Das Aus der Berliner Ampel elektrifiziert ganz Deutschland. Auch im Kreis Bad Kreuznach diskutiert man über die Basta-Rede von Bundeskanzler Olaf Scholz, die Demission Christian Lindners, den FDP-Austritt von Volker Wissing, der zwischen 2016 und 2021 in seiner Zeit als rheinland-pfälzischer Minister für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau unzählige Male zu Gast in Bad Kreuznach war, darüber, ob CDU-Chef Friedrich Merz es gelingt, Kanzler Scholz dazu zu bewegen, die Vertrauensfrage noch in diesem Jahr zu stellen, sowie die Auswirkungen des Ampel-Bruchs für das Land.

„Der Rauswurf von Christian Lindner war spätestens seit dem von ihm initiierten Gegengipfel fällig“, findet Denis Alt (SPD), Staatssekretär im Ministerium für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung, der Teil der Mainzer Ampelregierung ist. Für den Bad Sobernheimer ist klar: „Lindner hat seine Entlassung damit quasi selbst beantragt.“ Diese Art des Umgangs sei nicht mehr tragbar gewesen. Der Kanzler habe über Jahre hinweg „alles zusammengehalten“. Der Vorwurf Lindners, Scholz habe vorsätzlich den Bruch der Koalition herbeigeführt, sei daher absurd.
Helmut Martin: Neuwahlen müssen sofort kommen
Helmut Martin ist Chef des CDU-Kreisverbands und zudem Mitglied des rheinland-pfälzischen Landtags. Die Signale, dass die Ampel auseinanderfliegen könnte, seien am Mittwochabend immer stärker geworden. Trotzdem sei er sich lange nicht sicher gewesen, ob es auch dazu komme. „Für Deutschland ist es eine echte Chance, aber nur wenn der Kanzler den Weg zu schnellen Neuwahlen findet.“ Lindners verbales Bewerbungsschreiben an die CDU habe er zur Kenntnis genommen. „Das war die Sehnsucht, endlich mal gut zu regieren.“
„Da ändert sich nichts. Wir arbeiten vertrauensvoll zusammen.“
Philipp Fernis, FDP-Fraktionschef im Landtag
Den Bad Kreuznacher Philipp Fernis, FDP-Fraktionschef im rheinland-pfälzischen Landtag, verbindet viel mit Volker Wissing - sie waren politische Weggefährten. „Wer seinen Weg in seinen Schuhen nicht gegangen ist, der kann nur schwer beurteilen, was ihn zu diesem Schritt bewogen haben muss“, sagt er unserer Zeitung gegenüber. Wissing habe hohe Verdienste in Rheinland-Pfalz vorzuweisen. „Er hat viele starke Persönlichkeiten aufgebaut, deswegen weiß ich, dass wir personell gut aufgestellt sind.“ Trotzdem sei ein solcher Schritt eine Zäsur. Der Bruch in Berlin habe aber keine Auswirkungen auf die gut funktionierende Ampel in Mainz: „Da ändert sich nichts. Wir arbeiten vertrauensvoll zusammen.“

„Wir brauchen eine handlungsfähige Bundesregierung. Die gibt es nur mit schnellen Neuwahlen“, findet Christoph Anheuser, Stadtverbandschef der Bad Kreuznacher FDP. Man engagiere sich vor allem für die Belange hier in der Stadt und leide schon lange unter dem Gegenwind aus Berlin. „Wir haben trotz dieses Gegenwinds bei der Kommunalwahl ein sehr gutes Ergebnis eingefahren. Insofern hätte ich mir aus Berlin jetzt ein echtes, klares Signal für einen vollständigen Neuanfang gewünscht. Volker Wissings Entscheidung ist für mich daher nicht nachvollziehbar. In den wenigen Monaten bis zu den erwarteten Neuwahlen lässt sich ohne Haushalt und ohne Mehrheit im Bundestag ehrlich gesagt nicht viel bewegen“, so Anheuser zum Austritt des einstigen Landeschefs. Er ist sich sicher, dass in Rheinland-Pfalz die Ampel weiter konstruktiv und geräuschlos zusammenarbeiten werde. „Und auch unsere Landespartei hat gutes Personal, um sich jetzt für die anstehende Bundestagswahl ohne Volker Wissing gut aufzustellen.“
Grüne treffen sich am 20. November
Der Kreisvorsitzende der Grünen, Lars Medinger, sieht die Schuldenbremse als einen Knackpunkt für das Scheitern der Ampel im Bund. „Dass sie trotz Krieg, Inflation und Krisen nicht aufgeweicht werden konnte, ist ein großes Problem gewesen“, ist seine Einschätzung. Die Ampel in Rheinland-Pfalz habe es allerdings in Wirtschaftsfragen auch leichter, da die Kompetenzbereiche nicht so weitreichend seien wie im Bund und es zudem mehr um Sachthemen als Personen gehe. So schätzt er auch die Arbeit des aus der FDP ausgetretenen Verkehrsministers Volker Wissing als Landesvorsitzender in Rheinland-Pfalz als gut ein. Im Bund hingegen habe er wichtige grüne Anliegen nicht umgesetzt. „Beim Tempolimit habe ich mir mehr gewünscht“, erklärt Medinger.
Bei der Ampel-Auflösung sieht er die Grünen insgesamt in einer eher passiven Rolle. „Scholz und Lindner haben gegenseitig nachgetreten“, konstatiert er. Die Reden von Wirtschaftsminister und Vizekanzler Robert Habeck sowie Außenministerin Annalena Baerbock bewertet der Grünen-Kreisvorsitzende als stark. Doch was bedeutet das Ampel-Aus für die Grünen im Kreis Bad Kreuznach? Medinger kündigt für 20. November eine Wahlversammlung der Kreisverbände Birkenfeld und Bad Kreuznach in Idar-Oberstein an, wo Katharina Müller, Mitglied im Verbandsgemeinderat Birkenfeld, außerdem Geschäftsführerin der Grünen Jugend Rheinland-Pfalz und Mitglied im Bundesvorstand der Grünen Jugend, als Direktkandidatin für die Bundestagswahl aufs Schild gehoben werden soll – was freilich schon vor dem Ampelbruch feststand.