Noch immer zeichnet sich im Fall des Windesheim untergebrachten Afghanen, der mehrfach gewalttätig aufgefallen war, keine Lösung ab. Der 20-jährige Mann, der ausreisepflichtig ist und vom Kreis eigentlich der Verbandsgemeinde Rüdesheim zugewiesen wurde, war Anfang des Jahres bundesweit in die Schlagzeilen geraten. Vor allem nach den Messerattacken in Aschaffenburg sorgte die Anwesenheit des Mannes im kleinen Weindörfchen bei einigen für ein ungutes Gefühl.
Was aber bestens glückte, war, dass sich unterschiedlichste Protagonisten den Ball zuspielten und auf die Zuständigkeit des Bundes verwiesen. Tenor: Solange der Bund dem Mann, der bereits mehrfach alimentierte Angebote zur freiwilligen Ausreise ausgeschlagen hatte, keinen Platz in einem Abschiebeflieger zuweist, seien allen die Hände gebunden – auf Landes-, Kreis- und Gemeindeebene.
„Der Landkreis beziehungsweise Sie in Ihrer Funktions als zuständiger Beigeordner verantworten hier seit mehreren Wochen und Monaten eine nicht hinnehmbare Situation und eine Verschwendung von Steuergeld.“
VG-Bürgermeister Michael Cyfka (CDU) an den Kreisbeigeordneten Oliver Kohl (SPD)
Michael Cyfka (CDU), Bürgermeister der Verbandsgemeinde Langenlonsheim-Stromberg, hat sich deswegen in einem Brief mit Datum vom 26. Februar an Oliver Kohl gewandt. Der SPD-Mann ist als Kreisbeigeordneter für die Zuweisung und Unterbringung von Geflüchteten zuständig. Cyfka fragt Kohl: Wo bleibt die Antwort auf das Schreiben von Volker Stern, dem Ortsbürgermeister von Windesheim?
Dass nach Cyfkas Auffassung keine Antwort erfolgt sei, sei umso bedauerlicher, „als dass sich an der Situation vor Ort ebenfalls nichts geändert hat“. Weiter: „Der Landkreis beziehungsweise Sie in Ihrer Funktion als zuständiger Beigeordneter verantworten hier seit mehreren Wochen und Monaten eine nicht hinnehmbare Situation und eine Verschwendung von Steuergeld“, wendet sich Cyfka mit starken Worten an Kohl – und wohl auch ein Stück weit an seine eigene Parteikollegin Bettina Dickes (CDU), die Landrätin.
Der Hintergrund: Weil gegen den Afghanen ein Hausverbot ausgesprochen wurde, darf dieser die „eigene“ Unterkunft nicht betreten und lebt in einem Container vor der Notunterkunft des Kreises (NUK). Ein Sicherheitsdienst überwacht Tag und Nacht die Einhaltung des Hausverbotes. Das kostet den Kreis pro Monat mindestens 40.000 Euro. Fakt ist: Der Afghane ist nur selten überhaupt einmal in Windesheim zugegen.

Der Afghane war in der Vergangenheit durch mehrere körperliche Angriffe aufgefallen. Noch in seiner alten Unterkunft in Schlossböckelheim (VG Rüdesheim) hatte er Mitbewohner mit einem Stock zum „richtigen Beten“ prügeln wollen. Später hatte er in Windesheim ebenfalls Mitbewohner und eine Reinigungskraft körperlich attackiert. Er wurde psychiatrisch begutachtet und ist nicht vorbestraft. Allerdings sind gegen ihn Strafanzeigen erhoben worden, die sich noch teilweise in Bearbeitung befinden.
Eigentlich sollte der Mann zur Unterbringung zurück in die Verbandsgemeinde (VG) Rüdesheim überwiesen werden, so der Plan der Kreisverwaltung – wo er vor seinen Gewaltausbrüchen gelebt hatte. Markus Lütter, Bürgermeister der VG Rüdesheim, hatte das abgelehnt. Dass die VG den jungen Mann übernehmen soll, ist weiterhin Beschlusslage, allerdings findet das derzeit keinen Vollzug.
„Warum scheuen Sie den Konflikt mit der Verbandsgemeinde Rüdesheim?“
Michael Cyfkas Frage an Oliver Kohl
Michael Cyfka fragt deswegen Oliver Kohl: „Warum scheuen Sie den Konflikt mit der Verbandsgemeinde Rüdesheim?“ Zuletzt hatten sich in die Angelegenheit auch zahlreiche Landespolitiker eingeschaltet, unter anderem Ministerpräsident Alexander Schweitzer (SPD). Er hatte sich dafür ausgesprochen, dass der Mann das Land verlässt. Schweitzer hatte um Unterstützung des Bundes gebeten.
„Das Schreiben der Ortsgemeinde Windesheim wurde seitens der Kreisverwaltung am 29.01.2025 beantwortet. Die Kreisverwaltung hat großes Verständnis für die Bedenken der Menschen vor Ort. Dem Landkreis sind jedoch rechtlich die Hände gebunden. Jetzt sind Landes- und Bundesbehörden am Zug, eine zeitnahe Abschiebung zu organisieren. Die Unterbringung des afghanischen Geflüchteten erfolgt im Sinne der Sicherheitsinteressen auch anderer Gemeinden vorerst weiterhin in der Notunterkunft in Windesheim“, antwortet Oliver Kohl auf eine Anfrage dieser Zeitung. Im Gespräch sagt er, dass er Ortsbürgermeister Stern direkt danach angerufen habe.
„Die Unterbringung in der NUK ist nicht dauerhaft, sondern vorübergehend bis zur Ausreise des Geflüchteten, wobei die Kreisverwaltung die Situation beständig überprüft.“
Oliver Kohl hofft weiterhin auf eine zeitnahe Abschiebung.
Die Situation vor Ort sei dem Bund, dem Land, der Polizei, dem Gesundheitsamt und dem Ordnungsamt bekannt. „Unserer Einschätzung nach ermöglicht die Unterbringung in der Notunterkunft (NUK) Windesheim eine leichtere Rückführung. Für die Dauer des Aufenthaltes des Betroffenen in der NUK Windesheim unterliegt dieser dem bestehenden Schutz- und Betreuungskonzept der Einrichtung. In einer eigenen Wohnung wäre ein solches Schutz- und Betreuungskonzept nicht umsetzbar. Die Unterbringung in der NUK ist nicht dauerhaft, sondern vorübergehend bis zur Ausreise des Geflüchteten, wobei die Kreisverwaltung die Situation beständig überprüft“, schreibt Kohl. Weiterhin bestehe die berechtigte Hoffnung, dass der Mann bald abgeschoben werde.