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Abenteuer ohne Route: Wie ein Binger Paar acht Monate um die Welt reiste

In jeden Semesterferien waren Sophie Sperlich und Simon Büschges unterwegs - hier im Dschungel Sumatras bei Ketambe.

Büschges

Kleine Andenken gehören zu großen Reisen. Gekauftes, Gesammeltes oder Fotos erinnern an eine schöne Zeit. Doch die wenigsten geben sich beim Festhalten von Erlebnissen wohl so viel Mühe wie Simon Büschges und Sophie Sperlich. Das junge Paar aus Bingen hat eine feste Reisebegleitung – die Videokamera. Über ihren Kanal auf der Videoplattform YouTube nehmen die beiden ihre Zuschauer mit in den Urlaub, geben Einblicke in ihre Erlebnisse und versorgen Interessierte nebenbei mit praktischen Tipps.

In jeden Semesterferien waren Sophie Sperlich und Simon Büschges unterwegs - hier im Dschungel Sumatras bei Ketambe.

Büschges

Das kommt offenbar nicht nur im eigenen Bekanntenkreis und bei anderen Vielreisenden gut an, sondern auch unter Videoexperten: Das Paar wurde kürzlich für den Youlius-Award nominiert. Der Förderpreis zeichnet aufstrebende Videokünstler aus, deren Reichweite sich noch in einem vergleichsweise kleinen Rahmen bewegt. Passend zum Jahr, in dem die Preisverleihung stattfindet, darf die Zahl der Abonnenten maximal bei 2019 liegen. Davon sind Sophie Sperlich und Simon Büschges noch weit entfernt. 275 Abonnenten folgen seit ihrem YouTube-Start im April 2016 ihren Auslandsberichten, knapp 30.000 Mal sind ihre Videos bislang aufgerufen worden.

Dabei wollten die Zwei ursprünglich nur ihre Familien und Freunde mit ihren Videos aus dem Urlaub auf dem Laufenden halten, ihre Erlebnisse mit dem engsten Kreis teilen. Eine kleine Actioncam hielt dafür her – „die schäbigste Version“, wie Simon Büschges beschreibt. Aber in erster Linie ging es den beiden ja auch nur ums Reisen.

Alles dreht sich um den Urlaub

Das Paar, das sich schon während der Schulzeit auf dem Binger Stefan-George-Gymnasium kennengelernt hat und zum Studium gemeinsam nach Lüneburg zog, legte alles daran, möglichst viel und lange in der Welt unterwegs sein zu können. Vor ihrem Studienbeginn und während der Semester wurde gearbeitet, gespart und geplant, damit es in den Semesterferien sofort losgehen konnte. „Vor unserer ersten Reise nach Thailand haben wir bis 4 Uhr morgens an unseren Hausarbeiten gesessen und standen morgens dann pünktlich am Frankfurter Flughafen“, erzählt Sophie Sperlich. Seitdem waren die beiden in jeden Semesterferien unterwegs: Im Anschluss an Thailand ging es nach Sri Lanka, dann nach Taiwan, Sumatra und schließlich im vergangenen Frühjahr nach Japan. „Während wir auf einer Reise sind, fängt Sophie schon an, die nächste zu planen“, erzählt Simon Büschges.

Was sich ziemlich kostspielig anhört, hat mit Luxus in Wahrheit eher wenig zu tun. In Asien kommen die beiden besonders günstig über die Runden. „Wir übernachten gern in Homestays“, sagt Sophie Sperlich. Die 23-Jährige hat sich inzwischen zu einer Reiseexpertin gemausert, durchforstet vorab etliche Blogs und sammelt Übernachtungs- und Erlebnistipps. So landen die beiden auch mal dort, wohin sich sonst kein anderer Tourist verirrt. „Unsere bislang coolste Unterkunft war auf einer Mini-Insel in Sumatra“, erzählt Simon Büschges. Dort standen nur mehrere Holzbungalows, die mit Matratzen und einem Fliegennetz ausgestattet waren. Kein Strom, kein fließendes Wasser, aber dafür ein traumhaftes Korallenriff – und ein unschlagbar günstiger Preis: Für 11 Euro am Tag wurden die Reisenden komplett versorgt. „Außer uns war nur ein einziger anderer Gast dort“, erzählt Sophie Sperlich. Die abgeschiedenen Orte haben es ihnen angetan – wie auch in Sri Lanka, wo sie die vielfältige Tierwelt fasziniert hat.

Aber auch die großen Städte und Metropolen ziehen das Paar in ihren Bann – vor allem in Japan. „Dort gibt's an jeder Ecke irgendwas zu sehen“, erklärt Sophie Sperlich. Gerade mal drei Tage waren die zwei in Osaka, „und es war Liebe auf den ersten Blick“, sagt Simon Büschges. Inzwischen könnten sie sich sogar vorstellen, dort zu leben.

Bevor Sesshaftigkeit aber überhaupt zum Thema wird, soll es jetzt zuerst noch einmal so richtig losgehen: Knapp acht Monate wollen die beiden gemeinsam durch Asien reisen. Mit ihrer Kamera, dem Geld, das sie sich seit ihrem Bachelorabschluss erarbeitet haben, und einem kleinen Handgepäck. „Man muss sich schon ein bisschen einschränken, aber so sind wir flexibler“, erklärt die 23-Jährige. Der Flug nach Bangkok ist für den 5. Februar gebucht. Von dort aus soll es hauptsächlich über Landwege weitergehen. Südostasien ist der Einstieg, wo sie danach landen werden, wissen die Zwei noch nicht. Und auch die Pläne für die Zeit nach der großen Reise sind noch offen. „Wir wissen noch nicht mal, ob wir nach Lüneburg zurückgehen“, erklärt Simon Büschges. Die Wohnung ist für die kommenden Monate erst einmal untervermietet.

In jeden Semesterferien waren Sophie Sperlich und Simon Büschges unterwegs:  hier in Japan auf der Chureito Pagoda.

Büschges

Mit Glück und Verstand unterwegs

Sorgen oder Ängste begleiten das Paar nicht auf die große Reise. „Wir haben bisher noch nirgendwo wirklich schlechte Erfahrungen gemacht“, sagt Simon Büschges. „Das Schlimmste, was uns passiert ist, ist wohl, dass wir mal von einem Taxifahrer abgezogen wurden“, erzählt Sophie Sperlich. Und auch untereinander gebe es in der vier Jahre andauernden Beziehung so gut wie keine Konfliktpunkte. „Wir waren zuerst beste Freunde, dann ist es außer Kontrolle geraten“, erklärt Simon Büschges und lacht.

Vor der großen Reise steht jetzt aber erst einmal die Preisverleihung des Youlius-Awards am 26. Januar in Essen an. Aus 170 Bewerbern haben es Sophie Sperlich und Simon Büschges unter die Nominierten in der Kategorie „Vlogs“ (kurz für Videoblogs) geschafft. „Wir hatten keine Ahnung, ob wir eine Chance haben“, sagt Simon Büschges. Alles was der 22-Jährige über das Produzieren von Videos weiß, hat er sich selbst angeeignet. An seinem ersten Video saß er rund 20 Stunden, mittlerweile braucht er nicht mal mehr die Hälfte der Zeit. Bei dem Wettbewerb will der junge Videokünstler vor allem dazulernen, „Kollegen“ kennenlernen und sich mit ihnen austauschen. Außerdem winken Sachpreise in Form von Gutscheinen, etwa Musikabos zur Untermalung der Videos.

Dass das Paar komplett in die Szene einsteigt und sich seinen Lebensunterhalt durch Reisevideos verdient, ist für die beiden momentan noch eine utopische Vorstellung. Sicher ist aber: Zu den 55 Videos auf ihrem YouTube-Kanal wird in den kommenden Monaten ganz sicher das ein oder andere hinzukommen. Désirée Thorn

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