Bad Sobernheim
Ab in den Wald und lass die Sau raus: Piloten und Grunzvieh einst unterwegs im Paradies
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Es führt kein Pfad zur "Sauhütte" im Bad Sobernheimer Wald - sie liegt versteckt im Grün, erkennbar erst, wenn man nahe dran ist.
rw-archiver. Robert Neuber

Serie "Unser (kleines) Paradies": Wo früher die Kampfjets über den Dörndich donnerten, verwaisen heute die Mannschaftsgebäude. Nicht weit davon entfernt wächst der Wald auch über ein kleines, seltsames Bauwerk. Die Phantoms und Starfighter waren ein paar Jahrzehnte hier - die "Sauhütte" im Sobernheimer Wald indes hat Jahrhunderte auf dem steinigen Buckel...

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Gernot Schauß kümmert sich im Ruhestand in Bad Sobernheim um die Heimatgeschichte. Und er war als Kind mit seinen Eltern oft im Sobernheimer Wald. Die „Sauhütte“, die man heute im dichten Bewuchs kaum mehr ausmachen kann, kennt er noch aus alten Zeiten. Hier wurde gespielt, herumgestreunt. Und nun als Rentner wollte Schauß herausfinden, um was es sich bei diesem Bauwerk handelt.

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Gernot Schauß aus Bad Sobernheim hat als Kind schon an der Sauhütte gespielt - nun hat er sich ernsthaft mit der Historie dieses seltsamen Waldrelikts beschäftigt.
rw-archiver. Robert Neuber

Es ist ein in den Waldhang gebauter Unterstand mit Bogengewölbe aus Felsplatten, etwa 3,10 Meter breit und 1,75 Meter hoch. Hinein geht es knapp zwei Meter. Hinten auf der Hangseite ist eine Steinmauer postiert, die aber nach oben zum Gewölbe nicht abschließt, also auch keine tragende Funktion hat. Es führt kein Pfad oder Weg von der Waldpiste zu diesem kulturhistorischen Schmuckstück, was wirklich schade ist. Denn gerade solche kleinen Geheimplätze sind doch das Salz in der touristischen Suppe.

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Blick aus der "Sauhütte" hinaus in den Bad Sobernheimer Wald oberhalb der Siedlung "Neues Leben"
Robert Neuber

Was hat es nun mit diesem Bauwerk auf sich? Es ist ein Unterstand für die Schweinehirten, die früher ihre Tiere durch den Wald scheuchten. Dort fraßen sie vor allem die herumliegenden Zapfen, Eicheln, Nüsse und buddelten sich an die leckeren Wurzeln heran. Der Hirte war oft ganze Wochen im Wald unterwegs, und um sich bei schlechtem Wetter schützen zu können, brauchte er einen Unterstand.

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Im hinteren Bereich der Sauhütte ist die Decke offen gelassen worden - womöglich konnte hier der Rauch eines zum Heizen oder Kochen gezündeten Feuers abziehen.
Robert Neuber

Der wäre früher wie heute schneller aus Holz gebaut gewesen, doch das wurde damals strikt untersagt. Denn Holz war seinerzeit, als es für sämtliche Öfen im Winter gebraucht wurde und es noch keine alternativen Heizsysteme gab, ein kostbarer Rohstoff, der keinesfalls für Schweine und ihre Hirten geopfert werden durfte. Also gab es die offizielle Anweisung in den Forstordnungen sogar schon des 16. Jahrhunderts, solche Unterstände aus Steinen zu konstruieren.

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Eine billig konstruierte Waldunterkunft war die "Sauhütte" nicht, sie war ordentlich aus passenden Felsplatten gebaut. Möglicherweise diente sie auch der Jägerschaft als Unterstand.
Robert Neuber

Gernot Schauß ist bei seinen Nachforschungen bis nach Stuttgart, Thüringen oder ins unterfränkische Maintal aber auch auf Hinweise dafür gestoßen, dass solche Bauten nicht für die armseligen Schweinehirten errichtet wurden, sondern Relikte von Jagdbauten der örtlichen Adelsriege waren.

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Aus dem Hang über das "Dach" der Hütte in den Wald geknipst: unten die Öffnung, die wohl dem Rauchabzug diente.
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Witzig ist übrigens, dass sich nahe der Gebäude der „Neues Leben“-Siedlung ein Holzwegweiser an einem Baum findet, auf dem nicht „Sauhütte“ steht. Sondern „Sauhüth“. Und das zeigt, dass es sich bei der Rundbogen-Konstruktion im Sobernheimer Wald eben nicht um eine Hütte, sondern um einen Unterstand für den Hüter der Säue, Eber und Ferkel gehandelt hat.

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An der Siedlung "Neues Leben" im Bad Sobernheimer Wald findet sich dieser Wegweiser, der eben nicht von einer "Sauhütte" spricht, sondern von "Sauhüth" - hier wurde also schon der Zweck des rundbögigen Steinbaus im Wald angedeutet.
rw-archiver. Robert Neuber

Ein Ausflug zu diesem Relikt lohnt sich nicht nur, weil man so ein verstecktes Kulturgut entdecken kann. Sondern auch, weil im Wald am nahen Maasberg wunderbare Spazierwege entstanden sind, die als „Felke Heil- und Aktivwald“ beworben werden. Das klingt nach neudeutschem Marketingsprech, aber die Wege sind wirklich schön, machen Spaß, und ein Picknick an der alten Hubertuslust-Hütte dient sich hier auch an. Damit wäre dieser Ausflug perfekt.

Wie gelangt man nun hin? Von der B41 die Abfahrt Bad Sobernheim-Zentrum, Dörndich, Gemünden nehmen. Nach etwa zwei Kilometern rechts ab zur Siedlung „Neues Leben“, von hier geht es nun auf Schotterpiste weiter und die letzten Meter durch den Wald – am besten an den GPS-Daten im angefügten Infokasten orientieren. Zu den Spazierwegen des Felke-Walds gelangt man kurz nach der Abfahrt von der B41. Am Abzweig zum Maasberg-Golfplatz findet sich der Parkplatz mit Holzhütte zum Einstieg. Man kann die Wege aber auch oben im Wald von der Sauhütte aus erreichen.

Serie „Unser (kleines) Paradies“

  • In unserer Serie zur paradiesischen Nahe-Landschaft führen wir Sie an besondere, ja auch geheimnisvolle Plätze an der Nahe – außergewöhnliche Aussichten, seltsame Einblicke, versteckte Kleinode mit interessanter Geschichte. Nicht die Standard-Ausflugsziele, sondern Insider-Tipps!
  • Die Sauhütte im Bad Sobernheimer Wald erreicht man nach der Abfahrt von der B41 bei Bad Sobernheim Richtung „Dörndich“ und Gemünden, nach 2,1 Kilometern biegt man ab auf die Straße zur Siedlung „Neues Leben“. Nach einigen hundert Metern gelangt man an eine Wanderhütte, wo ein Schotter-Parkplatz genutzt werden kann. Von hier auf der Waldpiste weiterspazieren, bis sie sich in drei Trassen aufteilt. Nun dem links verlaufenden Weg etwa 500 Meter folgen, dann in den Wald hinein und bergauf – nach etwa 50 Metern steht man vor dem Bauwerk.
  • GPS-Daten der Sauhütte: 49,819; 7,643

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