Das Schöne daran: Die Prominenz – oder was sich dafür hält – aus Kommunalpolitik, Wirtschaft und Gesellschaft bekam kräftig die Leviten gelesen, musste bissigen Hohn und beißenden Spott über sich ergehen lassen – und durfte dann noch tief in die Tasche greifen, um für einen guten Zweck zu spenden. „Närrisches Brauchtum und soziales Engagement sind hier miteinander verknüpft“, machte Thomas Modes in seiner Begrüßung klar, nachdem zuvor zum Aufwärmen der Carneval- und Musikverein Neu-Bamberg gespielt hatte.
Kaum einer kam ungeschoren davon
Das Who is who der Kreuznacher Gesellschaft war da, kaum einer kam ungeschoren davon. Wer nicht Ziel des Spottes war, der muss sich wohl fragen, ob er im Beliebtheits- und Bekanntheitsgrad auf dem absteigenden Ast ist. Andererseits: So mancher, den der abgeschossene Spottpfeil zielsicher traf, musste erst einmal schlucken, bevor er darüber dann doch noch lachen konnte. Beim Nockherbersch gibt es keine Hänger, nur Topbeiträge. Ist ja auch kein Wunder, wenn ein Könner vom Schlage eines Jochen Merz als Lehrer Nell vun de Klappergass' in die Bütt' steigt und die Wespengarde ihr großartiges Singspiel zum Besten gibt, das schon seit Jahren unbestritten einer der Höhepunkte der Kreuznacher Fastnacht ist.
Beim obligatorischen Fassbieranstich zeigte Oberbürgermeister Emanuel Letz, dass er sein Handwerk versteht – jedenfalls was das Bierfassanschlagen angeht. Gleich der erste Schlag saß. Er hatte aber auch einen richtig großen Hammer dabei und nicht, wie bei seiner Premiere, ein Hämmerchen. Lehrer Nell zeigte sich davon allerdings unbeeindruckt. Es konnte ihn weder besänftigen noch milde stimmen: Der Lehrer „vom Werner-Lorenz-Privatgymnasium – der Lehranstalt für die besonders Begabten unserer Stadt, also die Damen und Herren Stadträte nebst der Beamtenschaft aus dem Stadthaus“ – nahm die Welt-, Bundes- und Landespolitik, ganz besonders aber die Kreuznacher Kommunalpolitik ins Visier und rechnete in seiner Gardinenpredigt, scharf mit allen ab. Denn immerhin hat das Kreuznacher Chaos einen Namen: Stadtrat!
Das schreit ja förmlich nach einer Teilnahme bei Bauer sucht Frau.
Lehrer Nell zu den Besuchen von Landrätin Dickes in den Ställen der Bauern der Region
„Der Sohnemann unseres Klassensprechers Emanuel Letz hat seinen Papa zuletzt während einer Stadtratssitzung besucht und fing nach einer Weile an, enttäuscht zu weinen: Warum weinst du denn mein Sohnemann? fragte unser OB. Darauf der Bub: „Papa, wo sind dann jetzt die ganzen Affen, von denen du immer sprichst?“ Dafür gab es tosenden Beifall und das erste „Ujujujujuj“. Für Gewobau-Chef Karl-Heinz Seeger, der sich am Morgen hatte entschuldigen lassen, hatte er dafür diesen Trost parat: „Dein Aufsichtsrat hat dir die Spesen für Speis' und Trank um sagenhafte 80 Prozent gekürzt. Sei nicht traurig. So viel kannst du ja gar nicht essen und trinken.“
Trump: “Ein Querschläger der Evolution"
Die internationale Lage ist auch nicht besser, die Welt ein Pulverfass mit Kriegen und Krisen. Doch es könnte noch schlimmer kommen. Für Nell wird es das auch: Jetzt drohe noch die Rückkehr von Donald Trump. „Dieser Querschläger der Evolution wird wieder Präsident werden, ich prophezeie es Ihnen. Die irren Amis werden den wieder wählen ... So eine Scheiße. Tja, wie fragte ich einst unseren Schüler Delaveaux: Karl-Heinz, was grenzt an Dummheit? Antwort: Ei unten Mexiko und oben Kanada. Recht hat er, der Bub.“
Er überlege jetzt, so Merz weiter, ob er für den Posten des Landrats kandidieren soll: „Die Qualifikation für das Amt habe ich allemal – ich besuche auch regelmäßig Fassenachtssitzungen und die Frühschoppen der Kirmesse im Kreis. Eis esse ich auch sehr gern, in Facebook posten kann ich. Gut, ich müsste es dann auf fünf bis zehn Posts am Tag ausweiten, im Fernseh war ich auch schon. Und dann ist noch die Sensation des Jahres perfekt: Das Klopfer-Comeback droht, äh Entschuldigung, steht an.“
Der Stadtrat eine Arena für Selbstdarsteller und Artisten
Der Stadtrat ist und bleibt auch nach der Wahl am 9. Juni eine „Arena für Selbstdarsteller und sonstige Artisten“, ist sich Lehrer Nell sicher. „Die Zirkusmacher werden bleiben, also Delaveaux, Merkelbach und Zimmerlin. Mal schauen, wer neu dazu kommt.“ Viele Stadträte gehören einer besonderen Spezies an, sind echte Gässjer: „Leute, die schon anfangen zu diskutieren, ohne zu wissen, um was es überhaupt geht.“
Großartiges Lucky-Letz-Singspiel der Wespe
Das einzigartige, famos-turbulente Singspiel der Wespengarde „Sheriff Lucky Letz: Der Mann, der langsamer spricht als sein Schatten“ entführte die Gäste in den Wilden Westen – mit samt der Kreuznacher Politikszenerie, ihren Cowboys und vereinzelt auch Cowgirls, dargeboten als Western-Komödie. Oder sollte man von traurig-tragischen Ereignissen sprechen? Ähnlichkeiten mit den Protagonisten aus dem Gässje-Theater waren natürlich beabsichtigt. Lauter schräge Vögel und merkwürdige Gestalten, die da ihr Unwesen treiben: Chefin im Saloon von Bäd Kee City ist die Betty Thickies (einfach umwerfend: Jens Wichmann). Dann wären da noch: Django Unchained Delaveaux, Jim Eitel Dalton, Jack Merkelbach Dalton, Joe Klopfer Dalton und Averal Zimmerlin Dalton. Mehr braucht man eigentlich gar nicht zu sagen. Aber wenigstens jammern die nicht, die Münsterer dagegen schon. „Das ist dort offenbar schon pathologisch.“
In Kreiznach, do mache die Schwarze nur noch Politik für Randgruppe – also für Bad Minschder un Winzenum.
Aus dem Singspiel
Da kann keiner helfen – nicht einmal Lucky Letz (Thomas Modes). Der hat schon genug Probleme – weniger mit Judge Tom Blechsmith, mehr mit den Ost-, West-, Nord- und Südstaatlern aus den Vororten, vor allem aber mit Marky McSchlossy, des Sheriffs Deputy. „Der Letz un der – die hon ständisch Krach.“ Auch wenn es am Ende nicht zum Showdown kommt. Am Kreuznacher Stau lag es diesmal nichts.
Natürlich dient der Nockherbersch einem guten Zweck: Es wurde wieder Geld gesammelt für die Kinder- und Frühchenklinik der Kreuznacher Diakonie. Dafür warben Dr. Karlheinz Ossig von der Ossig-Stiftung und Chefarzt Dr. Christoph von Buch. 260.000 Euro sind in 16 Jahren zusammengekommen. 2023 fuhr man ein Rekordergebnis von 18.000 Euro ein.