beiden ASB-Mitarbeiter seien gezwungen gewesen, zu Fuß weiterzugehen und auf der Rückfahrt von circa 13 Leuten „massiv angeschrien“ worden.
Nicole Bechtholdt kann diese Aussagen nicht nachvollziehen. Die 48-Jährige war an besagtem Samstag mit ihrem Ehemann und Freunden auf dem Weihnachtsmarkt und hat den Vorfall teilweise miterlebt. Der Fahrer des Rettungswagens sei über den Haupteingang an der Nikolauskirche auf den Platz gekommen. Statt direkt auf den gegenüber der Michel-Mort-Statue liegenden für Rettungseinsätze vorgesehenen Rettungsplatz zu fahren, habe der Einsatzwagen sich seinen Weg an der Bühne vorbei über den Eiermarkt gebahnt. Weder die Gruppe um Bechtholdt noch die Standbetreiber können bestätigen, dass man den Wagen an der Durchfahrt gehindert habe. Stattdessen hätten sowohl Schausteller als auch Besucher dabei geholfen, im Weg stehende Tische wegzuräumen. Der Beifahrer des Rettungswagens sei ausgestiegen und „panisch herumgelaufen“, weil er die Hausnummer des Patienten nicht finden konnte, sagt Bechtholdt. „Es gab auf diesem ganzen Platz keinen einzigen Menschen, der sich in den Weg gestellt hätte“, betont sie.
Ihr Mann Matthias Bechtholdt und ein befreundetes Ehepaar – Christiane und Hans Haupt – bestätigen dies gegenüber unserer Zeitung bei einem Treffen auf dem Eiermarkt am Mittwoch. Auch Mitorganisator und Crêpestandbetreiber Werner Moser, der gerade mit dem Abbau beschäftigt ist, sagt, er habe gesehen, wie Passanten Tische aus dem Weg räumten.
Nachdem die Sanitäter den Patienten im Wagen untergebracht hatten, fuhr sich der Fahrer in einer Gasse mit Poller fest, erzählen die Augenzeugen weiter. Die beiden Rettungskräfte seien ausgestiegen und erneut „panisch“ herumgelaufen, als sie merkten, dass es sich bei dem Poller um einen nicht versenkbaren handelte. Beim Zurücksetzen habe der Fahrer mit dem Rettungswagen zunächst eine Laterne und dann eine Imbissbude leicht angerempelt. In Sekundenschnelle seien die Tische der Imbissbude weggeräumt gewesen, sagt Bechtholdt, mehrere Männer hätten das Dach der Imbissbude hochgehoben, um dem Rettungswagen mehr Platz zu schaffen. Weitere Männer hätten sich sowohl vor als auch hinter den Rettungswagen gestellt, um den Fahrer aus seiner misslichen Lage herauszudirigieren. „Je mehr sie sich verfranst haben, desto aggressiver wurden die Sanitäter“, sagt Nicole Bechtholdt. Einer der beiden sei „rotzfrech“ gewesen und habe die Helfer beleidigt.
Der „Oeffentliche“ hat Florian Klamt, Pressemitarbeiter beim ASB, mit Bechtholds Aussagen konfrontiert. „Ich will keinem von beiden unterstellen, dass er die Unwahrheit sagt“, sagt Klamt. „Ich halte es für möglich, dass man unterschiedliche Perspektiven auf den Vorfall hat.“ Sein Kollege Matthias Plautz habe sich bemüht, das Ganze neutral zu schildern: „Ich kenne ihn schon lange und glaube ihm auch, dass er das so erlebt hat. Dass die Besucher und Standbetreiber den Vorfall so erlebt haben, wie sie es schildern, mag auch sein. Die Wahrheit liegt wohl irgendwo in der Mitte. Aus unserer Perspektive hat es Ärger gegeben, weil Leute nicht mit dem Rettungsdienst kooperiert haben.“ Möglicherweise habe sich die Gruppe um Bechtholdt bemüht, zu helfen und andere hätten das nicht getan.
Der Knackpunkt an dem Ganzen: Um zur Patientenwohnung in einer schmalen Gasse, die von den Kreuznachern „Vier Arschbacken“ genannt wird, zu gelangen, hätten die Sanitäter gar nicht auf den Eiermarkt fahren müssen. Die korrekte Anfahrt hätte über die Mannheimer Straße erfolgen müssen. Die Sanitäter hätten sich an das Navigationsgerät gehalten, sagt Klamt. Es wäre wohl besser, wenn sich Rettungssanitäter künftig über Anfahrtswege informierten, sagt Hiltrud Kreuser vom Organisationsteam des Nikolausmarkts. „Ein Taxifahrer fährt auch nicht über Rom nach Paris.“