Denkwürdige Führung
Auf den Spuren der Sobernheimer Entrechteten
An den Firmenaufschriften der ehemals hölzernen Kleiderbügel, wie ihn Petra Schröder neben Hermann Zauner an der Ecke Marumstraße/Kreuzstraße in der Hand hält, allein schon ließen sich Ausmaß und Vielzahl der Geschäfte jüdischer Sobernheimer vor 1933 ablesen
Wilhelm Meyer

Zum Weltgästeführertag ging es in Bad Sobernheim auf die Spuren der geschändeten und vertriebenen jüdischen Geschäftswelt.

„Verborgene Schätze“ stand als Motto des Weltgästeführertages in diesem Jahr auf der Agenda des Bundesverbandes der Gästeführer in Deutschland. Auch die Freunde des Heimatmuseums Bad Sobernheim hatten in diesem Rahmen zu einer Stadtführung eingeladen.

Doch es war eine Führung, die unter dem Thema „Vergessene Schicksale“ stand. „Verborgene Schätze haben wir in Bad Sobernheim selbstverständlich auch reichlich“, stellte die Direktorin des Heimatmuseums Anke Wiechert fest. Doch besonders freute sie sich über das außerordentliche Interesse, dass die Sobernheimer an diesem empfindlich kalten Februartag an den „Vergessenen Schicksalen“ zeigten. „Über das Leben jüdischer Mitbürger in Bad Sobernheim – insbesondere über die schweren Lebensschicksale während der Zeit des Nationalsozialismus“ hatte es in der Ankündigung geheißen.

Geschichte mit frischem Input

Führungen, das fand Hermann Zauner, der an der Ecke Marumstraße/Kreuzstraße gemeinsam mit Petra Schröder die Geschichte des ehemaligen Kaufhauses lebendig werden ließ, sind keine Einbahnstraße. Man sei froh über jede Information, die die Teilnehmer mitteilen könnten. So war mehrfach entlang der Stationen der Geschichte der Sobernheimer Juden immer wieder auch hören, was Einzelne von ihren Eltern, Großeltern über die Geschehnisse vor allem in der Sobernheimer Nazizeit gehört hatten.

Fast ein Wahrzeichen jüdischen Lebens ist der Straßenübergang der Marumfabrik, zugleich steht die Gruppe vor dem Haus, das den Raum für Schule und Gebet der jüdischen Gemeinde vor dem Bau der Synagoge, bot
Wilhelm Meyer

Vor allem das spätere Nahe-Kaufhaus war vielen noch lebendig in Erinnerung, der erste Aldi, die einzige Rolltreppe, die spätere Aluminiumfassade. Doch dass zuvor auch ein wichtiger Teil des jüdischen Sobernheimer Geschäftsleben hier stattgefunden hatte, riefen die Referenten ins Gedächtnis.

Kleiderbügel als Werbemittel und historische Reminiszenz

„Manufakturwaren-Handlung“ hatte es bei den Sobernheimer Geschäften, die von jüdischen Mitbürgern betrieben worden waren, oft geheißen. Und dazu waren die ehemals beliebten Werbeträger, hölzerne Kleiderbügel, Reminiszenzen, die nicht allein an das Kaufhaus Wolf erinnerten. Manufakturwaren standen ebenfalls an der Großstraße 12, dem Landhandel von Eugen Feibelmann, in der Geschäftsbezeichnung. Auch Wolfhart Dhonau hatte an der Wilhelmstraße 4, “Manufakturwaren und Landhandel, Jakob Ostermann„ einen Kleiderbügel vorzuweisen. Desgleichen Gernot Schauß, der vor Großstraße 33 über “Manufakturwaren und Landhandel Rudolf Feibelmann„ und vor der Großstraße 50 von den “Manufakturwaren Loeb und Frenkel" zu berichten wusste.

Unverkennbar an ihrem Straßenübergang mit der markanten Uhr ging es entlang der Marumfabrik zum Stammhaus der Familie Marum in der Großstraße. Fast gegenüber noch das Haus, in dem Schule und Betsaal vor dem Bau der Synagoge ihren Platz gehabt hatten. Am Stammhaus der Marums, die so prägend für das Sobernheimer Geschäftsleben geworden waren, ließ Petra Schröder noch einmal das an Schrecken und Brutalität kaum zu überbietende Schicksal des Heinrich Marum lebendig werden.

Eifrige Beamte in bösen Diensten

Am 26. Juli wurde er mit den übrigen verbliebenen elf Sobernheimer Juden im geschlossenen Möbelwagen nach Bad Kreuznach abgeholt zum Weitertransport in Viehwaggons nach Theresienstadt, wo er bereits am 10. August 1942 – wenige Tage vor seinem 94. Geburtstag – verstarb. „Schon 14 Tage später“ so lässt es sich auf der Homepage des Kulturforums Bad Sobernhem nachlesen, „räumte der NS-Staat sein kleines Restvermögen bei der Bank in Idar-Oberstein ab, so effektiv arbeitete das deutsche Beamtentum“.

Karnevalslied mit Zeilen für Geschäfte

Was die Kleiderbügel über das Sobernheimer Geschäftsleben aussagen können, war mittlerweile deutlich. Und von welchem lebendigen, geschäftigen Leben allein auf diesem kurzen Weg durch die derzeit eher öde zu nennende Großstraße sie ein Zeugnis ablegen konnten, ebenfalls.

Welch merkwürdige Quellen zu einem Bild der Geschichte auch beitragen können, ließ Schauß an einem Karnevalslied von 1897/98 deutlich werden. Das Liederheft ist eine Fundgrube des Sobernheimer Geschäftsleben. Für alle, und eben auch die jüdischen Geschäfte, hatte es ein paar Reime übrig. Am Priorhof, auch er einmal in jüdischem Besitz, endete eine nachdenkenswerte und lehrreiche Führung.

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